Dass spätestens seit dem Fall Stefan Niehoff und dem „Schwachkopf“-Meme
die Hausdurchsuchungen ein umstrittenes Thema sind, ist für die
Journalisten eher zweitrangig. Man begleitet die niedersächsische
Polizei, die um 6 Uhr morgens ein kriminelles Subjekt aus dem Schlaf
klingelt, weil dieses einen rassistischen Cartoon verbreitet hat. Sechs
bewaffnete Beamte durchsuchen die Wohnung. Sein Handy und sein Laptop
werden beschlagnahmt. Während mittlerweile wöchentliche Attentate
Deutschland erschüttern, funktioniert wenigstens hier alles wie am
Schnürchen.
Und dann die Nachricht, diesmal mit Bildern aus einem anderen Teil des Landes: zur selben Zeit finden in Deutschland 50 Hausdurchsuchungen auf ähnliche Weise statt. Es handele sich um eine „koordinierte Aktion“ um „Hate Speech“ im Internet einzudämmen.
Fasziniert davon stellt die 60-Minutes-Reporterin drei Mitarbeitern
der Staatsanwaltschaft Fragen zum real-existierenden deutschen
Hate-Speech-Verfolgerstaat. Etwa, was denn die erste Reaktion derjenigen
sei, die man morgens aus dem Bett klingelt. Höhnisch meint einer: „Das
wird man doch wohl mal sagen dürfen!“ Aber nein. Nicht in Deutschland.
Die Leute seien überrascht, dass es illegal sei, so etwas im Internet zu
posten. Sie glaubten, sie hätten Meinungsfreiheit. Aber
Meinungsfreiheit hat auch seine Grenzen.
Es könnte sich um einen neuen Gag von Mitchell und Webb handeln. Aber es
folgen keine Lacher, und niemand scheint zu begreifen, was da vor sich
geht. Doch es geht weiter. Beleidigungen im Internet seien
schwerwiegender als im Alltag. Weil die Worte bestehen bleiben. Später
schlägt einer der drei das Kostenregister auf. Es geht um vierstellige
Beträge. Der Mitarbeiter spaßt: Das kommt teurer als Falschparken. In
einigen Fällen drohten Haftstrafen. Hinter dem treuen Staatshelfer und
der ausländischen Bewunderin ragen Regale mit roten Aktenordnern hervor,
in denen die Beweise gesammelt sind.
Auf X, wo die Videos viral gehen, sieht sich das US-Publikum mindestens überrascht, wenn nicht schockiert. Da ist es wieder, das Klischee des „Guten Deutschen“. Man handelt nach Vorschrift. Erst am Freitag hatte US-Vizepräsident J. D. Vance die Verfolgung der Meinungsfreiheit in Europa gegeißelt und in München dazu aufgefordert, sich nicht von den Werten zu entfernen, die das transatlantische Bündnis ausmachten. Es gab Hohn, Empörung, Wut.
Viele US-Amerikaner, die nicht wussten, was Vance tatsächlich meinte, sehen es nun mit eigenen Augen. Nicht, weil sie die Sendung selbst gesehen hätten, sondern weil die Ausschnitte in den sozialen Medien geteilt werden – und damit auch zum deutschen Publikum zurückschwappen. Sie sind willkommene Splitter im Ringen um die Realität. Denn insbesondere aus den Reihen von SPD und Grünen wurde immer wieder behauptet, dass Vance sich seine eigene Welt gebaut habe. Doch die Bilder, die Fakten – sie geben ihm, nicht den hiesigen Politikern Recht.
Mehrere große US-Accounts aus der X-Szene greifen das Thema auf.
Darunter auch Elon Musk. Doch auch die deutschen Meinungsvervielfältiger
sind, obwohl sie die Fakten kennen, überrascht. Kichernde
Staatsanwälte. Offene Einschüchterung. Zerstörte Leben, über die man
süffisant hinweg geht. Die ganze Welt weiß nun von der deutschen
Repression. Aber es fehlt die deutsche Hannah Arendt.
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