Irrtum 3: Die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen erleben ihre Blüte.
Anzumerken ist: Wer auf die Intensität der Austauschbeziehungen im Waren- und im Dienstleistungsbereich schaut, könnte diesen Eindruck gewinnen. Amerika ist für Deutschland der wichtigste Handelspartner.Doch im strategischen Denken könnten die Unterschiede kaum bedeutsamer sein. Die größte Binnenökonomie der Welt, die USA, würde gerne eine Entkopplung des Westens zum chinesischen Markt durchsetzen, nicht gänzlich uneigennützig. Die deutsche Exportwirtschaft hat daran keinerlei Interesse.
Irrtum 4: Die Russland-Sanktionen wirken.
Ehrlich wäre es, zu sagen: Das tun sie, nur anders, als vom Westen gewünscht. Der britische Wirtschaftshistoriker Adam Tooze:
"Die Russen verdienen sich dumm und dämlich. Und zwar dank ihrer Energieexporte. Nun setzt der Kreml die Energiewaffe gegen uns ein, statt wir sie gegen ihn. Im Feld der Energiepolitik liegt die Initiative momentan bei Moskau"
Auch der außenpolitische Experte der New York Times, Pulitzer-Preisträger Thomas Friedman, kommt zu anderen Schlüssen als Olaf Scholz und Joe Biden:
"Ich wünschte, ich könnte mit Sicherheit sagen, dass Putin scheitern wird. Und ich wünschte, ich könnte schreiben, dass Putin seine Taktik bereuen wird. Ja, ich wünschte, ich könnte all diese Dinge schreiben. Aber ich kann es nicht tun".
Seine Schlussfolgerung ist eine für die Menschen in Europa grausame, weil er eine signifikante Schmälerung unseres Wohlstandes prophezeit:
"Putin will make people choose between heating and eating this winter."
Weltweit der gleiche Befund: Trotz all der milliardenschweren Investments in den vergangenen fünf Jahren in Wind- und Solaranlagen bestreiten Öl, Gas und Kohle rund 82 Prozent des weltweiten Primärenergieverbrauchs in 2021. In den vergangenen fünf Jahren wurde lediglich eine Reduktion der fossilen Primärenergie von drei Prozent erreicht.
Irrtum 6: Demokratie bedeutet Volksherrschaft und braucht keine Führung.
Das ist von allen Irrtümern der fatalste. Die demokratischen Wahlverfahren können Führung nicht ersetzen, sie sollen sie nur auf transparente Weise hervorbringen. Henry Kissinger hat dazu in seinem Buch „Staatskunst“ alles Wesentliche gesagt:
"Führung ist von Nöten, um den Menschen zu helfen, dorthin zu kommen, wo sie noch nie gewesen sind. Ohne Führung treiben Institutionen dahin und Nationen riskieren wachsende Bedeutungslosigkeit und schließlich eine Katastrophe".
Fazit: Genau diese Führung, die der Altmeister der Außenpolitik anmahnt, fehlt derzeit im Westen. Das Risiko einer Katastrophe wird nicht dadurch geringer, dass wir es negieren. Die Gegner der Freiheit formieren sich – und der Westen driftet.
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