China steht vor dem Scherbenhaufen seiner No-Covid-Ideologie. Sie hatte auch in Deutschland Fans – von Spitzenpolitikern und Virologen bis hin zu namhaften Soziologen und Journalisten. Dass sich dieser totalitäre Irrweg bei uns nicht durchsetzte, hat nur eine Ursache.
Wer heute die Bürgerrechte in China anmahnt, muss somit auch über das Staatsverständnis Auskunft geben, das er selbst in den letzten Jahren vertreten hat. Eine intellektuelle Herausforderung, wie sie etwa in der Stellungnahme des Bundespräsidenten zu den jüngsten Ereignissen deutlich wird. Er äußert sein Verständnis für die chinesischen Demonstranten, hat aber ein moralisches Problem: Anfang des Jahres hatte für ihn „der Spaziergang seine Unschuld verloren“. Es ging um jene Demonstranten, denen im Lockdown das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aberkannt worden war.
Im Dezember 2020 galt China in Deutschland bereits als Gralshüter einer effektiven Pandemiepolitik. Die Erfinder des Lockdowns in Wuhan? Vorbildlich, nicht zuletzt für Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Die totalitäre chinesische No-Covid-Ideologie war damals längst in unserer Gesellschaft angekommen. Die Idee einer Eliminierung des Virus hatte sich festgesetzt: Wenige Tage nach dem Merkel-Auftritt auf einem Digitalgipfel wurde eine Verschärfung des schon im November 2020 verhängten Lockdowns beschlossen. Jetzt fehlte nur noch der ideologische Überbau, der die politische Praxis mit einer passenden Theorie adelte. „Ein sehr guter Anfang“, so nannte das der Virologe Christian Drosten auf Twitter, wo er eine am 20. Januar 2021 in der „Zeit“ vorgestellte No-Covid-Kampagne empfahl.
Wie so eine konzertierte PR-Kampagne für eine politische Idee aussieht, konnte man damals sehen. Als am 26. Januar 2021 auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ enthusiastisch Werbung für „No-Covid“ machte, wurde sie von Drosten auf Twitter ebenfalls dafür gelobt: „Ohne Vision geht es nicht.“
Auf einer sehr professionellen, aber seitdem nicht mehr aktualisierten Webseite mit dem Namen nocovid-europe.eu, die sich allerdings lediglich mit Deutschland beschäftigte, steht das auch von der „Zeit“ veröffentlichte No-Covid-Manifest mit dem Titel „Eine neue proaktive Zielsetzung für Deutschland zur Bekämpfung von SARS-CoV-2“, publiziert am 18. Januar 2021 von einer multidisziplinär zusammengesetzte Gruppe, zu der unter anderem die Virologin Melanie Brinkmann, der Soziologe Heinz Bude, der Physiker Dirk Brockmann, der Ökonom Clemens Fuest und der Mediziner Michael Hallek gehörten. Diese Gruppe politiknaher Berater durfte ihren Plan damals sogar dem Bundeskanzleramt und den Ministerpräsidenten unterbreiten.
Unter
den Autoren des Papiers findet sich auch der Bonner Politikwissenschaftler
Maximilian Mayer, der zu Beginn der Pandemie zusammen mit dem Mao-Verehrer Otto
Kölbl den Aufsatz „Learning from Wuhan“ verfasst und dann als Co-Autor des
sogenannten „Panik-Papiers“ des Bundesinnenministeriums den
chinesischen Weg der Pandemiebekämpfung empfohlen hatte.
Parallel zum No-Covid-Manifest erschien am 17. Januar 2021 außerdem noch ein „ZeroCovid“ genannter Aufruf, der das mehr
oder weniger gleiche Anliegen unter anderem Etikett verkaufte und mit
antikapitalistischer Folklore anreicherte. Zu seinen Erstunterzeichnern
gehörten der WDR-Journalist Georg Restle, die Autoren Margarete Stokowski und
Mario Sixtus, außerdem die Klimaaktivistin Luisa Neubauer.
Fast zwei Jahre später funktioniert No-Covid noch nicht einmal mehr in einem
totalitären Sonnenstaat wie China. Und die deutschen Verfechter der Idee? Sie
schweigen dazu so laut, dass man fast das Rascheln ihrer alten Strategiepapiere
hört.
Dass
sich No-Covid bei uns nicht durchsetzte, lag nicht an der Vernunft der
Protagonisten oder an deren Skrupeln bei der Umsetzung.
Den einzigen Schutz boten die Institutionen einer offenen Gesellschaft: Zwar
konnte man Kritiker als Staatsfeinde denunzieren, aber nicht als Staatsfeinde
zum Schweigen bringen.
Der Föderalismus setzte bei uns den No-Covidianern effektive Grenzen. Nicht
zuletzt der frühere NRW-Ministerpräsident Armin Laschet war politisch ein
Gegenpol zu Angela Merkel, die ihre Sympathien für den chinesischen Kurs
deutlich durchscheinen ließ. Die versuchte Monopolisierung wissenschaftlicher
Erkenntnis scheiterte, weil Experten wie Klaus Stöhr auf Dauer nicht überhört
werden konnten.
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