Von Christian Schlesiger, Lennart Roos, 02.02.2025Ausgerechnet
in der heftigsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten bekommt die
selbsternannte Wirtschaftspartei FDP ihre Wähler von 2021 nicht
mobilisiert. Warum Liberale mit den Freien Demokraten hadern – und was
noch helfen kann.
Carina Goldschmid
ist Unternehmerin aus Leidenschaft. Sie gründete eine PR-Agentur, die
sie kürzlich verkauft hat. Derzeit führt sie die Baufirma xclusive waters ,
die sich auf private Wellnessbereiche und Pools spezialisiert.
Goldschmid hat ein Herz für das Risiko, die Freiheit – und die FDP.
Mit
der FDP hatte sie „lange Zeit die größten Schnittmengen“, sagt sie,
etwa in Fragen der Wirtschaftspolitik und bei der Unterstützung für
Startups und junge Unternehmer. Auch 2021 gab sie den Freien Demokraten
ihre Stimme. Doch „dieses Mal werde ich nicht die FDP wählen“,
sagt Goldschmid – „das erste Mal“ in ihrem Leben. Sie schätze zwar den
Liberalismus an sich und halte die FDP für ein sinnvolles Korrektiv in
einer Regierung. Aber schon „das Platzenlassen“ von Jamaika 2017 habe
sie ernüchtert, die D-Day-Affäre 2024 dann endgültig umgestimmt. Sie
fühle sich „eher an eine Ego-Show“ erinnert. Deutschland habe Besseres
verdient, eine „sachorientierte Politik“.
Goldschmid ist eine von
vielen Wählerinnen und Wählern, die der FDP 2021 mit ihrer Stimme ihr
Vertrauen geschenkt haben und der Partei 2025 den Rücken kehren werden –
oder zumindest mit ihr hadern. Die einstigen Zustimmungswerte von 11,5
Prozent für die FDP haben sich gedrittelt. Im Schnitt aller Umfragen
liegt die FDP bei rund vier Prozent. Das geht schon seit drei Monaten
so.
Ausgerechnet in der größten Wirtschaftskrise seit
Jahrzehnten hat die selbst erklärte Wirtschaftspartei FDP den Anschluss
verloren. Nur, wo sind die Ex-Wähler von 2021 hin? Warum werden sie am
23. Februar 2025 möglicherweise anders abstimmen?
The Pioneer hat mit ehemaligen Wählern und Mitgliedern der
FDP gesprochen. Über ihre Motive, dieses Jahr (vielleicht) das Kreuz
woanders zu machen. Und über ihre Ansprüche an eine (echte) liberale
Partei. Herausgekommen ist ein Psychogramm der entäuschten Liberalen.
Die gute Nachricht für die FDP: Noch ist die Bundestagswahl nicht
verloren. Die schlechte: Die Kritik an der Partei ist substantiell.
Ex-Wähler kritisieren Charakter, Personal und Ausrichtung der Freien
Demokraten.
Fünf Gründe, warum viele Wähler, die die FDP 2021 noch
über die 11,5-Prozent gehoben haben, an der FDP von 2025 (ver)zweifeln –
und einer, warum es vielleicht doch noch Hoffnung für die Liberalen
gibt:
#1 Die Wähler vermissen Performance
Drei Jahre Ampel – und am Ende wusste kaum einer, wofür die Liberalen wirklich gearbeitet haben. So sieht es Alexandra Bufe ,
die als freiberufliche Kommunikationsberaterin für CEOs und Top-Manager
auf liberale Unterstützung für ihre Selbstständigkeit gehofft hatte.
Bufe
hat 2021 die FDP gewählt. „Meine Erwartung war damals, dass mir das
Geschäft leichter gemacht wird.“ Weniger Bürokratie, digitale
Behördenprozesse, eine bessere Bildungspolitik. „Aber nach drei Jahren
Regierungsarbeit kann ich keine liberalen Erfolge identifizieren.“
Heute sagt sie: „Dieses Jahr hadere ich damit, der FDP meine Stimme zu geben.“
Mit dem Posten des Finanzministers habe sich Christian Lindner
selbst entzaubert. Lindner habe die Schuldenbremse ins Schaufenster
gestellt. Aber als Minister ohne operative Befugnisse habe er sich
Gestaltungsspielraum geraubt. Es sei „die falsche Strategie gewesen, der
Regierung über das Budget einen liberalen Stempel aufzudrücken“, sagt
Bufe.
