Von Marcel Reich, Redaktionsleitung, 07.09.2022,
Es gibt wohl niemanden, der derzeit mit Robert Habeck (Grüne) tauschen möchte. Angetreten war er mit hohen Ambitionen, eine zukunftsfähige, klimafreundliche Wirtschaftspolitik im Land zu gestalten und sicher auch für sich persönlich einige Pluspunkte für die Zukunft zu sichern. Nun muss er die größte Energiekrise seit dem Zweiten Weltkrieg bewältigen und ausbaden, was Generationen von Politikern vor ihm verdorben haben.
Dennoch, nun ist er Minister und mit der Aufgabe betraut, die deutsche Wirtschaft am Leben zu halten. In dieser Rolle saß er am Dienstagabend in der Sendung von Sandra Maischberger in der ARD. Habeck dürfte geahnt haben, dass es kein Auftritt wird, für den er am Ende Vergnügungssteuer abführen muss. Wie sehr er dann aber zu kämpfen hatte, das hat er wohl nicht vorausgesehen.
Habeck erklärt das mit dem Rückgang des Verbrauchs, was auch
am milden Sommer lag. Aber eben auch damit, dass Unternehmen ihre
Produktion bereits gedrosselt haben. „Es wird ein harter Winter, es wird
ohne Frage politisch anspruchsvoll werden. Es wird Zumutungen geben,
mindestens preisliche für die deutsche Bevölkerung“, sagt Habeck. Wenn
der Verbrauch insgesamt aber 20 Prozent unter den sonstigen Durchschnitt
fällt, „haben wir eine Chance mit den zusätzlichen Kapazitäten. Wenn
wir diesen Winter überstehen, wird es danach leichter werden“.
Maischberger ist nicht zimperlich mit Habeck
Sandra
Maischberger ist nicht zimperlich an diesem Abend mit dem
Grünen-Politiker. Sie beendet diesen Teil des Gesprächs, der der letzte
wirklich angenehme für Habeck bleiben sollte, mit einem ersten verbalen
Kinnhaken. „Tipps für Waschlappen, wie lange wir duschen sollen:
Verstehen Sie, dass sich die Leute über diese Art der Bevormundung
ärgern?“, trägt sie ihm die höchstens gut gemeinten Vorschläge der
Politik der vergangenen Woche vor, mit denen die Bevölkerung zum Sparen
ermuntert werden sollte.
Habeck erklärt, dass fossile Kraftwerke
wieder stärker eingebunden werden, aus verschiedenen Gründen nicht auf
Vollast. „Wir mussten innerhalb von Monaten das reparieren, was davor
als große Abhängigkeit politisch gewollt aufgebaut wurde“, sagt er. „Das
ist keine Bevormundung, es gibt Sparhinweise, die leuchten die blinden
Flecke aus, die wir im Alltag haben.“ Das sei keine „Du, du,
du‘“-Kampagne, ganz im Gegenteil: „Ich habe das Gefühl, dass die
Mehrheit der Deutschen das will. Das gemeinsame Gefühl, wir können uns
ein bisschen einschränken und leisten unseren kleinen Beitrag.“
Nun
steuert Maischberger auf das Thema der vergangenen Tage zu, die beiden
Atomkraftwerke, die ab kommenden Jahr doch im Reservebetrieb belassen
werden sollen. Habeck sagt, es sei gut abgewogen worden, bevor diese
Entscheidung getroffen wurde. Atomkraft sei eine
„Hochrisikotechnologie“. Dann wird er angriffslustig: „Die
Leichtfertigkeit oder auch die Wankelmütigkeit, die bei einigen bei der
Haltung zur Atomkraft zu beobachten ist, finde ich irritierend.“
Maischberger will wissen, wen er damit meint.
Schnell ist klar:
Markus Söder. Maischberger bringt mit Christian Lindner (FDP) einen
Koalitionspartner Habecks ein, der mit der Atomkraftpolitik des
Wirtschaftsministers überhaupt nicht einverstanden ist. „In diesen
Zeiten sollten alle Möglichkeiten genutzt werden, den Strompreis für die
Menschen und die Betriebe zu reduzieren“, sagte Lindner am Montag der
„Süddeutschen Zeitung“. „Das ist aus meiner Sicht ein
wirtschaftspolitischer Stresstest, der neben dem energiepolitischen
Stresstest auch eine Rolle spielen muss.“ Es spreche allerdings auch
„viel dafür, dass zur Netzstabilität die drei Atomkraftwerke
weiterbetrieben werden sollten“.
Die Frage nach Lindner will Habeck abbügeln
Habeck
hält dagegen, dass die Strompreise trotz der noch laufenden AKWs
gestiegen seien in diesem Jahr. Maischbergers Nachfrage, wie er sich mit
Lindner, der eine Verlängerung der AKWs bis mindestens 2024 fordert,
einigen möchte, will Habeck etwas grob abbügeln: „Ich als Minister bin
verantwortlich für die Energiesicherheit in Deutschland.“ Punkt. Auf
Maischbergers Nachfrage, dass Lindner dann ja nicht viel zu gewinnen
hätte, sagt Habeck, dass es in diesem Jahr vor allem „Geschlossenheit“
im Land zu gewinnen gäbe, mit „klugen Entscheidungen“.
Immer
wieder erntet Habeck von Maischberger Blicke, die auch den
selbstbewusstesten Politiker verunsichert würden. Vor allem jetzt, wo
sich der Minister bereits in so manche Phrase retten muss, um überhaupt
noch etwas antworten zu können.
Doch es wird nicht besser.
Maischberger liest ein Zitat von Marc Tenbieg vom Deutschen
Mittelstands-Bund vor: „Mit der Mehrwertsteuersenkung auf Gas oder der
bislang kaum konkretisierten Strompreisbremse werden vorrangig
Privatverbraucher entlastet. (…) Ein energieintensiver Bäckereibetrieb
zum Beispiel bleibt von den Entlassungsmaßnahmen nahezu komplett auf der
Strecke.“
Maischberger will wissen: „Lassen Sie den Mittelstand in
Stich?“ „Energiepreisdämpfungsprogramme“ sollen ja auch für den
Mittelstand geöffnet werden, sagt Habeck. Das müsste noch genau
ausgearbeitet werden. Betriebe, wie Bäckereien hätten nun hohe
Energiekosten, aber auch der Weizenpreis sei enorm gestiegen. Die
aktuelle Situation sei der Tropfen, der das Fass in vielen Branchen zum
Überlaufen bringe. Es müsste geschaut werden, wer wirklich Hilfe
braucht. „Wenn man nur über die Energieanteile am Umsatz geht, erwischt
man diese Branchen gar nicht, weil andere Kosten sehr viel höher sind.“
Deshalb dürfe die Regierung kein Programm machen, „wo wir denken, wir
hätten es eigentlich gut gemacht, erwischen aber die eigentlich
Betroffenen nicht“.
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