19 Januar 2025

Joachim Steinhöfel - Offener Brief an Mark Zuckerberg: „Glückwunsch zu Ihrer Rede – Jetzt feuern Sie Correctiv!“

Offener Brief an Mark Zuckerberg:
„Glückwunsch zu Ihrer Rede – Jetzt feuern Sie Correctiv!“
Joachim Nikolaus Steinhöfel, 10.01.2025
Medienanwalt Joachim Steinhöfel kämpfte für die Meinungsfreiheit auf Facebook. Der Autor ist einer der renommiertesten und erfolgreichsten deutschen Medienrechtler. Laut Zeit hat er mit seinen Prozessen gegen die sozialen Medien „Rechtsgeschichte geschrieben“, die Welt stellte fest: „Um die Meinungsfreiheit dürfte sich in Deutschland kaum ein Jurist so verdient gemacht haben wie Steinhöfel“. Im Jahre 2024 hat er 16 presse- und persönlichkeitsrechtliche Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland geführt und diese vor dem Bundesverfassungsgericht, Oberverwaltungs- und Zivilgerichten sämtlich gewonnen.
Nun begrüßt er Zuckerbergs Vorstoß, bei Meta Faktenchecker abzuschaffen. Ein offener Brief.
Sehr geehrter Herr Zuckerberg!
Ich möchte Ihnen zu Ihren Äußerungen vom 7. Januar 2025 gratulieren. Ihre Ankündigungen sind von eminenter Relevanz für die Meinungsfreiheit auf Social-Media-Plattformen und angesichts der überragenden Bedeutung dieser Kommunikationsform für die Meinungsfreiheit insgesamt. Sie haben eine Reihe von wichtigen Maßnahmen und Änderungen angekündigt, die ich begrüße.
Ihr Unternehmen und ich hatten und haben spätestens seit 2018 eine sehr enge Beziehung. Vor deutschen Gerichten. Ich habe Meta Platforms Ireland Ltd. weit über 100 Mal im Namen von privaten Nutzern, den Medien und in eigener Sache verklagt. 2018 erwirkte ich die erste einstweilige Verfügung, die jemals gegen eine unberechtigte Löschung durch Facebook erlassen wurde. Außerdem habe ich eine ganze Reihe von gerichtlich durchsetzbaren Verboten wegen der auf Facebook veröffentlichten rechtswidrigen Faktenchecks (von dpa oder meist Correctiv) erwirkt. Meta Platforms hat mehr als 90 Prozent dieser Verfahren verloren.

Im Mai 2024 veröffentlichte ich das Sachbuch „Die digitale Bevormundung“, das Platz 1 der Bestsellerlisten erreichte und eines der meistverkauften Sachbücher des Jahres 2024 in Deutschland war. In dem Buch geht es um den gerichtlichen Kampf um die Durchsetzung der Meinungsfreiheit gegenüber sozialen Medien. Facebook und Instagram spielen dabei eine wichtige Rolle, aber auch X (Twitter) und Google/YouTube.

Ein Beispiel: X verlor einen Fall, in dem es um die Sperrung des bekannten Artikels in der New York Post über das Notebook von Hunter Biden kurz vor den Parlamentswahlen 2020 in den Vereinigten Staaten ging. X hat auch die Berufung verloren. YouTube hat einen Ausschnitt aus einer Serie gelöscht, die im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt wurde und deren Protagonisten Henryk M. Broder und Hamed Abdel-Samad mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurden.
Ich erwähne dies, um darauf hinzuweisen, dass ich einen beruflichen Bezug zu diesen Themen habe.

Wie Petitionen fälschlicherweise als Hassrede bewertet werden

Einige Beispiele dafür, wie Meta Platforms Ireland Ltd. mit den verfassungsmäßigen und vertraglichen Rechten seiner deutschen Nutzer vor Gericht umging.
So schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 13. September 2018: „Wenn ein Kommentar aber nicht nur gelöscht, sondern diese Löschung auf die Beschwerde des Nutzers hin aufrechterhalten und im anschließenden Gerichtsverfahren von einer internationalen Großkanzlei in ausführlichen Schriftsätzen verteidigt wird, dann tut man wohl niemandem Unrecht, wenn man die Löschung zum Bestandteil der offiziell verfolgten Konzernpolitik erklärt – und daraus seine Schlüsse zieht.“
Dies ist richtig.
Im März 2018 veröffentlichte eine Gruppe von Journalisten, Künstlern und Intellektuellen die „Gemeinsame Erklärung 2018“ als Kritik an der Flüchtlingspolitik der deutschen Regierung. Kurz nach ihrer Veröffentlichung wurde aus der Erklärung eine Petition an den Deutschen Bundestag. Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages prüfte die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen, bejahte diese und veröffentlichte die Petition auf der Website des Parlaments. Als ein Facebook-Nutzer diese Erklärung wörtlich zitierte und zur Unterzeichnung aufrief, wurde der Beitrag von Facebook als „Hassrede“ gelöscht und der Nutzer für 30 Tage gesperrt. Wohlgemerkt, dies geschah, nachdem der Text vom Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 45c des Grundgesetzes geprüft und auch auf der Website des Parlaments veröffentlicht worden war.
Meta Platforms Ireland Ltd. (damals Facebook Ireland Ltd.) verteidigte die Löschung vor Gericht. Sie unterlagen im Eilverfahren wie im Hauptsacheverfahren.

