20 Januar 2025

The Pioneer - Hauptstadt-Briefing - Medien vs. Trump: Abrüstung, jetzt

The Pioneer - Hauptstadt-Briefing
Medien vs. Trump: Abrüstung, jetzt
Jan Schröder, Montag, 20.01.2025
Bei aller notwendigen Kritik an Donald Trump sind die deutschen Medien oft weit über das Ziel hinausgeschossen. Eine kritische Bilanz an day one.
Rückblick: Nach dem ersten Wahlsieg von Donald Trump 2016 bezeichnete die Zeit ihn als „Faschist – unserer Zeit“, der Spiegel zeigte ihn mit Ku-Klux-Klan-Mütze auf dem Cover und der Stern fabrizierte ein Bild des US-Präsidenten mit Hitlergruß, die Zeile: „Sein Kampf“.
Der heutige day one der zweiten Amtszeit Trumps wäre der richtige Zeitpunkt, die Berichterstattung vom ideologischen Kopf auf realistische Füße zu stellen. Jan Schroeder ruft die deutschen Medien im Hauptstadt Briefing zur Umkehr auf.
Aktuelles Spiegel-Cover 4/25
1) US-Medien wollen Trump „als normalen Präsidenten“ behandeln
Während der ersten Amtszeit bestritt eine Großzahl amerikanischer Medien die demokratische Legitimität von Trump, warb von Beginn an für ein Amtsenthebungsverfahren und rief zu Protesten auf. Die Unterschiede zwischen Aktivismus und Journalismus verschwammen, in den USA ebenso wie hierzulande. All das hat nicht Trump geschadet, sondern dem Ansehen der Medien.
„Diesmal werden die US-Medien Trump eher als normalen Präsidenten behandeln“, sagt uns der amerikanische Politikwissenschaftler Daniel Ziblatt von der Harvard University. In Deutschland hingegen scheint das Umdenken verzögert. Auf dem aktuellen Cover präsentiert der Spiegel Trump erneut als „ Imperator“ in der Manier eines römischen Kaisers.
2) Diktatur-Vergleiche sind fehl am Platz
Die Vergleiche mit Diktatoren und Faschisten sind offensichtlich nicht nur überzogen, sondern verharmlosen den tatsächlichen Faschismus. Trump hat seine politischen Gegner nicht verfolgt und in Lager gesteckt. Auch Hillary Clinton wurde trotz endloser Ankündigungen von Trump in Ruhe gelassen, wohingegen unter Joe Biden Staatsanwälte mit Parteibuch der Demokraten gegen Trump vorgingen.
Der deutsche Botschafter Andreas Michaelis misst mit zweierlei Maß, wenn er, wie am Sonntag geschehen, in seiner berechtigten Warnung vor einer Instrumentalisierung des Justizsystems durch Trump, dieses Vorgehen der Demokraten unterschlägt.

3) In Amerika herrscht seit jeher eine deutlich rauere Streitkultur

Seit Dwight D. Eisenhower wurde jeder republikanische Präsident von den Demokraten als „Faschist“ gelabelt. Die Republikaner revanchieren sich mit dem Vorwurf, die Demokraten seien Sozialisten. Beide Seiten übertreiben mit diesen Kampfbegriffen die innenpolitischen Differenzen der beiden Parteien maßlos – kritische Geister sollten sich davon nicht täuschen lassen. Auch während der ersten Amtszeit von Trump und der von Biden haben Demokraten und Republikaner Kompromisse geschlossen und überparteilich Gesetze auf den Weg gebracht.

Auch Ronald Reagan und Georg W. Bush wurden ähnlich wie Trump beschimpft und sind inzwischen als Staatsmänner allgemein anerkannt. Mit Trump könnte es nach seiner Amtszeit ähnlich aussehen – darauf deuten schon jetzt der nette Plauderton zwischen Obama und Trump bei der Trauerfeier von Ex-Präsident Jimmy Carter und die relativ versöhnlichen Worte von Biden nach der Wahl hin.

4) Gemeinsamkeiten von Republikanern und Demokraten

Demokraten als auch Republikaner liegen inhaltlich so nah beieinander, dass der amerikanische Schriftsteller Gore Vidal einmal scharfzüngig kritisierte: „Amerika hat ein Einparteiensystem mit zwei rechten Flügeln.“

So führte Biden etliche Vorhaben von Trump wie den Mauerbau an der mexikanischen Grenze – ein Fakt, der in deutschen Medien immer wieder nicht oder falsch dargestellt wird –, seine protektionistische Zollpolitik und die großen Investitionsprogramme fort. In der deutschen Berichterstattung erscheint die Auseinandersetzung zwischen Demokraten und Republikanern hingegen oftmals als Kampf zwischen Gut und Böse.

Fazit: Die deutschen Medien sind Weltmeister darin, Amerika zu belehren. Doch das Ende der ältesten Demokratie der Welt sollte am Antrittstag Trumps noch lange nicht ausgerufen werden.

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