15 Januar 2025

So beherrschen die Sozialdemokraten die Medien (NIUS)

SPD-Mann kommentiert SPD-Parteitag für die Tagesschau:
So beherrschen die Sozialdemokraten die Medien (NIUS)
Die Partei von Kanzler Olaf Scholz übt medial erheblichen Einfluss aus.
Von , 14.01.2025
In der Tagesschau durfte Tobias Bönte, ein Mitglied und Mandatsträger der SPD, als Journalist vom Parteitag seiner eigenen Partei berichten. Ein Unding, aber eines, das ein Schlaglicht auf den Einfluss der Sozialdemokraten auf die politische Berichterstattung im Lande wirft. Die Partei verfügt über eine weithin unbekannte Medienmacht.
Olaf Scholz hat gesprochen. Über eine Stunde auf dem SPD-Parteitag in Berlin. Ein mitreißender Redner war er noch nie, eher hölzern, nicht umsonst ist er in Hamburg als spröder „Scholzomat“ bekannt und berüchtigt. Sechs Wochen vor der Wahl steht er mit seiner zerfallenen Ampel-Koalition schwer angeschlagen da, die Partei dümpelt in Umfragen unterhalb der 15-Prozent-Marke. Schwerstarbeit, das alles positiv zu verpacken.
Aber Tobias Bönte vom Bayerischen Rundfunk (BR) schafft es: „Ja, er war kämpferisch und man hatte den Eindruck, er hat sich heute wirklich rundum wohlgefühlt auf dem Parteitag seiner Partei“, sagt der Mann vom Bayerischen Rundfunk, als er in der Tagesschau zugeschaltet wird. Offenbar meint es Tobias Bönte gut mit den Sozialdemokraten – was daran liegen könnte, dass er selbst einer von ihnen ist. Er sitzt für die SPD im Gemeinderat Anzing, ist dort zweiter Vorsitzender. Kommentiert also den Parteitag seiner eigenen Partei, da ist das so eine Sache mit der gebotenen journalistischen Distanz und der unvoreingenommenen Einschätzung.
Sarkastisch kommentierte der Journalist Philip Plickert bei X: „Ich würde gerne mal den Algorithmus sehen, mit dem die Tagesschau-Kommentatoren ausgewählt werden.“
Teil des „roten Imperiums“
Derselbe Algorithmus ermöglichte es jedenfalls, dass auch Kristina Dunz vor allem Gutes über die Rede des Noch-Bundeskanzlers zu sagen wusste. Er habe „die wichtigen Punkte der SPD angesprochen“, ganz erstaunlich, wenige Wochen vor der Wahl und wo der Genosse Olaf Scholz doch in Berlin offiziell als Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten nominiert wurde, simuliert allerdings noch ein bisschen Kritik: Er sei „keine Rede gewesen, die „zu Herzen geht“. Das Gegenteil hätte man dem Fernsehpublikum aber jetzt auch wirklich nicht verkaufen können.

Die um ihre Einschätzung gebetene Kristina Dunz – Dauergast in den öffentlich-rechtlichen Polit-Talkshows der Republik, von „Markus Lanz“ über „Maischberger“ und „Maybrit Illner“ bis zu „hart aber fair“ – ist seit Januar 2021 stellvertretende Leiterin der Hauptstadtredaktion des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND), welches die Deutschland-Zentralredaktion des Zeitungs- und Medienkonzerns Madsack ist. Die Madsack Mediengruppe wiederum, der z.B. die Sächsische Zeitung gehört, ist Teil des „roten Imperiums“, wie die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) schon vor Jahrzehnten das Medienvermögen der SPD nannte. Dieses ist in der Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG) gebündelt, einem zu 100 Prozent der Partei gehörenden Unternehmenskonzern.

Dieser hält zahlreiche Beteiligungen, nicht nur an Madsack (dort sind es 23,1 Prozent), ihm gehören beispielsweise 100 Prozent an der Neuen Westfälischen und 30 Prozent an der Neuen Presse Coburg, auch Radiosender gehören dazu. Der Verlagsgesellschaft Madsack gehören rund 155 Unternehmen, davon rund 20 regionale Tageszeitungen und deren reichweitenstarke Digitalangebote.

Das RND erreicht fast sieben Millionen Leser 

Während die Sozialdemokraten über dem Einfluss von Elon Musks Social-Media-Plattform X (Twitter) jammern und Regulierung, wenn nicht gar Enteignung fordern, versorgt das RND nach eigenen Angaben tagtäglich mehr als 60 Tageszeitungen mit einer Gesamtauflage von mehr als 2,3 Millionen Exemplaren und einer Gesamtleserzahl von rund 6,8 Millionen Menschen mit im Sinne der SPD interpretierter Wirklichkeit, also ideologischem Einheitsbrei, der mit journalistischer Vielfalt nichts zu tun hat.