Ein Zitat von Heinrich Heine wurde von Facebook zensiert

Heinrich Heine, der Ihnen sicherlich bekannt ist, war einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller, Dichter und Journalisten des 19. Jahrhunderts. Nach ihm sind in Deutschland Universitäten, Schulen, Plätze und Straßen benannt. Seine Bücher wurden unter dem nationalsozialistischen Terrorregime verbrannt, weil er das „Pech“ hatte, nicht nur ein Freigeist, sondern auch Jude zu sein.
Eines der Zitate von Heinrich Heine ist bei den Nutzern sozialer Medien sehr beliebt. Es lautet: „Der Deutsche gleicht dem Sklaven, der seinem Herrn gehorcht, ohne Fessel, ohne Peitsche, durch das bloße Wort, ja durch einen Blick. Die Knechtschaft ist in ihm selbst, in seiner Seele; schlimmer als die materielle Sklaverei ist die spiritualisierte. Man muss die Deutschen von innen befreien, von außen hilft nichts.“

Das Landgericht Berlin hat in einem Fall eines Verlags (Achgut.com) gegen Facebook Ireland Ltd. wegen Ihrer Löschung dieser Bemerkung von Heinrich Heine das Zitat des großen Dichters wie folgt bewertet: „Das Zitat ist eine kritische Sicht eines Deutschen (Heinrich Heine, 1797–1856) auf seine eigenen Landsleute und es stellt eine Meinungsäußerung zum Gehorsam der Deutschen dar, wobei Heine zu einer Befreiung von innen aufruft. Seine Sprache ist weder gewalttätig noch menschenverachtend und seine Äußerung ist nicht ausgrenzend oder isolierend. Die Aussage bezieht sich auf das Wesen der Deutschen zu der Zeit, als Heine seinen Text verfasste, also vor mehr als 160 Jahren. Der Text ist ein – mittlerweile längst historischer – Befund und ihm liegt die Annahme zu Grunde, dass die Deutschen sich ändern (‚befreien‘) können. Ein Bezug zu sich selbst kann ein deutscher Leser des Zitats allenfalls herstellen, wenn er sich selbst fragt, ob und was davon auf ihn oder auf ‚die Deutschen‘ heute noch zutrifft.“ Für Facebook war das Zitat des deutschen Juden Heinrich Heine „Hassrede“. Nutzer erfuhren beim Löschen des Heine-Zitats: „Dein Beitrag verstößt gegen unsere Gemeinschaftsstandards für Hassrede und Herabwürdigung.“

Einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg gegen Meta

Dies geschah nicht nur einmal, sondern immer wieder und führte zu einer Reihe von gerichtlichen Auseinandersetzungen über dasselbe Zitat, die bis heute andauern. Es gibt zahlreiche Verurteilungen und mehrere fünfstellige Geldstrafen, die Meta wegen Verstößen gegen gerichtliche Verbote in diesem Zusammenhang auferlegt wurden. Vor Gericht gab Meta zu, dass das Zitat nicht gegen seine Gemeinschaftsstandards verstoße – nur um es wenige Tage später erneut auf einem anderen Profil eines anderen Nutzers zu löschen. Und wieder. Und wieder. Und wieder wurde Meta vor Gericht besiegt. Ein Murmeltiertag auf Steroiden. Die fortlaufende digitale Auslöschung eines berühmten jüdischen Dichters durch Ihr Unternehmen.

Meta auf diese Weise seinen Nutzern und den deutschen Gerichten zu präsentieren, d. h. durch vorsätzlichen und wiederholten Gesetzesbruch durch die Löschung von Inhalten, die Sie selbst als legitim ansehen, ist nichts, worauf Meta stolz sein könnte.

Ich betreibe seit 2016 die Seite „Sperre durch FB – Wall of Shame“, die Inhalte dokumentiert, die rechtswidrig sind und trotz Meldung nicht gelöscht wurden und – weit zahlreicher – rechtswidrige Löschungen oder Sperrungen durch Meta aufzeigen. Zahlreiche Medien inkl. der BBC haben über diese Seite berichtet, der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat in einem Gutachten auf die Seite verwiesen. Im Oktober 2024, acht Jahre nach Gründung, hat Facebook die Seite wegen „Nachahmung“ gesperrt. Am 10.01.2025 erhielt ich von Ihnen die Nachricht, dass man aufgrund meiner Beschwerde die Seite nunmehr wieder veröffentliche. Tatsächlich lag es wohl eher daran, dass Meta in Irland die von mir erwirkte einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg zugestellt wurde.

