„Glückwunsch zu Ihrer Rede – Jetzt feuern Sie Correctiv!“
Joachim Nikolaus Steinhöfel, 10.01.2025
Nun begrüßt er Zuckerbergs Vorstoß, bei Meta Faktenchecker abzuschaffen. Ein offener Brief.
Sehr geehrter Herr Zuckerberg!
Ich möchte Ihnen zu Ihren Äußerungen vom 7. Januar 2025 gratulieren. Ihre Ankündigungen sind von eminenter Relevanz für die Meinungsfreiheit auf Social-Media-Plattformen und angesichts der überragenden Bedeutung dieser Kommunikationsform für die Meinungsfreiheit insgesamt. Sie haben eine Reihe von wichtigen Maßnahmen und Änderungen angekündigt, die ich begrüße.
Ihr Unternehmen und ich hatten und haben spätestens seit 2018 eine sehr enge Beziehung. Vor deutschen Gerichten. Ich habe Meta Platforms Ireland Ltd. weit über 100 Mal im Namen von privaten Nutzern, den Medien und in eigener Sache verklagt. 2018 erwirkte ich die erste einstweilige Verfügung, die jemals gegen eine unberechtigte Löschung durch Facebook erlassen wurde. Außerdem habe ich eine ganze Reihe von gerichtlich durchsetzbaren Verboten wegen der auf Facebook veröffentlichten rechtswidrigen Faktenchecks (von dpa oder meist Correctiv) erwirkt. Meta Platforms hat mehr als 90 Prozent dieser Verfahren verloren.
Im Mai 2024 veröffentlichte ich das Sachbuch „Die digitale Bevormundung“,
das Platz 1 der Bestsellerlisten erreichte und eines der
meistverkauften Sachbücher des Jahres 2024 in Deutschland war. In dem
Buch geht es um den gerichtlichen Kampf um die Durchsetzung der
Meinungsfreiheit gegenüber sozialen Medien. Facebook und Instagram
spielen dabei eine wichtige Rolle, aber auch X (Twitter) und
Google/YouTube.
Ein Beispiel: X verlor einen Fall, in dem es um
die Sperrung des bekannten Artikels in der New York Post über das
Notebook von Hunter Biden kurz vor den Parlamentswahlen 2020 in den
Vereinigten Staaten ging. X hat auch die Berufung verloren. YouTube hat
einen Ausschnitt aus einer Serie gelöscht, die im öffentlich-rechtlichen
Fernsehen ausgestrahlt wurde und deren Protagonisten Henryk M. Broder
und Hamed Abdel-Samad mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet
wurden.
Ich erwähne dies, um darauf hinzuweisen, dass ich einen beruflichen Bezug zu diesen Themen habe.
Einige
Beispiele dafür, wie Meta Platforms Ireland Ltd. mit den
verfassungsmäßigen und vertraglichen Rechten seiner deutschen Nutzer vor
Gericht umging.
So schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung am
13. September 2018: „Wenn ein Kommentar aber nicht nur gelöscht,
sondern diese Löschung auf die Beschwerde des Nutzers hin
aufrechterhalten und im anschließenden Gerichtsverfahren von einer
internationalen Großkanzlei in ausführlichen Schriftsätzen verteidigt
wird, dann tut man wohl niemandem Unrecht, wenn man die Löschung zum
Bestandteil der offiziell verfolgten Konzernpolitik erklärt – und daraus
seine Schlüsse zieht.“
Dies ist richtig.
Im März 2018
veröffentlichte eine Gruppe von Journalisten, Künstlern und
Intellektuellen die „Gemeinsame Erklärung 2018“ als Kritik an der
Flüchtlingspolitik der deutschen Regierung. Kurz nach ihrer
Veröffentlichung wurde aus der Erklärung eine Petition an den Deutschen
Bundestag. Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages prüfte die
verfassungsrechtlichen Voraussetzungen, bejahte diese und
veröffentlichte die Petition auf der Website des Parlaments. Als ein
Facebook-Nutzer diese Erklärung wörtlich zitierte und zur Unterzeichnung
aufrief, wurde der Beitrag von Facebook als „Hassrede“ gelöscht und der
Nutzer für 30 Tage gesperrt. Wohlgemerkt, dies geschah, nachdem der
Text vom Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 45c
des Grundgesetzes geprüft und auch auf der Website des Parlaments
veröffentlicht worden war.
Meta Platforms Ireland Ltd. (damals
Facebook Ireland Ltd.) verteidigte die Löschung vor Gericht. Sie
unterlagen im Eilverfahren wie im Hauptsacheverfahren.
Heinrich
Heine, der Ihnen sicherlich bekannt ist, war einer der bedeutendsten
deutschen Schriftsteller, Dichter und Journalisten des 19. Jahrhunderts.