Die Freiberuflerin habe sich „mehr liberale Impulse gewünscht“. Nach
dem Schockzustand der Pandemie habe es eine historische Chance gegeben,
einen echt fortschrittsorientierten Weg einzuschlagen. Wirklich
wegweisende Schritte eben: komplett digital, komplett unbürokratisch.
Die FDP habe es versäumt, „ihr Profil als echte Veränderungspartei zu
schärfen“, sagt Bufe.
Marco Buschmann , der als
damaliger Justizminister die Attacke auf die Bürokratie hätte
organisieren sollen, hat zwar das Thema übernommen. Aber er tat es aus
Not, nicht aus Leidenschaft: „weil das Thema kein Anderer im Kabinett
haben wollte“. Buschmanns Worte.
Halbherzig hat er die
Entbürokratisierung umgesetzt. Die Bürokratiekosten sind auch unter ihm
um Milliarden Euro gestiegen. Im Klartext: Der Abbau von Bürokratie ist
gescheitert.
Bufe sagt: „Wenn sich die FDP ehrlich machen würde, müsste sie sich
eingestehen, dass sie es versäumt hat, die Entbürokratisierung wirklich
zu ihrem Thema zu machen.“
Für die FDP ist die Ampel-Bilanz eine schwere Bürde. Uwe Jun ,
Politik-Professor an der Universität Trier, sagt: „Die FDP hat eine
Stammwählerschaft von rund drei Prozent. Viele Gelegenheitswähler wählen
die FDP aus Performance-Gründen. Sie erwarten echte
Umsetzungsergebnisse.“ Die seien jedoch aus ihrer Sicht ausgeblieben.
„Das hat zur Enttäuschung geführt und zur Abwanderung, hauptsächlich
Richtung Union.”
#2 Die Wähler fordern mehr Zukunftsoptimismus Die FDP will Zukunftspartei sein. Aber ausgerechnet bei dieser Selbstzuschreibung kann sie viele Liberale nicht überzeugen. Benedikt Schmal
ist Wissenschaftler an der Technischen Universität Ilmenau. Er forscht
und lehrt über Wirtschaftstheorie und Wettbewerbsökonomik, war sogar
Doktorand bei dem liberalen Ökonomen Justus Haucap – ein waschechter Liberaler also.
Schmal
sagt: „Eigentlich ist die FDP die einzig wählbare Option.“ Aber dieses
Jahr tue er sich mit seinem Kreuz für die Liberalen schwer. Vielleicht
werde er die Partei mit Nichtwählen bestrafen.
Was ihn stört: die
eigenartige Rückwärtsgewandtheit, der fehlende Optimismus. „Die FDP
braucht wieder ein positives Fortschrittsnarrativ.“
Die
Enttäuschung beginne im Kleinen: etwa bei der im Sommer 2024 vom
Bundesvorstand vorgeschlagenen Flatrate fürs Parken in Innenstädten. Das
sei, so Schmal, „ökonomischer Unsinn“. In Großstädten nehme das Auto
„überproportional viel Platz ein“.
Schmals Ärger setzt sich bei
mittelgroßen Themen fort: etwa der Elektromobilität. Die von den
Parteiführenden notorisch betonte „Technologieoffenheit" wirke auf
Schmal „wie eine plumpe und pauschale Abwehrschlacht gegen das
Verbrennerverbot, ohne bessere Ideen für die Mobilität der Zukunft
präsentieren zu müssen“. Er vermisse liberale Visionen, wie sich der
Verkehr für alle zum Guten verändern könne.
Und es ende bei
Großthemen: Die Schuldenbremse sei zwar richtig, sagt Schmal. Aber in
der Art, wie die FDP-Führung das Thema verkaufe, wirke die Kommunikation
immer wie „gegen etwas zu sein“. Die FDP vermittle gute Ansätze wie
eine Bremser-Partei. Dabei geht es bei der Schuldenbremse um nichts
weniger als „die Handlungsfähigkeit der nächsten Generation“, um „die
Freiheit von morgen“.