Correctiv checkt Meinungen und keine Fakten

Lassen Sie mich einige Gedanken und Informationen zu den von Meta in Deutschland eingesetzten Faktenprüfern hinzufügen.
Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) und eine Organisation namens Correctiv werden von Meta in Deutschland als Faktenprüfer beschäftigt. Ist Ihnen bekannt, dass beide finanziell von der deutschen Regierung unterstützt werden? Glaubte Meta wirklich, dass Medien, die Geld von der Regierung erhalten, ausreichend unabhängig sind, um mit einer solch wichtigen Aufgabe betraut zu werden?
Wir haben kürzlich wegen eines auf Facebook veröffentlichten rechtswidrigen Faktenchecks eine einstweilige Verfügung gegen die dpa beim Landgericht Hamburg erwirkt. Allerdings halte ich Correctiv für weitaus problematischer und bin fest davon überzeugt, dass Meta die Zusammenarbeit überdenken sollte, sobald alle Fakten bekannt sind. Der Geschäftsführer von Correctiv hat wiederholt vor Gericht in einem Verfahren wegen eines von Correctiv auf Meta veröffentlichten Faktenchecks gelogen. Er behauptete, Correctiv sei vom International Fact-Checking Network (IFCN) zertifiziert, obwohl dies nicht der Fall war. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat Meta bzw. Correctiv untersagt, Faktenchecks zu veröffentlichen, die von Correctiv verfasst wurden.

Das Oberlandesgericht stellte fest, dass der [Correctiv]-Faktencheck eine in der Abwägung der beteiligten Interessen nicht mehr hinzunehmende Herabsetzung der journalistischen Leistung der Klägerin [Tichys Einblick] darstelle.

Darüber hinaus ist Correctiv derzeit aufgrund falscher Berichterstattung in einen journalistischen Skandal in Deutschland verwickelt, der ebenfalls zu gerichtlichen Verboten geführt hat. Aus diesem Grund entschied das Landgericht Berlin (2 O 296/24 eV) am 11. Dezember 2024, dass man Correctiv eine „dreckige Lüge“ nachsagen darf.
Das ist die Organisation, mit der Meta in Deutschland zusammenarbeitet. Es ist an der Zeit, diese Zusammenarbeit zu beenden.

Vielleicht werden die USA Deutschland ein zweites Mal befreien müssen
Dies sind nur einige Beispiele. Meta hat der Meinungsfreiheit in Deutschland im Laufe der Jahre erheblichen und unverzeihlichen Schaden zugefügt. Es wurde höchste Zeit für die von Ihnen angekündigte Richtungsänderung.

Sollten Ihre bedeutenden Ankündigungen ernst gemeint sein, werden wir künftig keine Gegenspieler vor Gericht mehr sein, sondern gemeinsam für eines der wichtigsten Grundrechte überhaupt eintreten – die Meinungsfreiheit, wie sie in Ihrem ersten Verfassungszusatz und unserem Artikel 5 des Grundgesetzes verankert ist.

Dann, wie Sie in Ihren Ausführungen zu Recht betonten, werden die Gegner andere sein. Ein befreites Debattenklima wird sicherlich mit Stimmen wie denen umgehen können, die kürzlich in einem Kommentar zu Ihren Maßnahmen in der deutschen Wirtschaftswoche veröffentlicht wurden: „Mit der Abschaffung der Faktenchecks werden Meinungen … in den USA künftig folgenlos bleiben …“. Wir leben also in einer Zeit, in der eine Journalistin Konsequenzen für eine Meinung fordert. Auch dies fällt unter die Meinungsfreiheit, auch wenn es eine eindeutig verfassungswidrige Denkweise zeigt.

Es ist eine traurige Tatsache, dass man in demokratischen Gesellschaften und Regierungen hartnäckigen Feinden der Meinungsfreiheit begegnet. Und Sie betonten zu Recht, dass „Europa eine stetig wachsende Zahl von Gesetzen hat, die Zensur institutionalisieren“. Hier bei uns haben wir es mit staatlichen Akteuren zu tun, die Aufgaben an NGOs auslagern, diese finanzieren und dann Dinge tun lassen, die dem Staat selbst verboten sind. Der Hauptgegner ist in Brüssel und im Denken jener Bürokraten zu verorten, die den Digital Services Act erfunden haben. Ich halte diese Verordnung für ebenso gefährlich wie in Teilen verfassungswidrig. Und erneut stimme ich Ihnen zu, wenn Sie sagen: „Der einzige Weg, wie wir diesem globalen Trend entgegentreten können, ist mit der Unterstützung der US-Regierung.“
Vielleicht werden die Vereinigten Staaten Deutschland und Europa ein zweites Mal befreien müssen.
Bürokraten und Politiker in Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten fürchten um ihre Macht. Der Verlust der Meinungsfreiheit wird als Kollateralschaden hingenommen. Viele Protagonisten sind skrupellos und gefährlich. Doch vielleicht, hoffentlich, erleben wir einen Freiheits-Tsunami. Ich wünsche mir und hoffe, dass Sie alles, was Sie angekündigt haben, schnell und konsequent umsetzen.
¡Viva la libertad, carajo!
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Nikolaus Steinhöfel

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