Ist das Deutschland des Jahres 2022 für gut qualifizierte Fachkräfte überhaupt so attraktiv, dass sie ausgerechnet dorthin wollen, fragt WELT-Redakteur Michael Höfling. Auszüge:
Der
überall sichtbaren Arbeiterlosigkeit setzt die Politik hektische Forderungen
nach Zuwanderung entgegen. Doch warum ist sie so sicher, dass Menschen, die
etwas können, ausgerechnet nach Deutschland wollen? Unser Land unterliegt einem
Einwanderungs-Irrtum – aus mehreren Gründen.
Im
Wochenabstand kommen aus Politik und Verbänden Forderungen, die Zuwanderung zu
erleichtern.
Rein
wirtschaftlich betrachtet und jenseits der Diskussion um Immigration aus
humanitären Gründen, muss eine Zuwanderung, die zu diesen Zielen beitragen
soll, zwingend – darüber dürfte Konsens bestehen – qualifiziert sein. Doch in
der deutschen Debatte zur Erwerbsmigration werden meist gleich mehrere Aspekte
ausgeblendet.
- Zum einen wird erstaunlicherweise noch viel zu selten gefragt, ob die Herkunftsländer ihre Fachkräfte nicht eventuell selbst ganz gut gebrauchen könnten
- Das verwundert umso mehr, als gerade Teile von Grünen und SPD sonst sehr um das Wohl der übrigen Welt besorgt sind.
- Noch wichtiger aber scheint ein anderer Punkt: Ist das Deutschland des Jahres 2022 für gut qualifizierte Fachkräfte überhaupt so attraktiv, dass sie ausgerechnet dorthin wollen?
- Der Fachkräftemangel ist ja kein deutsches Phänomen. Der demografische Wandel, der das Problem mit verursacht, schlägt in weiten Teilen der westlichen Welt zu.
- Wer also auswanderungswillig ist und über Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt, die anderswo gefragt sind, der hat oft die Wahl, wohin er geht.
- Der wird schauen, wo ihm von dem, was er erwirtschaftet, unter dem Strich das meiste bleibt. Und er wird auch prüfen, wo die Perspektiven auch noch für seine Kinder die besten sein werden.
- Es sagt viel über Politiker und sonstige Funktionsträger, dass sie zu glauben scheinen, Deutschland stünde für qualifizierte und leistungswillige Zuwanderer auf der Liste möglicher Zielländer automatisch ganz oben.
- Die Fakten jedenfalls sprechen eine andere Sprache: Deutschland ist im internationalen Wettbewerb in vielen Punkten maximal noch Mittelmaß.
- Im „Ease of settling in“-Index 2022 von Internations, dem weltweit größten Netzwerk für Menschen, die im Ausland leben und arbeiten, landet Deutschland lediglich auf Platz 48 von 52. Bewertet wurden die Rubriken „Kultur und Empfang“, „Lokale Willkommenskultur“ und „Freunde finden".
- Die deutschen Regierungen der letzten Jahre haben die verfügbaren Mittel der wirtschaftlich erfolgreichen vergangenen 20 Jahre nicht ausreichend in die Zukunftsfähigkeit des Landes gesteckt.
- So steht Deutschland nun, da deutlich schwierigere Jahre bevorstehen, mangels unterbliebener Investitionen und ideologiegetriebener Fehlallokation von Mitteln mit einer morschen Infrastruktur für Verkehr, Bildung, Internet und Energieversorgung da.
- In Deutschland muss ein Single zur Zeit 48,1 Prozent seinesIGehalts (Steuern und Sozialabgaben) an den Fiskus abführen. In den OECD-Ländern lag der Durchschnitt bei lediglich 34,6 Prozent.
- Weiterhin ist kaum zu glauben, dass qualifizierte Zuwanderer bereit sind, für die billionenschweren Renten- und Pensionszusagen aufkommen wollen.
Darüber hinaus: Werden sich gut ausgebildete Einwanderer für ein Land entscheiden, in dem die Politik mit Blick auf die Energieversorgung offenbar Ideologie vor Pragmatismus walten lässt?
Es ist keine allzu gewagte These, dass qualifizierte Migranten, die die Wahl haben, für sich und ihre Familie ein Land suchen werden, dessen Regierung bei aller Rücksicht auf das Klima zuallererst im Sinne der eigenen Bevölkerung und Wirtschaft handelt.
Fazit: Offensichtlich ist dieses Land für nicht Qualifizierte deutlich attraktiver als für zunehmend vermisste Fachleute.
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