Der Kampf gegen rechts ist wie der Kampf gegen Antisemitismus ein Schauspiel neubürgerlicher Doppelmoral. Seit es die AfD in die Parlamente geschafft hat, gibt es kaum einen Tag, an dem nicht alle Parteien den Kampf gegen rechts zum vordringlichsten politischen Ziel erklären. Doch der Linken und der SPD laufen die Arbeiter weg, der Union die Konservativen und der FDP die Nationalliberalen.
Was während der Corona-Proteste begann, soll nun auch im von
Energieengpässen und Rezession absehbar geprägten Winter praktiziert
werden: Die Delegitimierung abweichender Positionen und des Protestes
ersetzt die Auseinandersetzung mit Ursachen gesellschaftlicher
Unzufriedenheit. Die Aufforderung, nicht mit Rechten zu demonstrieren,
heißt: am besten gar nicht demonstrieren. Warum? Weil sich schwer
verhindern lässt, dass bei Protesten auch ein paar Rechte mitlaufen.
Die Bürger lässt man mit ihrer Verzweiflung über den Kurs der Regierung und den Opportunismus der „bürgerlichen“ Opposition alleine. Das satte Establishment verbittet sich Kritik unakademischer, nicht urbaner Milieus. „Spiegel“-Redakteure feiern aus ihren gentrifizierten Altbauwohnungen heraus Robert Habeck – und zeigen dem arbeitslos werdenden Stahlkocher oder Hakle-Lagerarbeiter, wie egal sie ihnen sind.
Friedrich Merz hat versprochen, den Stimmenanteil der AfD zu halbieren. Man hat es ihm zugetraut. Wenig davon ist übrig geblieben nach einem Parteitag, auf dem die CDU weiträumig ihr Appeasement gegenüber einem überholten Zeitgeist vollzogen hat. Es ist ein Menetekel, dass die vermeintlichen Profiteurinnen der Frauenquote, kluge, junge, lässige Frauen in der CDU, sich nicht paternalisieren lassen wollten, während die wohlbekannten Damen hinter faltigen schwarz-grünen Träumen das Hohelied spießiger Identitätspolitik sangen.
Nach dem Motto: Bei der CDU bekommt man alles, was man nie wollte. Nur viel später.
Blamage für alle Demokraten
„Rechts von der CDU/CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben“, erklärte Franz Josef Strauß und ließ sich daran messen. Heute hat die Union längst aufgehört, wirklich die AfD herauszufordern. Im Gegenteil. Die vermerkelte Partei hat weder Mut noch Verstand, noch intellektuelles Gewicht, um bürgerliche Milieus neu zu binden, die von ihr aktuell die Schnauze voll haben.
Ähnliches gilt für den Kampf gegen den Antisemitismus. Er ist ein Lippenbekenntnis, wie man an der Documenta, die dieser Tage zu Ende geht, erkennt. Es gibt auch keinen Kampf gegen links und die dort aufschäumenden Radikalisierungsfantasien. Die bourgeoisen Eliten meinen, sich alles erlauben zu können, um den Nicht-Etablierten noch weniger zu lassen: an Freiheit, Meinung und Anerkennung.
Deutschland steht eine wirtschaftliche Stagnation bis 2027 ins Haus,
warnt das Kiel Institut für Weltwirtschaft. Auf dem Weg dorthin könnte
das Land Maß und Mitte verlieren.
Siehe auch:
Warnung vor „Straßenprotesten“ Wer die Politik der Regierung kritisiert, ist kein Extremist (WELT+)
Kanzler Scholz droht bei unliebsamen Demos indirekt mit der Polizei
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