15 Januar 2025

Jonas Müller im Porträt - Der Rundfunkwart (Cicero)

Jonas Müller im Porträt
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Der Rundfunkwart (Cicero)
Ein bayerischer Kommunalpolitiker ist der Finger in der Wunde des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Mit seinem „ÖRR-Blog“ hat sich Jonas Müller einen Namen gemacht. Ginge es nach ihm, so sollte der Beitrag für den ÖRR auf drei Euro reduziert werden.
VON VERONIKA WETZEL am 14. Januar 2025 4 min
Die Gemüter sind erhitzt: „Der Theaterpädagoge, der in der ARD-­Sendung #Die100 für mehr Schulden ist, sitzt im Kreisverbandsvorstand der Grünen Nienburg“, ist am 25. November auf der Social-Media-Plattform X zu lesen. Was wie eine banale Feststellung klingen mag, entwickelt sich binnen Stunden zum Tweet des Tages. Bis heute ist die Nachricht diejenige mit den meisten „Gefällt mir“-Angaben auf dem viel besuchten Account „ÖRR Blog“ auf X.
Hinter dem Account steckt der 22-jährige Jonas Müller. Ein ganz normaler junger Mann mit ganz normalen Hobbys. Müller studiert, schaut Fußball und nimmt ansonsten auch mal gerne an dem ein oder anderen Grillfest in seiner Heimatgemeinde teil. Zu unserem Treffen trägt er eine schwarze Brille, ein mintgrünes T-Shirt, einen leichten Bart. Einer wie viele, könnte man meinen. Ein ziemlich unscheinbarer Typ.
Im Internet aber dreht Müller richtig auf. Dort hat der Betreiber des „ÖRR-Blogs“, der sich und seine vier Mitstreiter als „kritische Beobachter des öffentlich-­rechtlichen Rundfunks“ bezeichnet, über 114.000 Abonnenten. Zum Vergleich: Jens Spahn, immerhin stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag, hat 271.000 Follower.
„Die Inhalte müssen richtig und sinnvoll sein“
Wichtige Stimme der Medienkritik sind Müller und seine Mitstreiter geworden. Sie decken auf, wenn Parteizugehörigkeiten von TV-Interviewpartnern und von Gästen in Talkshows nicht kenntlich gemacht werden oder wenn ÖRR-Mitarbeiter ohne Hinweis auf ihre Beschäftigung vom eigenen Arbeitgeber interviewt werden. Außerdem nennt er Beispiele einseitiger Berichterstattung oder weist auf linksextreme Tendenzen einzelner Journalisten hin. Dabei hat er letztlich immer ein großes Ziel vor Augen: eine Verkleinerung und eine Kostenreduzierung des ÖRR.

Mit dem „ÖRR-Blog“ ist Jonas Müller längst auf allen großen Social-Media-­Plattformen aktiv: auf X, Facebook, Instagram, Tiktok und Youtube. Was treibt den Mann an, der täglich bis zu 20 Beiträge absetzt und der sich in seiner Freizeit offensichtlich lieber mit den vielen Ungereimtheiten der deutschen Medienlandschaft auseinandersetzt, als dass er, wie andere Studenten in seinem Alter, auf Partys rumhängt oder Videospiele zockt?

„Jeder muss für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zahlen“, klagt Jonas Müller mit einer leicht fränkischen Färbung in der Stimme. Damit habe der Laden einen großen Auftrag: „Die Inhalte müssen richtig und sinnvoll sein. Aber das ist beim ÖRR, der sich gerne als Demokratieretter darstellt, oft nicht der Fall. Uns ist aufgefallen, dass die Dinge verdreht werden, dass Einseitigkeit und Intransparenz bestehen, und dass Gebühren verschwendet werden.“

„Wer den ÖRR nicht konsumiert, sollte ihn auch nicht zahlen müssen“

Harsche Kritik. Doch woran macht Jonas Müller diese fest? Da sei etwa der Fall von Oberstleutnant Marcel Bohnert, erzählt er. Dem hat das Magazin Panorama einst fälschlicherweise Rechtsextremismus vorgeworfen. Da sei Patricia Schlesinger, die sich als RBB-Intendantin überflüssigen Luxus gegönnt hatte. Und da sei der WDR-Sessel für 4000 Euro. Um nur einige Beispiele zu nennen. Müllers Forderung daher: Die Strukturen müssen verschlankt werden, es braucht mehr Transparenz, um der „Gebührenverschwendung“ Einhalt zu gebieten. Der Rundfunkbeitrag müsse gesenkt werden, und das ganze System müsse vom „zwangsfinanzierten Modell“ weg. „Unsere Auffassung ist: Wer den ÖRR nicht konsumiert, sollte ihn auch nicht zahlen müssen.“

Doch Müller belässt es nicht bei bloßen Einsprüchen. Als Lokalpolitiker, der in seiner bayerischen Gemeinde Mitglied der CSU ist, mag er es lieber konstruktiv: Ginge es nach ihm, so sollte der Beitrag für den ÖRR auf drei Euro reduziert werden. Zudem sollte Deutschland in vier Sektoren unterteilt werden mit je einer Rundfunkanstalt. Und Unterhaltungsprogramme sollten vom gebührenfinanzierten Programm ausgelagert werden in ein zusätzlich buchbares Abo-Paket. „Alles, was private Medien produzieren können, muss nicht durch Zwangsbeiträge finanziert werden.“

Für dieses Ziel bloggt und schreibt Jonas Müller unentwegt. Mit seiner großen Reichweite zieht sein Account Aufmerksamkeit auf sich – und damit immer wieder auch Kritik: „Auch wir machen Fehler, wir machen das hobbymäßig und da ist es logisch, dass wir nicht immer den kompletten Zusammenhang erfassen können.“ So meldeten sich etwa gelegentlich sogar die Kritisierten selbst zu Wort: mal mit Einsicht, mal mit Wut. Das medienkritische Magazin Zapp etwa hat dem „ÖRR-Blog“ schon zweimal recht gegeben. Und der WDR wiederum scheint den Finger in seiner eigenen Wunde nicht zu ertragen: Er setzte den Blog auf eine öffentliche Liste mit Kritikern. Jonas zuckt die Schultern und lächelt: „Das ist auch ein Umgang mit Kritik.“

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