Nach ihm sind in Deutschland Universitäten, Schulen, Plätze und Straßen
benannt. Seine Bücher wurden unter dem nationalsozialistischen
Terrorregime verbrannt, weil er das „Pech“ hatte, nicht nur ein
Freigeist, sondern auch Jude zu sein.
Eines der Zitate von
Heinrich Heine ist bei den Nutzern sozialer Medien sehr beliebt. Es
lautet: „Der Deutsche gleicht dem Sklaven, der seinem Herrn gehorcht,
ohne Fessel, ohne Peitsche, durch das bloße Wort, ja durch einen Blick.
Die Knechtschaft ist in ihm selbst, in seiner Seele; schlimmer als die
materielle Sklaverei ist die spiritualisierte. Man muss die Deutschen
von innen befreien, von außen hilft nichts.“
Das Landgericht
Berlin hat in einem Fall eines Verlags (Achgut.com) gegen Facebook
Ireland Ltd. wegen Ihrer Löschung dieser Bemerkung von Heinrich Heine
das Zitat des großen Dichters wie folgt bewertet: „Das Zitat ist eine
kritische Sicht eines Deutschen (Heinrich Heine, 1797–1856) auf seine
eigenen Landsleute und es stellt eine Meinungsäußerung zum Gehorsam der
Deutschen dar, wobei Heine zu einer Befreiung von innen aufruft. Seine
Sprache ist weder gewalttätig noch menschenverachtend und seine Äußerung
ist nicht ausgrenzend oder isolierend. Die Aussage bezieht sich auf das
Wesen der Deutschen zu der Zeit, als Heine seinen Text verfasste, also
vor mehr als 160 Jahren. Der Text ist ein – mittlerweile längst
historischer – Befund und ihm liegt die Annahme zu Grunde, dass die
Deutschen sich ändern (‚befreien‘) können. Ein Bezug zu sich selbst kann
ein deutscher Leser des Zitats allenfalls herstellen, wenn er sich
selbst fragt, ob und was davon auf ihn oder auf ‚die Deutschen‘ heute
noch zutrifft.“ Für Facebook war das Zitat des deutschen Juden Heinrich
Heine „Hassrede“. Nutzer erfuhren beim Löschen des Heine-Zitats: „Dein
Beitrag verstößt gegen unsere Gemeinschaftsstandards für Hassrede und
Herabwürdigung.“
Dies
geschah nicht nur einmal, sondern immer wieder und führte zu einer
Reihe von gerichtlichen Auseinandersetzungen über dasselbe Zitat, die
bis heute andauern. Es gibt zahlreiche Verurteilungen und mehrere
fünfstellige Geldstrafen, die Meta wegen Verstößen gegen gerichtliche
Verbote in diesem Zusammenhang auferlegt wurden. Vor Gericht gab Meta
zu, dass das Zitat nicht gegen seine Gemeinschaftsstandards verstoße –
nur um es wenige Tage später erneut auf einem anderen Profil eines
anderen Nutzers zu löschen. Und wieder. Und wieder. Und wieder wurde
Meta vor Gericht besiegt. Ein Murmeltiertag auf Steroiden. Die
fortlaufende digitale Auslöschung eines berühmten jüdischen Dichters
durch Ihr Unternehmen.
Meta auf diese Weise seinen Nutzern und
den deutschen Gerichten zu präsentieren, d. h. durch vorsätzlichen und
wiederholten Gesetzesbruch durch die Löschung von Inhalten, die Sie
selbst als legitim ansehen, ist nichts, worauf Meta stolz sein könnte.
Ich
betreibe seit 2016 die Seite „Sperre durch FB – Wall of Shame“, die
Inhalte dokumentiert, die rechtswidrig sind und trotz Meldung nicht
gelöscht wurden und – weit zahlreicher – rechtswidrige Löschungen oder
Sperrungen durch Meta aufzeigen. Zahlreiche Medien inkl. der BBC haben
über diese Seite berichtet, der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen
Bundestages hat in einem Gutachten auf die Seite verwiesen. Im Oktober
2024, acht Jahre nach Gründung, hat Facebook die Seite wegen
„Nachahmung“ gesperrt. Am 10.01.2025 erhielt ich von Ihnen die
Nachricht, dass man aufgrund meiner Beschwerde die Seite nunmehr wieder
veröffentliche. Tatsächlich lag es wohl eher daran, dass Meta in Irland
die von mir erwirkte einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg
zugestellt wurde.
Lassen Sie mich einige Gedanken und Informationen zu den von Meta in Deutschland eingesetzten Faktenprüfern hinzufügen.