Schmal sagt: Im Liberalismus liege eine
„zukunftsbejahende Grundhaltung, ein Bekenntnis für ein besseres Leben
in der Zukunft“. Stattdessen wirke die Politik der FDP unter Parteichef
Lindner und Fraktionschef Christian Dürr „verbissen und verbittert“.
#3 Den Wählern fehlt Charakterstärke Schmal
hält daher eine Personaldebatte für unabdingbar. Er schätze, dass
Lindner die FDP 2017 zurück in den Bundestag geführt habe. Dafür sei er
ihm dankbar, denn „eine liberale Partei ist wichtig für die Demokratie“.
Aber: „Die Figur Christian Lindner ist auserzählt.“
Wissenschaftler
Schmal fordert „einen Wechsel an der Spitze der Partei“. Die FDP
brauche „frische personelle Impulse“ und „keine One-man-show mehr“.
Genau so sagen es auch Beraterin Bufe und Unternehmerin Goldschmid.
Christian Lindner
wird in den zahlreichen Gesprächen mit Ex-Wählern häufig als persona
non grata bezeichnet. Als Parteichef, der „das Vertrauen verspielt hat“,
sagt einer, der nicht genannt werden möchte. Als Führungsfigur, „dessen
rhetorisches Talent aufgebraucht ist“, eine andere. Als Ober-Liberaler,
dessen Ära nach seinem großen Verdienst, die Partei nach der
historischen Wahlniederlage 2017 wiederaufgebaut hat, „abgelaufen ist“,
ein Dritter.
Ein Machtkampf innerhalb der FDP könnte der
Partei gut tun. Allerdings scheint diese Chance vertan. Die
Bundestagswahl findet in drei Wochen statt.
Ohnehin bieten sich
nur wenige Liberale an, die dem Parteichef ernsthaft Paroli bieten. Es
gibt Abgeordnete aus der zweiten Reihe: Der Niedersachse Konstantin Kuhle etwa, innenpolitischer Sprecher der FDP. Oder der Nordrhein-Westfale Johannes Vogel , Erster Parlamentarischer Geschäftsführer. Oder die Kielerin und Fraktionsvize Gyde Jensen .
Eine Führunskraft aus der FDP sagte unlängst aber auch: „Die sind
gut. Aber ihnen fehlt der Mut zur Debatte mit offenem Visier.“ In diesem
Zusammenhang fiel gar das Wort „feige“. Ein Beispiel: Statt sich in der
Debatte um MIgration im Bundestag gegen die Anträge der CDU zu stellen,
ist Kuhle der Abstimmung einfach fern geblieben.
Vielen
Liberalen fehle in der Partei daher die nach außen getragene
Meinungsvielfalt. Lindner dürfe Dirigent sein, aber nicht der
Alleinbestimmer. Der Mitarbeiter eines FDP-Abgeordneten im Bundestag
sagt: „Eine Partei, die dezentrale Strukturen bei der Organisation des
Staates fordert, wirkt unglaubwürdig, wenn im Berliner Genscher-Haus
alles, aber auch wirklich alles, auf Christian Lindner zugeschnitten
ist.“
#4 Die Wähler wollen mehr Antworten Eine
Partei wird für Kernthemen gewählt, aber nicht nur. Mindestens so
wichtig sind die Ausfransungen einer politischen Bewegung, um sie für
weitere Gruppen wählbar zu machen. Die CDU etwa organisiert sich auch an
den Rändern: über die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) für
Unternehmer oder über die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft
Deutschlands (CDA) für Sozialpolitiker.
Das gilt auch für kleinere Parteien. Doch die Ränder der FDP wirken wie weggeschabt.
Nicolas Brendel
ist so ein Hardcore-Liberaler, der sich von der FDP nicht mehr
angesprochen fühlt. Er war bei der Landtagswahl in Sachsen 2024
Direktkandidat in Leipzig. Er bezeichnet sich als „Unternehmer aus
Leidenschaft und Risikoträger aus Überzeugung“. Er habe, so sagt er
stolz, „das zweitbeste Ergebnis der Direktkandidaten in Sachsen
eingefahren“.
Inzwischen ist er aus der Partei ausgetreten. Er
habe gespürt, dass die Person Lindner beim Wahlvolk keine guten Gefühle
auslöse. Lindner sei kein Sympathieträger. Damit hätte er leben können,
schließlich müsse die FDP keine Massen überzeugen. Vielleicht sieben,
acht oder neun Prozent der Wähler.