Die Medien haben sich einmal als „vierte Gewalt“ bezeichnet, die nach ihrem Selbstverständnis das Handeln der Mächtigen kritisch begleitet. Davon kann schon lange keine Rede mehr sein. Immer wieder werden öffentlich-rechtliche Sender dabei ertappt, dass „Experten“ oder vermeintlich zufällig befragte Bürger zu Wort kommen, die sich nach kurzer Recherche als Mitglieder oder gar Mandatsträger von Parteien wie den Grünen, der SPD oder der Linken sind. Rundfunk und Zeitungen, deren Aufgabe doch eigentlich in der unabhängigen Information und Kontrolle über Staat, Politik und Parteien bestehen sollte, haben sich zu Wachhunden der Politik gemacht, die Kritiker vom Hof bellen oder mit tendenziösen „Faktenchecks“ zu diskreditieren versuchen.

Der mehr oder weniger direkte Einfluss einer politischen Partei wie der SPD auf die Berichterstattung unter anderem Dutzender einflussreicher Tageszeitungen mit großer Reichweite – selbst im blauen Sachsen ist die SPD Miteigentümer von drei der sechs Tageszeitungen – entgeht dem aufmerksamen Leser wegen des offensichtlichen Linksdralls des Contents zwar nicht, ist aber den meisten eher nicht bekannt. Vor vielen Jahren sagte Inge Wettig-Danielmeier, langjährige SPD-Schatzmeisterin, über den Einfluss der Partei auf die entsprechenden Blätter freimütig: „Wir haben Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre entschieden, dass wir uns im Wesentlichen mit Minderheitsbeteiligungen beteiligen.“ Und: „Auch dort, wo wir nur 30 oder 40 Prozent haben, kann in der Regel nichts ohne uns passieren.“ Tatsache ist: Niemand muss sich die Lektüre des öden „Vorwärts“ (1876 als „Central-Organ der Sozialdemokratie Deutschlands“ gegründete, alle zwei Monate erscheinende Parteizeitung), zumuten, um mit sozialdemokratischen Inhalten konfrontiert zu werden.

Auch Funke mischt mit linker Schlagseite mit 

Auch die sagenhafte Funke Mediengruppe, hervorgegangen aus der mit der NRW-SPD verfilzten WAZ-Gruppe, betreibt seit etlichen Jahren in Berlin eine Zentralredaktion, die sämtliche Medien des Unternehmens „mit Inhalten versorgt“. Die Funke Mediengruppe besitzt in Deutschland 13 Tageszeitungen, u.a. Berliner Morgenpost, Hamburger Abendblatt, Braunschweiger Zeitung, Westfälische Rundschau, Neue Ruhrzeitung und Westfälische Allgemeine Zeitung. Dazu diverse kostenlose Anzeigenblätter mit einer Auflage von ca. 9 Mio. Exemplaren pro Woche. Kein Wunder, dass es in den Nachrichten oft heißt, der Politiker X oder Y habe dies oder jenes „den Zeitungen der Funke Mediengruppe gesagt“. Auf Anhieb vermag kaum jemand zu sagen, um welche Zeitungen es sich handelt, aber es ist die Reichweite der vielen Lokalblätter, die den Politiker trotzdem gesprächig macht.

Und im Fernsehen kommentiert eben ein sozialdemokratischer Medienmann einen sozialdemokratischen Parteitag, eine Doppelrolle, die der Verpflichtung zu neutraler Berichterstattung eindeutig widerspricht. Es wird Zeit, über die verhängnisvolle Verbindung zwischen Politik und Medien zu sprechen, zumal letztere davon abhängig sind, dass der Staat die Zwangsgebühren für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk eintreibt und sogar vermeintlich unabhängige Redaktionen mit Millionenbeträgen verdeckt – etwa über Anzeigen – finanziert.

Auf Anfrage von NIUS teilte die Pressestelle des für die Tagesschau zuständigen Norddeutschen Rundfunks (NDR) mit, die Schalte zu Tobias Bönte sei kurzfristig erfolgt. Man habe den Fall „intern aufgearbeitet“, der Kollege werde „zu entsprechenden Themen zukünftig nicht mehr eingesetzt“. Immerhin. Die Frage ist nur, ob man den Fall zum Anlass nimmt, die Nähe zu den linken Parteien im Lande grundsätzlich infrage zu stellen oder ob man immer nur dann – und nur für kurze Zeit – aus solchen Vorfällen Konsequenzen zieht, weil die freien Medien oder Nutzer in den Social Media sie publik gemacht haben. Man wünscht jedenfalls gute Besserung!

Anmerkung der Redaktion:

In der ursprünglichen Version des Artikels stand irrtümlicherweise, dass der DDVG 40 Prozent an der Sächsischen Zeitung gehörten. Richtig ist vielmehr, dass die Sächsische Zeitung inzwischen zu 100 Prozent der Madsack-Mediengruppe gehört.

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