Eigenes Auto wieder wichtigerWarum grüne Verkehrspolitik völlig an der Realität vorbei geht
FOCUS-online-Redakteur Sebastian Viehmann, 23.09.2022
Selbst im
Bundesverkehrsministerium wird gern von der „Verkehrswende“ geredet: Es
müsse mehr Bus und Bahn geben, Vorfahrt fürs Fahrrad und Einschränkungen
fürs Auto. Doch wie neue Daten zeigen, nimmt sogar in Großstädten die
Bedeutung des Autos zu statt ab.
Das Bemühen vieler, vor allem grüner
Politiker und Interessengruppen um eine Verkehrswende scheint wenig mit
der Realität der Menschen in Deutschland zu tun zu haben. Denn trotz
mehr Fahrrad-Verkehr in der Corona-Pandemie, trotz eines aus Sicht
vieler Bobachter erfolgreichen 9-Euro-Tickets und trotz hoher
Verkaufszahlen für alternative Antriebe wie Elektroautos: Das Auto an
sich bleibt „des Deutschen liebstes Kind“.
Das zeigt sich bereits an
der schieren Zahl. 580 PKW je 1000 Einwohner zählte das Statistische
Bundesamt im Jahr 2021. In den vergangenen zehn Jahren ist die
Pkw-Dichte damit durchgehend gestiegen. 2011 gab es noch 517 Pkw je 1000
Einwohner.
Immer mehr Autos pro Einwohner in Deutschland
Auch eine aktuelle Umfrage von YouGov für das Center of Automotive Management (CAM) zur Mobilität der Deutschen zeigt: Für viele bleibt das Auto wichtig oder steigt sogar in seiner Bedeutung:
69 Prozent der Deutschen sagen, dass für sie ein privater PKW angesichts ihrer derzeitigen Mobilitätssituation wichtig sei.
Auch eine aktuelle Umfrage von YouGov für das Center of Automotive Management (CAM) zur Mobilität der Deutschen zeigt: Für viele bleibt das Auto wichtig oder steigt sogar in seiner Bedeutung:
69 Prozent der Deutschen sagen, dass für sie ein privater PKW angesichts ihrer derzeitigen Mobilitätssituation wichtig sei.
Davon geben 42 Prozent an, dass sie auf das eigene Auto sogar angewiesen sind.
Zwar
sind die Werte leicht zurückgegangen: 2018 sagten noch 73 Prozent, dass
der eigene PKW wichtig sei, unter ihnen 45 Prozent, die nach eigenen
Angaben auf das Auto angewiesen waren. Doch die wachsende Zahl der
Auto-Zulassungen belegt, dass mit einer leicht gesunkenen Abhängigkeit
vom Auto keineswegs ein Verzicht darauf einher geht. Genutzt wird der
Wagen vielleicht etwas weniger als vorher - trotzdem kaufen immer mehr
Menschen einen.
Für junge Städter wird der Wagen wieder wichtiger
Für junge Städter wird der Wagen wieder wichtiger
Bemerkenswert
ist, dass ausgerechnet dort, wo man noch am ehesten auf ein eigenes
Auto verzichten kann - in großen Städten - die Lust aufs Auto sogar
gewachsen ist. Jede vierte Städterin und jeder vierte Städter zwischen
18 und 34 Jahren gab in der Umfrage an, auf das Auto angewiesen zu sein,
im Vergleich zu nur 17 Prozent im Jahr 2018. „Insgesamt ist für 57
Prozent der jungen Städter der private PKW derzeit sehr wichtig oder
wichtig. Interessant ist, dass fast ein Drittel der älteren
Stadtbewohner angeben, einen privaten Pkw 'eigentlich nicht zu
brauchen'. Im Jahr 2018 sagten dies nur 18 Prozent“, so das Fazit der
CAM-Studie.
„Die Bedeutung des eigenen Autos nimmt insbesondere bei
jüngeren Stadtbewohnern wieder zu. Es zeigt sich, dass es den Städten in
den letzten Jahren nicht gelungen ist, durch eine Verbesserung des
öffentlichen Verkehrs und der Mobilitätsservices die junge Generation
zum Verzicht auf das eigene Auto zu bewegen", sagt Studienleiter
Professor Stefan Bratzel. Der Verdacht liegt natürlich nahe, dass die
Corona-Pandemie ihren Anteil an dieser Entwicklung hatte. Die hohe
Ansteckungsgefahr in Bus und Bahn führte dazu, dass diese für viele
Menschen ziemlich unattraktiv wurden.
Corona als größter Feind von Bus und Bahn?