Was Brendel ärgert: Unter
Lindner sei die FDP „zu viel Mainstream, zu wenig Liberalismus pur“
gewesen. Brendel, der vor zwei Jahren das Cloud-Start-up Honeysuckle
gegründet hat, habe sich schlicht „mehr Mut und radikale
Lösungsumsetzung gewünscht“. Die Worte des Parteichefs, mehr Musk und
Milei zu wagen, habe er „für das Thema des radikalen Bürokratieabbaus
sofort unterschreiben können“.
Aber aus dem Munde von Lindner
habe das „unglaubwürdig gewirkt, da Lindner selbst als Teil der
Ampel-Regierung keine radikalen Lösungen unterstützt hat“. Brendel sagt:
„Was schade ist, ist dass Musk die populistische AfD unterstützt. Dabei
wäre wirtschaftspolitisch die FDP viel näher an seinen Themen, wie
Bürokratieabbau, dran.“
So wie Brendel geht es auch Christian Beckmann – allerdings am anderen Ende des liberalen Spektrums.
Beckmann
ist Staatsrechts-Professor an der Hochschule für Polizei und
öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen. Er lehrt dem
Polizei-Nachwuchs die Befugnisse und Grenzen etwa bei
Personenkontrollen.
Für ihn privat habe sich die Lindner-FDP zu
einer „rein wirtschaftsliberalen Partei verzwergt“. Der Fokus auf die
Wirtschaftspolitik sei „als Konzept für eine Partei, die den
Liberalismus in allen Grundformen vertritt, zu wenig“, sagt Beckmann.
„Die wenigen zarten Versuche des Christian Lindner, sich dem
Gesamtliberalismus zu nähern, wirken unbeholfen.“ Wie Brendel nennt auch
Beckmann die Namen Musk und Milei – allerdings als Negativbeispiel.
„Musk und Milei sind keine Vorbilder in Sachen Rechtsstaatlichkeit."
„Mir fehlt eine Bewegung, die den echten und rechtsstaatlichen Liberalismus abbildet“, sagt Beckmann. Er vermisse Leute wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger oder Gerhart Baum . Innenpolitiker Kuhle sei gut, aber er dringe nicht durch.
„Gerade in einer Zeit, wo wir uns in die rechte Richtung drehen,
hätte ich mir gewünscht, dass ein Liberaler die Finger in die Wunde
legt“, sagt Beckmann. Das heißt: „Bei aller Notwendigkeit für mehr
Sicherheit im Land sind die Grundrechte dringend zu beachten. Das lehre
ich jeden Tag. Bei der FDP ist das nicht mehr gut abgebildet. Ich
vermisse die freiheitlichen Strömungen.“
Politologe Jun sagt: „Die
FDP bekommt Wahlunterstützung hauptsächlich von leitenden Angestellten,
Selbstständigen und Freiberuflern.“ Sie habe seit Guido Westerwelle den
Kern auf Wirtschafts- und Finanzpolitik gelegt und andere Themen
oftmals vernachlässigt. „Die FDP hat im wesentlichen inhaltlich einen
Schwerpunkt, nämlich Wirtschaft und Finanzen. Eine nachhaltige
Kompetenzerweiterung auf andere Politikfelder lässt sich kaum
beobachten.“
Auch deshalb hätten sich viele Wähler zur Union oder der AfD hin bewegt. Ein Beispiel: Ein Großspender der AfD, der Unternehmer Winfried Stöcker , hat früher die Schatulle für die FDP geöffnet.
#5 Die Wähler sind intolerant gegenüber Kompromissen Liberale
fordern einen schlanken Staat, Libertäre dessen Verzwergung oder gar
Abschaffung. Insofern ist schon die Beteiligung einer liberalen Partei
für viele Liberale und besonders für Libertäre an einer Regierung ein
Widerspruch in sich - denn meistens schrumpft der Staat nach der
liberalen Regierungsbeteiligung nicht, nicht einmal bei Ronald Reagan und Margaret Thatcher .
„Aus diesem Grund fühlen sich viele Wähler der FDP in einer Koalition unwohl“, sagt Stefan Kolev , Ökonom und Leiter des Ludwig-Erhard-Forums für Wirtschaft und Gesellschaft .
