Wer diesen Anträgen zustimmen will, der soll zustimmen. Und wer sie ablehnt, der soll sie ablehnen. Ich gucke nicht rechts und nicht links. Ich gucke in diesen Fragen nur geradeaus.
Widerspruch folgte auf dem Fuße. Armin Laschet stellte gestern Abend auf X klar:
Das sind stolze Sätze, deren Halbwertszeit nicht überschätzt werden darf. Hier die vier Gründe, warum diese feierlich aufgestellten Sprech-, Kontakt- und Koalitionsverbote der Demokratie (und der Union) mehr schaden als nützen. Auch für Armin Laschet gilt: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.Die Brandmauer steht. Unumstößlich. Friedrich Merz hat sie in den letzten Wochen zementiert. Mit der AfD gibt es keine Kommunikation, keine Kooperation, keine Koordination und erst recht keine Koalition.
Die professionelle Dämonisierung von Alice Weidel durch die parteipolitische Konkurrenz funktioniert, aber zu ihrem Vorteil. Der Versuch, diese Politikerin als Verfassungsfeindin zu etikettieren, ohne dafür den TÜV-Stempel aus Karlsruhe zu besitzen, hat ihr ein Alleinstellungsmerkmal verschafft. Alice Weidel und ihr Co-Vorsitzender Tino Chrupalla tanzen auf der Brandmauer Tango.
#2 Die Brandmauer steht, aber die Wähler hüpfen darüber hinweg.
Dass sich unter den AfD-Wählern Millionen ehemaliger CDU-Wähler befinden, sollten Laschet und Merz nicht als Affront, sondern als Hinweis verstehen. Viele von ihnen wollen nur, dass die bürgerliche Politik wieder so wird, wie sie einmal war.
Sie wollen den Arbeitslosen nicht verelenden sehen, ihn aber auch nicht schwer beladen mit Flatscreen und PlayStation im MediaMarkt treffen. Sie finden, dass ein Küchenmesser in die Küche gehört und nicht auf den Marktplatz von Mannheim, Solingen oder in den Park Schöntal von Aschaffenburg. Sie hätten es gern, dass das organisierte Verbrechen im ARD-Tatort stattfindet und nicht in ihrer Nachbarschaft. Sie wünschen sich keinen neuen Hitler, sondern einen neuen Helmut Kohl und einen zweiten Franz Josef Strauß.
#3 Wähler wollen Realpolitik, keine Gespensterdebatte mit den Dämonen der Vergangenheit
In Deutschland steht nicht die Machtergreifung der Nazis bevor, auch wenn die AfD nachweislich Nazis in ihren Reihen Schutz gewährt und mit Björn Höcke und seiner Truppe kein Staat zu machen ist. Berlin ist kein Vorort von Weimar.
Die Apokalyptiker unter den Politikern der Mitte sollten ihre Aufregungsenergie für den wirklichen Ernstfall speichern. Es wird Zeit, wieder Argumente, nicht nur Anschuldigungen auszutauschen. Die Demokratie in Deutschland ist nicht in Gefahr, nur in Gebrauch.
Die Illusion der Apokalyptiker beginnt schon beim Wort
„AfD-Wähler“, als seien diese Menschen genetisch ungünstig disponiert.
In Wahrheit sind fast alle AfD-Wähler frühere SPD- oder Unions-Wähler.
Viele von ihnen haben sich gar nicht verändert, nur SPD und CDU haben
sich verändert. Es kam zur „Wählerverwirrung durch
Programmvertauschung“, wie der Philosoph Peter Sloterdijk kürzlich feststellte.
In der Migrationspolitik gibt es seit 2015 viele
Stimmen, aber kaum Unterschiede. CDU und SPD warten gemeinsam auf „die
europäische Lösung“, wollen gemeinsam „die Fluchtursachen bekämpfen“ und
mit vereinten Kräften „die europäische Außengrenze sichern“. Die
Fertigbauteile dieser Rhetorik werden bei denselben Fabrikanten
bestellt. Für eine Mehrheit in der Bevölkerung fühlen sich diese
Bauteile hohl an.
#4 Die Demokratie braucht eine Option rechts in der Mitte
Die bundesdeutsche Republik lebt seit ihrer Gründung davon, dass sich Regierungen abwechselnd rechts und links der Mitte gebildet haben. Als die Adenauer-CDU ihren Dienst getan hatte, war die Chance von SPD-Kanzler Willy Brandt gekommen: „Wer morgen sicher leben will, muss heute für Reformen kämpfen.“
Als Helmut Kohl nach 16 Jahren erkennbar ausgelaugt war, erhielt das rot-grüne Projekt seine Chance.
Dieses Wechselspiel der Antagonisten ist mit dem
Konzept der Brandmauer außer Kraft gesetzt worden. De facto gibt es
jetzt keine Regierungsmehrheit mehr ohne Grüne oder Sozialdemokraten.
Und womöglich wird ein Kanzler Merz beide links von ihm beheimateten
Parteien brauchen, um eine stabile Regierung zu bilden. Käme es in der
Wirtschaft zu einer vergleichbaren Angebotsverknappung, würden
unverzüglich die Monopolkommission und das Kartellamt aktiv werden.
Fazit: „Wo geredet wird, wird nicht geschossen“, hat der SPD-Stratege und spätere Friedensforscher Egon Bahr einmal gesagt. Das bedeutet im Umkehrschluss: Die permanente Gesprächsverweigerung ist der Beginn eines stillen Bürgerkrieges. Björn Höcke hat mit der Rekrutierung längst begonnen. Die Brandmauer ist seine Lizenz.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen