12 September 2022

Business Class Edition: Der Fall Habeck: Politik & Kompetenz

Business Class Edition: 

Der Fall Habeck: Politik & Kompetenz
Guten Morgen,
diese Frage mögen unsere Regierungsmitglieder nicht sonderlich, aber sie muss in diesen Tagen gestellt werden: Wie viel Inkompetenz verträgt die Politik? Oder höflicher gefragt: Warum reagieren viele Spitzenpolitiker so allergisch auf das, was Ökonomen, Finanz- und Energieexperten ihnen zu sagen haben?
Diese Fragen werden durch die Akteure in diesen Tagen in hoher Dringlichkeit aufgeworfen, weil mit teils fahrlässiger Schludrigkeit, teils vorsätzlicher Ignoranz gegen die eisernen Gesetze der Ökonomie verstoßen wurde. Zuweilen hat man den Eindruck, der Begriff des Politischen solle selbst gegen die Physik in Stellung gebracht werden.

Max Weber kannte Gerhard Schröder, Angela Merkel und Olaf Scholz nicht und dennoch hat er die Mechanismen vorausgesehen, die in jeweils wechselnden politischen Konstellationen zum hastigen Ausstieg aus der Kernenergie, zum nicht minder hastigen Wiedereinstieg, bald schon zum erneuten Ausstieg und nun zu irgendwas dazwischen führen.

In seiner von Politikern gern zitierten, aber wenig gelesenen Rede „Politik als Beruf“ spricht Max Weber von „reinen Stellenjägerparteien, welche ihr sachliches Programm je nach Chancen des Stimmenfangs abändern“. Es gehe ihnen nicht um fachliche Kompetenz, sie strebten in erster Linie der „Staatskrippe“ zu, „an der die Sieger gefüttert zu werden wünschen“.

Und diese Fütterung – darf man mit Fug und Recht hinzufügen – beinhaltet nicht nur Gehälter, Altersruhegelder und Dienstwagen, sondern erkennbar auch jene geistige Nahrung, die man gemeinhin als parteipolitische Ideologie bezeichnet. Der Appetit auf diese parteipolitische Ergänzungsnahrung ist heutzutage besonders groß, wie man dem Tun und Treiben der Ampel-Koalition entnehmen darf:

Beispiel 1: Wir haben ein Gasproblem, kein Stromproblem, behauptet der Wirtschaftsminister, wo doch jedes Kind mittlerweile weiß, dass Gas auch in Strom verwandelt wird und weniger Gas damit automatisch ein Stromproblem verursacht. Spätestens beim Blick auf die Preisexplosionen wird deutlich, dass beide Märkte eng verbunden sind. Dieser Wirtschaftsminister will offenbar nicht zuerst seinem Land dienen, sondern seine grüne Machtbasis befestigen. NZZ-Chefredakteur Eric Gujer fasst zusammen:

Ignoranz first, Sachkenntnis second.

Beispiel 2: Diesem Prinzip folgt auch die vom Minister vorgelegte Idee zum Atomstrom als letzte Reserve, die nur technologisch eben keine Lösung ist. Entgegen dem Rat einer von ihm einberufenen Expertenkommission schlug er vor, zwei der drei verbliebenen Atomkraftwerke als Notreserve bereit zu halten, um sie bei Bedarf hochzufahren.

Diese Ignoranz gegenüber den Fakten trieb Kommissionsmitglied Guido Knott, im Hauptberuf Chef von Preussen Elektra, den Puls hoch. Der Vorschlag des Ministeriums sei „technisch nicht machbar und daher ungeeignet, um den Versorgungsbeitrag der Anlagen abzusichern”, schrieb er in einer

Beispiel 4: Auf Drängen der SPD hat man sich schon vor der Bundestagswahl von Professor Lars Feld als Vorsitzendem des Sachverständigen Rates getrennt, aus dem einzigen Grund: Er hat genervt.

Er hat genervt schlicht durch die Tatsache, dass er als Ordnungstheoretiker im Sinne von Ludwig Erhard, Alfred Müller-Armack und Wilhelm Röpke an die Gesetze der Marktwirtschaft erinnerte, wo die Regierung glaubte, diese nach Belieben an-, ab- oder zuschalten zu können. Auf eine ökonomische Kompetenz, die dem politischen Kalkül widerspricht, hatte Scholz keine Lust.

Beispiel 3: Aber wer ist für diese Besetzung im Schlüsselressort Wirtschaft eigentlich verantwortlich? Erstmals spielte jedenfalls die Fachkompetenz bei der Installation des neuen Wirtschaftsministers keine Rolle. Die meisten der bisherigen Minister waren Volkswirte, so wie Karl Schiller, Rainer Brüderle, Helmut Schmidt und Manfred Lahnstein. Die anderen waren Juristen wie Hans Friderichs und Otto Graf Lambsdorff. Einen Kinderbuchautor auf dem Chefsessel hat dieses Haus noch nicht gesehen.

Aber es darf nicht der Eindruck entstehen, als sei die Missachtung von Fachwissen erst mit Robert Habeck ins politische Leben getreten. Das wäre ungerecht. Olaf Scholz und auch Angela Merkel haben saubere Vorarbeit bei der Entsachlichung von Politik geleistet.

Beispiel 4: Auf Drängen der SPD hat man sich schon vor der Bundestagswahl von Professor Lars Feld als Vorsitzendem des Sachverständigen Rates getrennt, aus dem einzigen Grund: Er hat genervt.

Er hat genervt schlicht durch die Tatsache, dass er als Ordnungstheoretiker im Sinne von Ludwig Erhard, Alfred Müller-Armack und Wilhelm Röpke an die Gesetze der Marktwirtschaft erinnerte, wo die Regierung glaubte, diese nach Belieben an-, ab- oder zuschalten zu können. Auf eine ökonomische Kompetenz, die dem politischen Kalkül widerspricht, hatte Scholz keine Lust.

Beispiel 5: Bei der Besetzung der Spitzenposition der europäischen Notenbank haben sich weder SPD noch CDU für Axel Weber oder später Jens Weidmann stark gemacht. Warum? Weil man einer Politikerin eher zutraute, die politischen Belange im Süden Europas zu berücksichtigen und gegen die Stabilitätsinteressen der Sparer durchzusetzen. 

Aber es darf nicht der Eindruck entstehen, als sei die Missachtu
ng von Fachwissen
erst mit Robert Habeck ins politische Leben getreten. Das wäre ungerecht. Olaf Scholz und auch Angela Merkel haben saubere Vorarbeit bei der Entsachlichung von Politik geleistet.

Das Ergebnis ist für beide erschütternd: EZB-Fehlprognosen am laufenden Band und eine Rekordinflation von fast zehn Prozent machen nun den Südländern und den Sparern gleichermaßen zu schaffen. Christine Lagarde steht vor dem Scherbenhaufen ihrer Notenbankpolitik und trägt jetzt das Büßergewand:

Ich nehme die Schuld auf mich.

Fazit: Die Aussöhnung von Ökologie und Ökonomie ist in aller Munde. Die Aussöhnung von Politik und Kompetenz wäre das nächste Großprojekt einer Zeitenwende. Damit das böse Max Weber-Wort von der „Dilettantenverwaltung durch Beutepolitiker” doch noch ungültig gestempelt werden kann. Kompetenz – darin liegt die große Hoffnung – wird das Politische, anders als die Politiker befürchten, nicht begrenzen, sondern beflügeln.

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