Die
Deutsche Presse-Agentur (dpa) und eine Organisation namens Correctiv
werden von Meta in Deutschland als Faktenprüfer beschäftigt. Ist Ihnen
bekannt, dass beide finanziell von der deutschen Regierung unterstützt
werden? Glaubte Meta wirklich, dass Medien, die Geld von der Regierung
erhalten, ausreichend unabhängig sind, um mit einer solch wichtigen
Aufgabe betraut zu werden?
Wir haben kürzlich wegen eines auf Facebook veröffentlichten
rechtswidrigen Faktenchecks eine einstweilige Verfügung gegen die dpa
beim Landgericht Hamburg erwirkt. Allerdings halte ich Correctiv für
weitaus problematischer und bin fest davon überzeugt, dass Meta die
Zusammenarbeit überdenken sollte, sobald alle Fakten bekannt sind. Der
Geschäftsführer von Correctiv hat wiederholt vor Gericht in einem
Verfahren wegen eines von Correctiv auf Meta veröffentlichten
Faktenchecks gelogen. Er behauptete, Correctiv sei vom International
Fact-Checking Network (IFCN) zertifiziert, obwohl dies nicht der Fall
war. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat Meta bzw. Correctiv untersagt,
Faktenchecks zu veröffentlichen, die von Correctiv verfasst wurden.
Das
Oberlandesgericht stellte fest, dass der [Correctiv]-Faktencheck eine
in der Abwägung der beteiligten Interessen nicht mehr hinzunehmende
Herabsetzung der journalistischen Leistung der Klägerin [Tichys
Einblick] darstelle.
Darüber hinaus ist Correctiv derzeit
aufgrund falscher Berichterstattung in einen journalistischen Skandal in
Deutschland verwickelt, der ebenfalls zu gerichtlichen Verboten geführt
hat. Aus diesem Grund entschied das Landgericht Berlin (2 O 296/24 eV)
am 11. Dezember 2024, dass man Correctiv eine „dreckige Lüge“ nachsagen
darf.
Das ist die Organisation, mit der Meta in Deutschland zusammenarbeitet. Es ist an der Zeit, diese Zusammenarbeit zu beenden.
Sollten Ihre bedeutenden Ankündigungen ernst gemeint sein, werden wir künftig keine Gegenspieler vor Gericht mehr sein, sondern gemeinsam für eines der wichtigsten Grundrechte überhaupt eintreten – die Meinungsfreiheit, wie sie in Ihrem ersten Verfassungszusatz und unserem Artikel 5 des Grundgesetzes verankert ist.
Dann, wie Sie in Ihren Ausführungen zu Recht betonten, werden die Gegner andere sein. Ein befreites Debattenklima wird sicherlich mit Stimmen wie denen umgehen können, die kürzlich in einem Kommentar zu Ihren Maßnahmen in der deutschen Wirtschaftswoche veröffentlicht wurden: „Mit der Abschaffung der Faktenchecks werden Meinungen … in den USA künftig folgenlos bleiben …“. Wir leben also in einer Zeit, in der eine Journalistin Konsequenzen für eine Meinung fordert. Auch dies fällt unter die Meinungsfreiheit, auch wenn es eine eindeutig verfassungswidrige Denkweise zeigt.
Es ist eine traurige Tatsache, dass man in demokratischen Gesellschaften und Regierungen hartnäckigen Feinden der Meinungsfreiheit begegnet. Und Sie betonten zu Recht, dass „Europa eine stetig wachsende Zahl von Gesetzen hat, die Zensur institutionalisieren“. Hier bei uns haben wir es mit staatlichen Akteuren zu tun, die Aufgaben an NGOs auslagern, diese finanzieren und dann Dinge tun lassen, die dem Staat selbst verboten sind. Der Hauptgegner ist in Brüssel und im Denken jener Bürokraten zu verorten, die den Digital Services Act erfunden haben. Ich halte diese Verordnung für ebenso gefährlich wie in Teilen verfassungswidrig. Und erneut stimme ich Ihnen zu, wenn Sie sagen: „Der einzige Weg, wie wir diesem globalen Trend entgegentreten können, ist mit der Unterstützung der US-Regierung.“
Vielleicht werden die Vereinigten Staaten Deutschland und Europa ein zweites Mal befreien müssen.
Bürokraten und Politiker in Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten fürchten um ihre Macht. Der Verlust der Meinungsfreiheit wird als Kollateralschaden hingenommen. Viele Protagonisten sind skrupellos und gefährlich. Doch vielleicht, hoffentlich, erleben wir einen Freiheits-Tsunami. Ich wünsche mir und hoffe, dass Sie alles, was Sie angekündigt haben, schnell und konsequent umsetzen.
¡Viva la libertad, carajo!
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Nikolaus Steinhöfel
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