27 September 2022

Generation Z – oder was Faulheit mit Freiheit zu tun hat (NZZ)

Generation Z – oder was Faulheit mit Freiheit zu tun hat (NZZ)
Faulheit sei ein Zustand von Freiheit, meint die österreichische Literaturwissenschafterin Daniela Strigl. Dem kann man beipflichten, allerdings nur dann, wenn die eigene Faulheit nicht auf Kosten fleissiger Dritter geht. Doch der Umverteilungsstaat macht genau das zum System und demoralisiert damit die Leistungswilligen.
Claudia Wirz, 27.09.2022
Was ist eigentlich Freiheit? Würde man die österreichische Germanistin und Essayistin Daniela Strigl fragen, würde sie Freiheit vielleicht als das Recht auf Faulheit bezeichnen. Vor kurzem hat sie jedenfalls eine Schrift zu diesem Thema veröffentlicht und damit offenbar einen Nerv getroffen.

Strigls «Gedankenspiele zur Faulheit» fanden in den Medien jedenfalls reges Interesse. Die Autorin gab einige Radiointerviews, in denen auf akademischem Niveau über das Faulenzen, sein kreatives Potenzial, seine sittliche Verortung und seine gesellschaftliche Bedeutung philosophiert wurde. Faulheit sei ein Zustand von Freiheit, sagte sie etwa am Schweizer Radio.

Das Recht auf Faulheit ist laut Strigl allerdings unter Druck, wobei sie Faulheit nicht als uninspiriertes Nichtstun, sondern als Gegenteil von Arbeit versteht. Der Druck auf die Freiheit, faul zu sein, kommt laut Strigl aus zwei Quellen. Zuerst hätten Calvin und Zwingli die Arbeit zu einer Art Gottesdienst umgedeutet. Und den Rest habe dann der «Siegeszug des Kapitalismus» besorgt.

Der Kapitalismus ist laut Strigl eine Gegenbewegung zur Faulheit. Wenn Faulheit tatsächlich einen Zustand der Freiheit beschreibt, muss man daraus folgern, dass der Kapitalismus auch eine Gegenbewegung zur Freiheit ist. Man hört’s, staunt und fragt sich, welches real existierende Wirtschaftssystem denn besser für die individuelle Freiheit sei, bleibt mit dieser Frage in diesem Interview aber sich selbst überlassen.

Hochqualifiziert – aber nicht zu viel Arbeit?

Strigls Schrift erscheint lustigerweise zu einer Zeit, in der in den Medien über ein anderes Phänomen mit ebenso regem Interesse auf ebenso akademischem Niveau diskutiert wird: Es geht um die vermeintliche Faulheit der Generation Z, also jener Generation, die sich – wiewohl in globo mit dem Prädikat «hochqualifiziert» ausgestattet – angeblich nicht mit Arbeit abrackern möchte und die Zeit lieber für das «persönliche Wachstum» verwendet.

Interessant ist, dass dieses Phänomen auf dem mit Wohlstand gedüngten Boden kapitalistischer Wirtschaftssysteme besonders gut zu gedeihen scheint. Hat sich Daniela Strigl also geirrt, und der Kapitalismus ist gar nicht ein Feind der Faulheit, sondern im Gegenteil ihr Ermöglicher?

Scheinbar bodenlose Subventionstöpfe

Mit Blick auf die «soziale Marktwirtschaft» europäischer Prägung lautet die Antwort auf diese Frage Ja. Der Umverteilungsstaat mit seinen progressiven Steuern und seinen scheinbar bodenlosen Subventionstöpfen ist ein Förderer der Faulheit im Striglschen Sinn. Er bestraft die Fleissigen, indem er deren sauer verdientes Geld über Steuern und Zwangsabgaben auch an jene verteilt, die sich bewusst die Freiheit nehmen, das Gegenteil von Arbeit zu tun.

Man kann Faulheit durchaus als Ausdruck von Freiheit sehen, und der Liberale kann gar nicht anders, als jedem seine Freiheit bzw. Faulheit zu gönnen. Doch wenn die Faulheit des einen mit der Arbeit des anderen finanziert wird, ist etwas faul mit der Freiheit. Dann demoralisiert der Staat seine Leistungsträger, und die Frage nach dem Recht auf Faulheit wird sich irgendwann ganz unakademisch von selbst erledigen.

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