Corona
hat zwar seinen Schrecken weitgehend verloren, doch wer sich erst
einmal an das behagliche und Infektionssichere eigene Auto gewöhnt hat
statt dicht an dicht mit Maske im Gesicht in der S-Bahn zu stehen wie in
einer Sardinenbüchse, wird nicht unbedingt wieder zurück zum ÖPNV
wechseln. Immerhin: Auch das Fahrrad konnte von Corona profitieren. Die
während der ersten Lockdowns errichteten „Pop-Up-Radwege“ wurden in
Städten wie Berlin sogar zu einer dauerhaften Installation.
Auf dem Land geht es ohne Auto nur selten
Wenig
überraschend ist die Tatsache, dass das Auto vor allem auf dem Land
essenziell ist. So geben in der Umfrage unter Landbewohnern im Alter von
35 bis 54 Jahren zwei Drittel (65 Prozent) an, auf ihr Auto angewiesen
zu sein. Unter Stadtbewohnern in der gleichen Altersklasse sagen dies
nur 36 Prozent.
„Autos sind nicht nur für die Menschen teuer“
Politisch
wird die Entwicklung ganz unterschiedlich bewertet. „Die gesamte
Bevölkerung - vom Baby bis zur Seniorin - hat Platz auf dem Vordersitz
eines in der Bundesrepublik zugelassenen PKW“, kommentierte zum Beispiel
der Sprecher für Verkehrspolitik der Grünen im Bundestag, Stefan
Gelbhaar. Er kritisiert: „Autos sind nicht nur für die Menschen teuer,
sondern auch für die ganze Gesellschaft, die Infrastruktur und massive
Folgekosten bezahlt.“ Deutschland brauche „mehr, besseren und
bezahlbareren öffentlichen Verkehr, mehr sichere Infrastruktur für Rad-
und Fußverkehr“, so Gelbhaar weiter.
„Niemand will eine Wende“
Für
Michael Haberland, den Präsidenten des Autoclubs „Mobil in
Deutschland“, ist das ganze Konzept der Verkehrswende dagegen nicht mehr
zeitgemäß: „Niemand will eine Wende. Das bedeutet umkehren, Rückspiegel
und zurück in die Steinzeit. Wir wollen nach vorne. Nachhaltig durch
Fleiß, Innovation und Erfindergeist und ohne Ideologie und Verbote“, so
Haberland zu FOCUS Online.
Eine Mischung aus politisch gewollten
Mehrkosten - etwa eine stetig steigende CO2-Steuer auf Kraftstoffe - und
Sondereffekten wie der Ukraine-Krise haben die Kosten fürs Autofahren
allerdings im Jahr 2022 auf ein Rekordhoch katapultiert. Und das
hinterlässt selbst im Autoland Deutschland Spuren. Das zeigen die
Ergebnisse des „Trend-Tacho“, der für die Prüforganisation KÜS und das
Fachmagazin Kfz-betrieb erhoben wird. Die Befragten fahren demnach
weniger Auto, sie fahren langsamer und, wenn möglich, auch keine weiten
Strecken . Dazu wurden rund 1000 Autofahrerinnen und Autofahrer befragt,
die in ihrem Haushalt für Fragen rund ums Auto mitverantwortlich sind.
Auf welche Autofahrten die wenigsten verzichten
Der
KÜS-Trendtacho hat ermittelt, bei welchen Alltagswegen die individuelle
motorisierte Mobilität die größte Hilfe ist. Folgende Aufgaben muss das
Auto für die Deutschen erfüllen:
- Strecken zum Einkaufen und zum Abholen der Kinder (84%)
- Urlaubsfahrten und Freizeitaktivitäten (86%)
- Weg zum Arbeitsplatz (83%) - 2020 waren dies noch 87 Prozent; offenbar hat also der Corona-bedingte Home Office-Trend so manche Arbeitsplatz-Tour überflüssig gemacht.
Als Fazit bleibt : Auch die steigenden Kosten haben die erhoffte Verkehrswende, vor allem in Form eines Lebens ohne Auto wie von den Grünen gefordert, nicht eingeläutet. Die Abschaffung des Autos ist ein Konzept, das dem Mehrheitswillen einfach nicht entspricht. Allerdings gibt es durchaus Änderungen im Nutzungsverhalten der Autofahrerinnen und Autofahrer. Einen Erfolg konnte auch die Emobilität erzielen: Die Bereitschaft zum Umstieg vom Verbrenner auf einen Stromer wächst stetig, wie die Zulassungszahlen belegen.
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