„Sehr viele Wähler der FDP haben Schwierigkeiten damit, Kompromisse zu
machen weil jeder Kompromiss als wahrscheinlich faul eingestuft wird.“
Diese Wähler lehnen staatliche Bevormundung ab – und würden sich dann
erst recht schwer damit tun, wenn die FDP Teil der Regierungsmaschine
und der damit verbundenen Kompromissfindung sei.
Für
Staatsrechtler Beckmann gilt ähnliches. 2021 habe die FDP einen „agilen
Staat“ versprochen, um dann später im Kabinett 40.000 neuen
Verwaltungsstellen zuzustimmen. Beckmann hadert nun mit dem Kreuz bei
der FDP. Er sagt: „Ich tendiere dazu, der FDP die Opposition zu
wünschen. Die FDP kann als bürgerrechtliche Stimme dort viel mehr
erreichen.“ Seine Hoffnung: „dass die Liberalen dann 2029 mit einem viel
stärkeren Profil und einem viel stärkeren Ergebnis in den Bundestag
einziehen werden“. Ohne Lindner.
Für Ökonom Kolev kommt hinzu:
„Liberale bewerten die Politik oft nach dem, was sie in den Büchern der
liberalen Klassiker gelesen haben.” Soll heißen: Der Liberalismus sei
eine kritische Theorie, die kritische Fragen an die Rolle des Staates
stelle. Der Staat sei für sie mal „der Leviathan“, mal der „schlechtere
Unternehmer“, aber immer „der mangelbehaftete Kontrapunkt zum privaten
Markt“.
Allein deshalb fremdeln viele Wähler mit der Idee, dass
die Partei Teil einer Regierung sei, insbesondere Teil einer grün-roten
Regierung. Das Problem hierbei ist, dass wenn man die politische
Realität mit dem Maßstab der Theorie oder gar der Utopie liberaler
Denker bewertet, die Realität notwendigerweise schlecht abschneiden muss
– „was aber die Enttäuschung beim liberalen Wähler automatisch
vorprogrammiert“, so Kolev.
Der verstorbene Ordo-Ökonom Hans Willgerodt
schrieb dazu: Es bleibe aber „nichts anderes übrig, als dass sich
Liberale aller Parteien um den jetzigen Staat kümmern, anstatt ihnen den
Illiberalen zu überlassen”.
# Die Hoffnung: Viele hadern auch deshalb mit der FDP, weil sie nicht wissen, ob ihre Stimme dann überhaupt noch gehört wird. Bruno Ginnuth hat das Start-up Clevershuttle
gegründet. Er hat alle Höhen und Tiefen eines Unternehmers erlebt:
Aufbruch, Einbruch, Rückkehr. Vom einst gehypten Transportunternehmen,
das Großstädter per Bestellbutton auf der App zum Ziel bringt, ist heute
das Nachfolgeunternehmen Cleversolution übrig geblieben – ein
Mobilitätspartner für Kommunen. Diesen Monat startet Ginnuth den Rufbus
Callheinz im Landkreis Rhön-Grabfeld.
Ginnuth ist überzeugter
Liberaler – und ein Wackelkandidat. Er werde die FDP wahrscheinlich
wählen, „weil sie unter den Parteien das einzige echte
Wirtschaftsprogramm haben“. Aber, so Ginnuth: „Ich selbst fühle mich
nicht gut dabei.“ Der schlechte Stil in der Ampel, die fehlende
Integrität des Führungspersonals, das habe ihn gewurmt. Er wähle „das
kleinste Übel“.
Und dann sei da auch die Fünf-Prozent-Hürde – und
die Frage: Schafft die FDP nur die 4,9 Prozent, wären Hunderttausende
Stimmen perdu. Also doch lieber eine andere Partei wählen – etwa CDU
oder CSU? Für Ginnuth durchaus eine Option.
Drei Wochen vor der
Wahl gibt es einen Hoffnungsschimmer. Der Marktforscher Insa hat die FDP
zuletzt bei fünf Prozent gesehen – ein Umschwung ist das aber noch
lange nicht.
Fazit : Nicht der Liberalismus steckt in der
Krise, sondern die Partei, die sich die Philosophie zu eigen macht. Die
Ursachen dafür sind vielfältig – und größtenteils behebbar. Aber noch
rechtzeitig?
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