Was diese beiden Beispiele wunderbar
veranschaulichen, ist nicht nur die Erziehungsneigung diverser
staatlicher (oder staatlich finanzierter) Akteure, sondern auch, dass
dieselbe immer schambefreiter ausgeübt wird. „Nudging“ heißt das Konzept
dahinter, das davon ausgeht, dass der gemeine Bürger ja nicht wisse,
was gut für ihn sei. Der Mensch, dieses irrationale Wesen, soll und muss
vor sich selbst geschützt und anhand vermeintlich sanften, im besten
Falle moralischen Drucks in Richtung Tugendhaftigkeit geschubst werden.
Falsch essen, falsch reisen, falsch meinen, falsch sprechen – ja sogar
falsch wählen, der Selbstentscheider macht es den Nannystaatlern ja auch
wirklich nicht leicht. Und weil diese Neo-Paternalisten offenbar
verstanden haben, dass man dem Menschen seinen Eigensinn nicht vollends
durch Gesetze austreiben kann, wurde vor einiger Zeit das eben erwähnte
„Nudging“ erfunden, um unerwünschtes Verhalten durch Manipulation zu
ändern. Dessen bedient man sich nun eben auch in Medien und Politik ganz
ungeniert.
Dabei kann Nudger freilich nicht jeder sein oder werden, immerhin bedarf es für den Willen zur psychologischen Druckzufuhr mit Schlagseite schon eines bemerkenswert armseligen Menschenbildes: der Mensch als kognitives Würstchen, nicht fähig, selbst zu erfahren, zu bewerten, zu denken – klingt eher gegenaufklärerisch, ist es auch. Denn Freiheit und Autonomie des Einzelnen werden untergraben, wenn eine unter verschiedenen Optionen als faktisch oder moralisch besser dargestellt wird. Abgesehen davon, dass sich letztlich immer die Frage stellt: Wer soll entscheiden, was für jemand anderen gut oder schlecht ist? Richtig oder falsch? Gut oder böse? Eben.
Nun sind Wahlkampfzeiten freilich Nudging-Festspiele, Überredungskünstler allerorts. Doch trotz des nicht zu unterschätzenden Kollektivzwangs und versuchter Beeinflussung (und zwar nicht nur durch ausländische Unternehmer wie Elon Musk) ist es letztlich immer der Einzelne, der abwägt, entscheidet und also wählt – und zwar ganz für sich allein. Souverän ist, wer losgelöst und unabhängig von anderen seine Wahl trifft, in aller Stille seines eigenen Kopfes. So in etwa darf man sich geistige Freiheit vorstellen, deren Unversehrtheit wider alle unvermeidbaren äußeren Einflüsse, Emotionen und Ablenkungen gerade in einem zur weltanschaulichen Unabhängigkeit verpflichteten liberalen Rechtsstaat eigentlich immer Priorität haben sollte.
Insofern ist der Reigen der
Koalitionsausschlussversprechen diverser Politiker schon auch ziemlich
bemerkenswert. CSU und FDP wollen nicht mit den Grünen, die Grüne Jugend
(und die rote wohl auch) will nicht mit der CDU (unter Friedrich Merz),
und überhaupt will gar niemand mit der AfD. Fragt sich nur, wer hier
eigentlich wen wählt. Den Regierungsauftrag jedenfalls erteilen die
Bürger, erteilt der Souverän. Und so etwas wie eine falsche Wahl gibt es
nicht.
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