14 September 2022

Business Class Edition: Gazprom: Sahra Wagenknecht & die unbequeme Wahrheit

Business Class Edition:
Gazprom: Sahra Wagenknecht & die unbequeme Wahrheit
Guten Morgen,
es sei „bescheuert“ gewesen, gegen den wichtigsten Energielieferanten einen Wirtschaftskrieg vom Zaun zu brechen, sagte dieser Tage Sahra Wagenknecht im Deutschen Bundestag, was ihr jede Menge Ärger einbrachte. Hier die entscheidende Passage ihrer Rede:

"Natürlich ist der Krieg in der Ukraine ein Verbrechen. Aber die Vorstellung, dass wir Putin dadurch bestrafen, dass wir Millionen Familien in Deutschland in die Armut stürzen und dass wir unsere Industrie zerstören, während Gazprom Rekordgewinne macht – ja wie bescheuert ist das denn? Preiswerte Energie ist die wichtigste Existenzbedingung unserer Industrie".

Fakt ist: Es gibt seit dem Überfall der russischen Armee auf die Ukraine unfassbar viele Verlierer: Rund 40.000 Tote, sagen die Vereinten Nationen, mehr als sieben Millionen Flüchtlinge, meldet der UNHCR und auch die deutsche Volkswirtschaft, die jetzt vor dem kommenden Winter bibbert, darf zu den Verlierern gezählt werden.

Allerdings – und da hat Sahra Wagenknecht ihren Punkt – einen Überraschungsgewinner gibt es auch, den es in der Theorie der westlichen Wirtschaftssanktionen gar nicht geben dürfte: die russische Firma Gazprom. Eine solche Blüte hat dieses Unternehmen noch nie erlebt. Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 wurde der Rekordgewinn vom Vorjahr bereits überboten.

Hier die betriebswirtschaftlichen Fakten:

  • Gazprom kontrolliert die Gaswirtschaft Russlands und ist weltweit der größte Gasexporteur.

  • Das Unternehmen zeichnet für rund 85 Prozent der russischen Erdgasförderung verantwortlich, was rund einem Fünftel der weltweiten Förderung entspricht.

  • In Russland ist Gazprom mit rund 470.000 Beschäftigten der größte zivile Arbeitgeber.

  • Der russische Staat hält 50 Prozent und eine Aktie an dem Unternehmen und im Aufsichtsrat die Mehrheit der Sitze

  • Nicht Putin, sondern Gorbatschow ist für die Gründung von Gazprom verantwortlich. Im Zuge der Perestroika-Politik, also der Privatisierungswelle am Ende der Sowjetunion, wurde die ehemalige Gasbehörde im Jahr 1989 in den russischen Staatskonzern Gazprom umgewandelt. Der letzte Minister war der erste Vorstandschef.
  • Seit Mai 2001 ist Alexei Miller der Vorstandsvorsitzende, einer der reichsten Menschen der Welt laut Forbes Liste. Über zwei Jahrzehnte hat er die deutsche Volkswirtschaft mit unschlagbar günstigem Gas versorgt. 

Diese deutsch-russische Energiepartnerschaft, die heute unter der Überschrift „Abhängigkeit von Russland“ behandelt wird, galt jahrzehntelang als Glücksfall.

Erst mit der russischen Invasion in die Ukraine und den wenig später als Erwiderung gestarteten Wirtschaftssanktionen veränderte sich die Beziehung zwischen Gazprom und der deutschen Industrie: „Unsere Sanktionen wirken”, sagte Scholz.

Doch in Wahrheit kamen insbesondere die Gas-Sanktionen einer Selbstverletzung der deutschen Volkswirtschaft gleich. Man zielte auf Putin und hat sich – offenbar in völliger Unkenntnis der ökonomischen Zusammenhänge im globalen Energiemarkt – in die eigenen Knie geschossen. Und zwar in beide gleichzeitig.

Derweil Amerika sich energetisch selbst versorgen kann, ist die deutsche Industrie notleidend geworden. Hier die wichtigsten Positionen der deutschen Schadensbilanz:

  • Der Gaspreis stieg im Vergleich zu dem, was vor anderthalb Jahren bezahlt werden musste, um das 14-fache an. 

  • Der größte Gashändler unseres Landes, Uniper, macht – weil das günstige Russengas ihm nun fehlt – täglich rund 100 Millionen Euro Verlust.
  • Der Staat musste allein Uniper mit bisher 15 Milliarden Euro zur Hilfe eilen. Um für weitere Krisenfälle gewappnet zu sein, will der Staat allen 21 Millionen Gaskunden eine Gasumlage aufbürden, die 34 Milliarden Euro einspielen soll.

Auf der Gegenseite steht Gazprom und kann vor Kraft kaum laufen:

  • Die weltweit gestiegenen Energiepreise sorgen bei gleichem Aufwand für Super-Profite.

  • Indien, China und viele andere Staaten waren unverzüglich bereit, die von den NATO-Staaten verschmähten Gasmengen aufzukaufen.

  • Der prognostizierte Gazprom-Umsatz in 2022 hat sich gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt. Von 120 auf 244 Milliarden Euro.

  • Die Umsatzrendite, also jener Anteil des Umsatzes, der als Profit in der Firmenkasse bleibt, stieg von 20 Prozent auf nunmehr 31 Prozent.

  • Damit hat Gazprom mitgeholfen, die gesamte Leistungsbilanz der Russischen Föderation auf ein neues Niveau zu heben.

    Fazit: Dass ausgerechnet die Linke Sahra Wagenknecht vor Habeck und Scholz bemerkt hat, was hier gespielt wird, sollte man ihr nicht vorwerfen. Sie, die von den eigenen Leuten nun mit einem Parteiausschluss bedroht wird, kann nur hoffen, dass die Richtigkeit ihrer Analyse sich herumspricht. Ein Satz des CDU-Vordenkers Kurt Biedenkopf möge ihr Trost spenden:

    "Die Wirklichkeit frisst sich durch".

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