21 Januar 2025

Der andere Blick - ARD und ZDF haben nichts dazugelernt (NZZ)

Fall Gelbhaar und Entgleisung im «Tatort»:
ARD und ZDF haben nichts dazugelernt (NZZ)
Die öffentlichrechtlichen Sender werden für ihre einseitige Berichterstattung oft hart kritisiert. Nun zeigt sich: das ist berechtigt.

Von Beatrice Achterberg,
21.01.2025, 3 Min
Von «Rotlichtbestrahlung» sprach man in der DDR, wenn in der Betriebsversammlung erzählt wurde, warum der Sozialismus siegen werde. Das Wort spielt auf die Indoktrination an, der sich die Arbeiter nicht entziehen konnten. Von «Grünfunk» sprechen heute die schärfsten Kritiker, wenn es um die öffentlichrechtlichen Sender in Deutschland geht, und meinen etwas Ähnliches: eine Mischung aus offensichtlicher und subtiler Meinungslenkung, die darauf zielt, ein bestimmtes Weltbild zu etablieren.
Für die These der Kritiker spricht, dass laut Umfragen sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz Journalisten der öffentlichrechtlichen Medien sich vor allem links der Mitte einordnen. Das hat Auswirkungen auf das Programm. Die Arbeit einiger Medienschaffender beim deutschen Rundfunk wirkt, als stamme sie aus dem aktivistischen Vorfeld der politischen Linken. Dabei hatte der ARD-Chef Kai Gniffke angesichts der immer lauter werdenden Kritik an der Einseitigkeit der Berichterstattung Besserung gelobt.
Doch jüngste Beispiele zeigen, dass die öffentlichrechtlichen Sender offenkundig nichts dazugelernt haben.
Der Fall Gelbhaar ist auch ein Fall RBB Da wäre einmal der Fall Gelbhaar: Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) berichtete als Erster über den Vorwurf der sexuellen Belästigung gegenüber dem Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar. Bei solchen unbewiesenen Anschuldigungen müssen Medien besondere Vorsicht walten lassen. Sie können Karriere und Privatleben des Beschuldigten zerstören.

Aber nun stellt sich heraus, dass der zentrale Vorwurf gegen Gelbhaar offenbar frei erfunden ist. Mehr noch: Er ist Teil einer Intrige innerhalb der Partei im Machtkampf um begehrte Listenplätze. Die anonyme Zeugin, die der RBB unter dem Pseudonym Anna K. zitierte, existiert nicht.

Fehler können in jeder Redaktion passieren. Doch dass ein gebührenfinanzierter Sender sich auf die Aussagen einer vermeintlichen Zeugin verliess, ohne diese persönlich zu treffen, ihre Identität zweifelsfrei zu überprüfen und ihre Schilderungen sorgfältig zu verifizieren, ist beschämend. Dass der RBB die ausgedachte Szene mit einer Schauspielerin nachstellte, setzt dem Ganzen die Krone auf. Statt einer professionellen Recherche gab es journalistisches Laientheater.

Dann gibt es Beispiele, die weniger offensichtlich sind: Im vergangenen «Tatort», dem sonntäglichen Lieblingsritual vieler Deutscher, sprach die rechtsextreme Geiselnehmerin und Mörderin von «kleinen Paschas», als sie einen muslimischen Mann bedrohte. Das weckt unweigerlich Erinnerungen an Friedrich Merz, den Kanzlerkandidaten der CDU.

Der sorgte vor zwei Jahren für Entrüstung, weil er arabischstämmige Kinder, die in Schulen vor allem Lehrerinnen zu schaffen machten, ebenfalls als «kleine Paschas» bezeichnete. Die unterschwellige Botschaft, die beim Zuschauer hängenbleibt, ist: Merz und mörderischer Rechtsextremismus gehören irgendwie zusammen. Das ist eine beispiellose Entgleisung, und das auch noch kurz vor der Bundestagswahl. Stünde dahinter eine russische Trollfabrik, wäre die Rede von politischer Propaganda.

Einseitig bei Trump

Wenn dann noch der Live-Übersetzer bei Phoenix mitten in der Inaugurationsrede des amerikanischen Präsidenten Donald Trump ruft «Sag mal, wie lange wollt ihr bei dem Scheiss bleiben?» und der Sender im Nachhinein erklärt, das sei eine technische Panne gewesen und die Aussage spiegele «selbstverständlich nicht die Meinung des Senders wider», dürften bei vielen Zuschauern Zweifel aufkommen. Schliesslich hatte ein ZDF-Amerikakorrespondent noch im Sommer erklärt, er persönlich halte Trump für einen «Faschisten».

Dem Anspruch auf Meinungsvielfalt und Objektivität wird der öffentlichrechtliche Rundfunk nicht ausreichend gerecht. Immer wieder beschweren sich einzelne Mitarbeiter über die harsche Kritik an den Sendern. Die aber haben sie sich ganz allein zuzuschreiben.

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