18 September 2022

Häme wegen Tagesschau-Falschmeldung - Autonomes Fernsehen (Cicero)

Häme wegen Tagesschau-Falschmeldung -  
Autonomes Fernsehen (Cicero)
Bei der ARD fällt die Afrika-Korrespondentin auf einen angeblichen Erfinder herein und rühmt dessen Entwicklung großspurig als mögliche Lösung der Energiekrise. Eigentlich eine groteske Randnotiz, doch die Wogen schlagen hoch. Denn tatsächlich tragen solche Episoden zur selbstgemachten Delegitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei. Die Story passte jedenfalls ins journalistische Gesamtkonzept.
VON ALEXANDER MARGUIER am 18. September 2022
Der Aufreger vom Wochenende war also, zumindest den sogenannten sozialen Medien nach zu urteilen, jener genialische Tüftler aus Simbabwe, der den „autonomen Fernseher“ erfunden hat: Maxwell Chikumbutso, laut Selbstauskunft „Inventor, Founder and CTO of Saith Holding“ – und schon früher mit einigen bahnbrechenden Innovationen in Erscheinung getreten.
Eine ARD-Korrespondentin für das südliche Afrika bejubelte Chikumbutso soeben in einem Hörfunkbeitrag, der auch auf dem Newsportal der Tagesschau erschien, als einen Mann, dem womöglich im Alleingang die Lösung der Energiekrise gelungen sei, indem er einen „über Funkwellen betriebenen Fernseher entwickelt“ habe, „der auch als Generator“ funktioniert: „Kein Kabel, keine extra Strahlung, keine Emissionen, kein Rohstoffverbrauch.“ Bebildert ist die Räuberpistole mit dem Foto eines Afrikaners, der in gestreifter Jogginghose auf einem Bürostuhl sitzt und stolz auf das vor ihm stehende Samsung-Gerät zeigt, dass dank Chikumbutsos Umrüstung auch ohne sichtbares Kabel zu funktionieren scheint.
Man muss weder Elektrotechnik studiert haben noch Investigativ-Journalist sein, um sich angesichts solcher schrägen Storys die Frage zu stellen, ob das alles wirklich stimmen kann. Denn natürlich war die Geschichte eine Ente, und der Düsentrieb aus Simbabwe erwies sich schnell als notorischer Hochstapler, der zuvor bereits andere angebliche Großleistungen der Technik (autonome E-Autos etc.) in die Welt gesetzt hatte. Aber es war eben weder der 1. April, noch erschien der Beitrag auf einer Satire-Webseite. Sondern im öffentlich-rechtlichen Informationssystem, das seine Gebührenfinanzierung nicht zuletzt damit rechtfertigt, in einer Demokratie systemrelevant zu sein. Spott, Häme und (teilweise künstliche) Empörung reißen seither nicht ab – zumal der Beitrag, in dem es über Chikumbutsos Entwicklung hieß, diese sei in den USA von Forschern überprüft und bestätigt worden, später auf der Tagesschau-Homepage kommentarlos gelöscht wurde.

Doppelt problematisch

Nun dürfte es in der Medienbranche kaum einen Kollegen geben, dem nicht schon Pannen unterlaufen sind und der nicht irgendwann einmal aus Schludrigkeit oder wegen Zeitmangels halbgare Informationen verbreitet hat. Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein! Das Chikumbutso-Märchen ist jedoch – vom mangelnden Wahrheitsgehalt abgesehen – in doppelter Hinsicht problematisch: Es fällt erstens in eine Zeit, in der der öffentlich-rechtliche Rundfunk wegen diverser Verschwendungs-Affären und wegen politischer Einflussnahme auf Programminhalte unter besonderer Beobachtung steht. Und zweitens fügt sich die Story ein in eine Art „antikoloniales Framing“, wonach der globale Süden strukturell vom „Westen“ kleingehalten wird und deswegen nicht herausfindet aus seinen vielen Problemen. Auch Chikumbuktos energetischer Wunder-Fernseher scheiterte ja angeblich an der Ignoranz westlicher Konzerne, die diese Erfindung einfach nicht ernst nehmen und in Großserie produzieren wollten.

Insofern ist der Fake-Beitrag der ARD tatsächlich ein Politikum – und nicht ohne Grund gefundenes Fressen für alle, die den gebührenfinanzierten Rundfunk am liebsten gleich ganz abschaffen möchten. Es sind eben nicht nur Großbaustellen wie der offenbar byzantinische RBB mit seinen Fantasiegehältern für die sendereigene Oberschicht in Verwaltung und Programm, die zur Delegitimation der Öffentlich-Rechtlichen beitragen. Sondern die kleinen, immerwährenden Dosen, mit denen die Zuhörerinnen und Zuschauer in eine bestimmte Richtung gelenkt werden sollen. Das beginnt bei Kommentatoren, die dem Publikum ihre grüne Agenda schmackhaft machen wollen, ohne die eigene Parteimitgliedschaft offenzulegen, setzt sich fort über eine teils bizarre Schwerpunktsetzung bei der Nachrichtenauswahl – und endet noch lange nicht bei der Zwangsbeglückung der Bürger*Innen mit einer vermeintlich gendergerechten Sprache, deren eigentliches Ziel keineswegs die Geschlechtergerechtigkeit ist, sondern eine identitätspolitische Hegemonie.

Kein Witz

Der Fall Chikumbutso könnte eine komische Randnotiz bleiben, wenn die Gesamtleistung von ARD (und ZDF) in angemessenem Verhältnis zum finanziellen Aufwand stünde und man nicht permanent von schulmeisterlichen Haltungsjournalisten direkt oder indirekt belehrt und teilweise auch indoktriniert würde. Dass die Öffentlich-Rechtlichen zudem immer mehr als regierungstreues Staatsfernsehen wahrgenommen werden, liegt nicht an wutbürgerlichen Fundamentalkritikern auf Facebook oder Twitter, sondern ist eine direkte Folge journalistischen Versagens in einem parteipolitisch vermachteten und entsprechend korrumpierten System. 

Ja, es braucht durchaus so etwas wie einen öffentlichen Rundfunk, der nicht ausschließlich den Gesetzen des Marktes unterworfen ist. Mit Chikumbutso-Berichterstattung schaufeln sich die Anstalten allerdings ihr eigenes Grab. Der „autonome Fernseher“ des angeblichen Erfinders aus Simbabwe könnte vor diesem Hintergrund eine ganz neue Bedeutung erfahren: als ein Medium nämlich, dass tatsächlich unabhängig ist von den ideologischen Interessen politischer pressure groups. Oder um in leicht abgewandelter Form die Worte der ARD-Afrikakorrespondentin zu paraphrasieren: „Klingt wie ein Teil der Lösung der #ÖRR-Krise.“

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