haben wir keine anderen Wahlkampf-Themen mehr als Migration? Doch. Sogar noch wichtigere. Darüber will nur kaum jemand reden. Sollen wir’s trotzdem mal versuchen? Ich warne Sie aber: Ein paar Schnappatmungs-Momente kann ich Ihnen womöglich nicht ersparen.
Natürlich braucht es ein Sofortprogramm für die rezessionsgeplagte Wirtschaft. Ohne wettbewerbsfähige Wirtschaft keine Steuern, mit denen der Staat seine Rechnungen und Großprojekte überhaupt erst bezahlen kann. Klimawende? Auch wichtig. Aber dringend brauchen wir weniger Bürokratie, günstige Energie und Geld für Infrastruktur und Verteidigung. Abermilliarden. Jährlich.
Und weil das Mehr-Generationen-Projekte sind, müssen neue Sondervermögen her – nur bitte nicht noch mehr Geld fürs Soziale ausgeben, das schon jetzt jährlich rund 180 Milliarden Euro frisst. Das ist über ein Drittel des Bundeshaushalts. Und da soll nichts gespart werden können für echte Investitionen wie Hightech-Förderung, Verkehrswege, digitale Infrastruktur, aber auch Panzer, Drohnen, Cyberabwehr? Glaub ich nicht.
Dazu braucht es indes Politiker, die uns mal die Wahrheit sagen. Und Bürger, die diese Wahrheit aushalten und mitgestalten. Vier-Tage-Woche? Wirklich die falsche Debatte.Die Renten sind eben nicht sicher. Bis 2036 verabschieden sich 16,5 Millionen Boomer. Entweder kriegen die künftig weniger Geld, oder ihre Lebensarbeitszeit muss verlängert werden. Es! Geht! Ni cht! Anders! Sage ich als Boomer. Und die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer sagt: „Wir brauchen dringend eine umfassende Rentenreform.“
Wir werden immer
älter. Unsere Gesundheit wird immer teurer. Und wir werden immer
weniger. Drei Dinge braucht ein ressourcenarmes Land wie wir deshalb:
Bildung, Bildung, Bildung. Leider sind selbst grundlegende Kenntnisse in
Mathe, Naturwissenschaften und Lesekompetenz bei uns nicht mehr
garantiert. Der letzte Pisa-Leistungsvergleich lieferte 2022 die
miesesten jemals für Deutschland gemessenen Werte, womit wir doch noch
zur Migration kommen.
Die Zahl derer, die nicht mal mehr die
Hauptschule beenden, ist unter den Jugendlichen ohne deutschen Pass
fünfmal höher. Über ein Drittel der Menschen mit Migrationshintergrund
hat keinen Berufsabschluss. Kein Wunder also, dass trotz
Fachkräftemangels die Arbeitslosigkeit wieder wächst: auf aktuell drei
Millionen (6 Prozent). Die Gründe sind vielfältig, die Ausreden, dass
man da so wenig ändern kann, aber auch.
Leisten können wir’s uns
jedenfalls nicht. Die Frage, wofür 45 Milliarden Euro Bürgergeld
jährlich ausgegeben werden, lass ich hier mal ganz beiseite. Aber wir
sollten endlich echte Hilfen für echte Fachkräfte aus aller Welt
installieren. Und uns zugleich nicht scheuen, auch das Asylrecht auf
seine Gegenwarts-Tauglichkeit zu checken.
Und wenn Sie mir bis
hierher gefolgt sind, sei noch erwähnt: All die notwendigen Reformen und
Umbauten müssen nach der Wahl schnell und gleichzeitig angegangen
werden. Mit einer Kraftanstrengung der gesamten Gesellschaft. Für
weniger als eine echte Revolution haben wir gar keine Zeit mehr. Erst
recht nicht für neue Koalitionskräche.
Was das Land viel mehr bräuchte, sind noch drei Faktoren: mehr Ehrlichkeit, mehr Gemeinsinn, mehr Wille.
Klingt
verrückt? Ich habe Sie ja gewarnt: Es könnte schmerzhaft werden. Aber
auch wieder schön. Was meinen Sie? Schreiben Sie mir: feedback@focus-magazin.de
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