Wenn
die Politik ein Western wäre, zum Beispiel „Winnetou und Old
Shatterhand“ - nein, Spaß: Sagen wir „The Good, the Bad, and the Ugly“,
das Casting könnten wir uns schenken. The Good wäre natürlich Robert
Habeck, the Bad Christian Lindner. And the Ugly? Mein Gott, suchen Sie
sich wen aus.
So ist das nämlich mit der öffentlichen Meinung,
vor allem in den Filterblasen von Twitter und Konsorten, wo eine laute
Minderheit der schweigenden Mehrheit schon Bescheid sagt, wo sie
langzugehen und wen sie gut zu finden hat. Da ist auf der einen Seite
der coole Grüne von der Küste, der in Interviews „Alter“ sagen darf und
dafür als eine Art Godfather eines völlig neuen Politikstils gefeiert
wird. Und auf der anderen Seite Christian Lindner.
Auch Lindner,
und das sage ich in aller Deutlichkeit, macht Fehler. Zum Beispiel, dass
er „seine Franca“ in diesem windschiefen Sylt geheiratet hat statt da,
wo‘s schön ist. Also wo die Sonne scheint. Toskana zum Beispiel.
Auch
seine „Gratismentalität“ in Bezug auf das 9-Euro-Ticket war, obgleich
in der Sache richtig, unglücklich in der Wortwahl. Im Bundestag macht
der Chef-Liberale aber nicht erst seit ersten sichtbaren Erfolgen der
Christian-Lindner-Diät eine gute Figur.
Lindner seit 2013 FDP-Chef
Ob
er trotzdem an manchen Tagen traurig ist, weil ihm die Herzen nicht so
zufliegen wie seinem grünen Kabinettskollegen? Ob er manchmal auf dem
Handy nachguckt, wie auf Twitter über ihn hergezogen wird? Weil angenehm
ist das bestimmt nicht: Immer der Steuern-Mann zu sein. Immer der
Porsche-Fahrer. Immer der FDPler.
Lindner ist, obgleich erst 43,
nächstes Jahr schon zehn Jahre Parteichef und seit dem 8. Dezember 2021
als Bundesfinanzminister aktiv. Seinen liberalen Laden hat er im Griff.
Mit Ausnahme vielleicht von Wolfgang „gebt die zweite Röhre frei“
Kubicki.
Grüne haben Habeck gut im Griff
Bei Habeck ist es
umgekehrt. Ihn scheint seine Partei ganz gut im Griff zu haben. Wie
anders sollte man sonst erklären, wieso der Doppelminister (Wirtschaft
und Klima) so vehement den von Angela Merkel (CDU) beschlossenen
Atomkraft-Ausstieg durchzieht? Und das trotz Energie-Krise und obwohl
gerade große Mengen Gas, das ja per Verordnung eingespart werden soll,
verstromt werden? Obwohl die Strom-Preise schon jetzt im Großhandel und
bald auch bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern explodieren? Obwohl
sogar Belgien seinen Ausstieg um zehn Jahre nach hinten verschoben hat
und ausgerechnet Japan – Sie wissen schon, das Land mit der Katastrophe –
neue Reaktoren plant?
Weder
sein Kotau in Katar noch die Hauruck-Aktion zu Beginn des Jahres für
energieeffiziente Hausbauer und Hausbäuerinnen schadete Habecks Image
vom einfühlsamen Macher, der im Twitter-Video über seine Gefühle
spricht. Erst seit seiner vermurksten Gas-Umlage regt sich kollektives
Ungemach. Zum einen, weil auch Unternehmen von der Umlage profitierten,
die im Gegensatz zu Uniper und der Nachfolgegesellschaft von Gazprom
Germania die Zusatzeinnahmen nicht nötig haben.
