02 Dezember 2022

Headhunter über Einbürgerungs-Debatte „Niemand, wirklich niemand, träumt davon, nach Deutschland zu ziehen“ (Focus-Online)

Headhunter über Einbürgerungs-Debatte
„Niemand, wirklich niemand, träumt davon, nach Deutschland zu ziehen“
Die Bundesregierung hat ein Eckpunktepapier zur Einwanderung von Fachkräften beschlossen. Ob sich damit der Fachkräftemangel nachhaltig lösen lässt, bleibt abzuwarten. Denn wirklich attraktiv sei Deutschland für internationale Fachkräfte nicht, sagt ein Top-Recruiter. 
Was den Arbeitsmarkt in Deutschland betrifft, darf man Andrea Nahles eine gewisse Kompetenz zuschreiben. Im dritten Kabinett Merkel war sie Bundesministerin für Arbeit und Soziales, seit August 2022 ist die frühere SPD-Chefin Vorsitzende der Bundesagentur für Arbeit. In der „Süddeutschen Zeitung“ warnte Nahles dieser Tage: „Wir brauchen im Saldo 400.000 zusätzliche Arbeits- und Fachkräfte im Jahr.“ Und überhaupt: „ Deutschland ist ein Einwanderungsland.“
Passend dazu hat das Bundeskabinett am Mittwoch erste Vorschläge für eine leichtere Fachkräftezuwanderung beschlossen, die Teil eines größeren Pakets von Gesetzesvorhaben zur Asyl- und Migrationspolitik sind und auch einen schnelleren Zugang zum deutschen Pass umfassen. Heißt im Umkehrschluss, die Politik hat den Fachkräftemangel als Problem erkannt und will gegensteuern.
Doch reicht das? Ist Deutschland für internationale Fachkräfte wirklich das gelobte Land? Warten die gut ausgebildete Frauen und Männer der Welt nur darauf, endlich die offenen Stellen zwischen Flensburg und Oberstdorf zu besetzen?
„Ihr müsst mal in der realen Welt ankommen“
„Niemand, wirklich niemand, träumt davon nach Deutschland zu ziehen“, stellt Chris Pyak auf Twitter klar. Pyak ist Geschäftsführer von Immigrant Spirit, einer auf internationale Talente ausgelegten Recruiting-Agentur sowie Autor des Buches „How To Win Jobs & Influence Germans: The Expats' Guide to a Career in Germany”.
Anlässlich der Staatsbürgerschaftsdebatte, die auch auf Twitter mit harten Bandagen geführt wird, kann Pyak nur den Kopf schütteln. Als jemand, der in sieben Ländern gelebt und hunderten internationalen Fachkräften bei der Jobsuche in Deutschland geholfen habe, empfiehlt er: „Liebe Mitbürger - ihr müsst mal in der realen Welt ankommen!“
Auf Twitter führt Pyak unter anderem weiter aus:

„Fast alle meine Klienten sehen Deutschland als EINE von mehreren Karrieremöglichkeiten. Findet sich ein besseres Angebot in Holland, US, UK - dann gehen sie halt da hin.“

„Die Ausländer, die heute kommen, müssen nicht ‚dankbar‘ sein und auch nix beweisen. Die sind überwiegend BESSER ausgebildet als der Durchschnittsdeutsche.“
„Erst vorgestern berichtet mir eine indische Fachkraft dass sie von einem dt. Unternehmen abgelehnt wurde, mit der Begründung ‚wir stellen nur englischsprachige (!) ein‘. Die Frau hat einen Abschluss von PRINCETON.
„Zu denken, dem hochqualifiziertem Expat wäre es egal, wenn ihr gegen Asylanten hetzt. Ich hatte bereits mehrfach Coaching-Klienten, die dringend aus Ostdeutschland wegwollten. Auf der Straße in Dresden sah niemand ihren Doktortitel. Nur ihre dunklere Hautfarbe. Jeder von ihnen wurde regelmäßig beschimpft, bespuckt, bedroht. So viel kann kein Arbeitgeber zahlen, dass fähige Menschen sich so erniedrigen lassen.“
„Eine frühere indische Klientin von mir hat nach einem Jahr ihren Forschungsjob gekündigt und ist weggezogen. Damit war das Forschungsprojekt des Arbeitgebers tot. Alle (deutschen) Laborassistentinnen wurden entlassen. Grund: Die Deutschen waren unfreundlich und sie fühlte sich isoliert. Kein Einzelfall, sondern der Regelfall. Deutschland hat einen schlechten Ruf bei hochqualifizierten Fachkräften.“

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