Verbraucher zahlen Zeche für Gas-Umlage-Murks
Vor
allem aber, weil die Gas-Kundinnen und Kunden in Deutschland die Zeche
zahlen. Und gar nicht wenig, wie etwa der Energiekonzern EnBW
vorrechnet: „Bei einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden, der zum
Beispiel in einem durchschnittlichen Einfamilienhaus anfällt, ergibt
sich daraus eine Summe von rund 576 Euro (brutto) im Jahr an Mehrkosten
allein für die Umlage. Diese Summe muss addiert werden zum bisherigen
Gaspreis, der in den meisten Fällen bereits deutlich gestiegen ist.“
Puh!
Habeck hat auf die stetig wachsende Kritik an seinem
Konzept, das bis Donnerstagabend alternativlos war, endlich reagiert –
und die Schuld „unmoralisch handelnden Unternehmen“ in die Schuhe
geschoben sowie falscher juristischer Beratung. Der Vize-Kanzler gelobte
sogar Besserung. Er will nun die Ausführungsverordnung ändern lassen
und Unternehmen, die nicht so bedürftig sind wie Uniper, vom
Gas-Umlage-Topf drängen. Hin und Her. Seriöse Politik geht anders.
Lindner verteidigt Habeck
Er kenne die Fakten nicht, so Lindner, die kenne Bundeswirtschaftsminister Habeck viel besser. „Aber wenn es eine Notwendigkeit gibt, etwas zu verändern, um dieses Instrument zielgenauer zu machen, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren, dann scheuen wir uns nicht vor Korrekturen.“ Klare Worte, die Habeck bislang vermissen lässt.
Habeck echauffierte sich über Lindners Steuerpläne
Vor zwei Wochen hätte sich Lindner wohl ebenfalls gewünscht, nicht von hinten umgegrätscht zu werden. Der Finanzminister hatte Pläne zum Ausgleich der kalten Progression in Höhe von zehn Milliarden Euro vorgelegt, von denen rund 48 Millionen Menschen profitieren würden. Doch Habeck ging auf Konfrontationskurs.
Der „Süddeutschen Zeitung“ sagte er: „Die kalte Progression ist für viele Menschen ein Ärgernis, klar. Aber die Frage ist, welches Problem müssen wir in diesem Herbst prioritär lösen? Reiche Haushalte und Menschen mit geringeren Einkommen zahlen die gleichen hohen Energiepreise. Nur: Reiche können das verkraften. Wer wenig verdient, nicht. Wir sollten also nach dem Prinzip handeln, dass kleinere Einkommen absolut mehr profitieren als hohe. Wir müssen einen demokratischen Konsens sozialpolitisch absichern.“
Und Lindner war in der Öffentlichkeit wieder einmal der Buhmann, der kaltherzige Verteidiger der Besserverdiener, kurz: der FDPler. Selbst wenn er übers Wasser liefe, würden die Habeck-Fans Richtung Lindner rufen: Nicht mal schwimmen kann er!
Grüne wollen ins Private hineinregieren
Es ist schon paradox, wie viel den Grünen und ihrem Spitzenpersonal verziehen wird. Selbst so weit in den persönlichen Lebensbereich eingreifende und teils abenteuerliche Vorschläge zur Bekämpfung der Energie-Krise wie Waschlappen statt Dusche, wenn schon duschen, dann kalt und Heizung nicht über 19 Grad werden als diskussionswürdig hingenommen.
Es ist halt wie im Western oder bei Star Wars oder in der Bibel: David gegen Goliath, Gut gegen Böse. Grün gegen Gelb. Hier die aufrechten Streiter für eine gerechtere und schönere Welt, dort das technokratische Steuersenker-Imperium der grauen Männer. Alles eine Frage der Verpackung oder doch des Inhalts?
Vom hohen moralischen Ross absteigen
Die Grüne profitieren von ihrer und pflegen ihre Rolle als Underdog. Dabei sind sie erstens mit über 100.000 Mitgliedern den Liberalen (70.000) zahlenmäßig überlegen und zweitens doch längst im Establishment angekommen.
Sie sollten jetzt langsam mal von ihrem hohen moralischen Ross runterkommen. Sie müssen es ja nicht gleich in die ewigen Jagdgründe schicken.
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