Rote Republik. Deutschland ein Einparteien Staat?
Übermächtige SPD: Top-Positionen im Lande sind rot besetzt
Gabor Steingart , 06.12.2022
Guten Morgen,
über den Niedergang der SPD ist viel geschrieben worden. Schon 1983 rief
Ralf Dahrendorf das „Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts” aus.
Auch Peer Steinbrück kommt in seinem Buch „Das Elend der
Sozialdemokratie” zu dem Urteil.
Man muss schon ein sehr
blinder Parteisoldat sein, wenn einem in der Reihe von drei knackig
verlorenen Bundestagswahlen nicht die Erkenntnis kommt, dass die SPD vor
sehr grundsätzlichen Fragen steht. Die
seither weiter schrumpfenden Zahlen von Mitgliedern und Wählern
bestätigen den Trend. Seit den siebziger Jahren, als Willy Brandt der
Kanzler der Bundesrepublik und das Idol aller Sozialdemokraten war, hat
sich die Mitgliederzahl von 950.000 auf 390.000 mehr als halbiert.
Olaf Scholz holte bei der Bundestagswahl 2021 25,7 Prozent der Stimmen
Zur
Bundestagswahl 2021 war dasselbe Trauerspiel zu besichtigen. Bei der
Willy-Wahl im Jahr 1972 erreichte Deutschlands älteste Partei noch ein
Top-Ergebnis, weil 41,4 Prozent der Wahlberechtigten dort ihr Kreuz
gemacht hatten. Bei der Gerhard Schröder Wahl im Jahr 1998 waren es noch
33,2 Prozent aller Wahlberechtigten. Olaf Scholz holte bei der
Bundestagswahl 2021 25,7 Prozent der abgegebenen Stimmen und angesichts
einer Wahlbeteiligung von nur 76,6 Prozent waren das nur noch 19,5
Prozent aller Wahlberechtigten. Über 80 Prozent der Deutschen haben
demnach nicht SPD gewählt.
Doch
wenn die SPD eines beherrscht, dann ist es die Personalpolitik. Es gibt
kein anderes Feld, auf dem die Sozialdemokratie derart erfolgreich
taktiert und finalisiert. Hier beweist sie den Hang zum Tor.Tableau der Spitzenpositionen: Deutschland ein Ein-Parteienstaat?
Wenn
man sich das Tableau der Spitzenpositionen in Deutschland betrachtet,
könnte man denken, die Bundesrepublik sei ein Ein-Parteienstaat. Man
kennt sich, man schätzt sich: OneLove. Unser
Staatsoberhaupt, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier , trägt das
SPD -Parteibuch dicht am Herzen. Dass die Menschen ihn nicht sonderlich
mögen, hat er schriftlich. Er holte 2009 mit 23 Prozent der abgegebenen
Stimmen das zweitschlechteste SPD-Wahlergebnis der Nachkriegsgeschichte.
Nur Martin Schulz war schlechter. Die formale
Nummer No. 2 der Bundesrepublik ist der Bundestagspräsident. Dieses hohe
Amt bekleidet Bärbel Bas, SPD. Besondere politische Verdienste sind
nicht überliefert Den Regierungschef stellt mit
Olaf Scholz bekanntlich ebenfalls die SPD . Die von ihm geführte
Regierung besitzt laut allen demoskopischen Befunden derzeit keine
regierungsfähige Mehrheit. Das macht nichts. Am Tag der letzten
Bundestagswahl lag die SPD vorn. Das zählt. Das
Militär der Bundesrepublik – vor allem also die Bundeswehr mit ihren
mehr als 250.000 Mitarbeitern und der Militärische Abschirmdienst – wird
geführt von Christine Lambrecht, Sozialdemokratin . Sie verantwortet
auch das 100 Milliarden Zeitenwende-Programm des Kanzlers.
Für
die innere Sicherheit – inklusive Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt
und Generalstaatsanwaltschaft – ist an oberster Stelle die
Innenministerin verantwortlich, die Sozialdemokratin Nancy Faeser. Über
das größte Budget im Bundeshaushalt , den Sozialetat, verfügt Hubertus
Heil, Sozialdemokrat. Eben erst ist es ihm gelungen, das Bürgergeld
einzuführen. Der Notenbank-Präsident des Landes
und damit der Chef der Deutschen Bundesbank und unser ranghöchster
Vertreter in der EZB heißt Joachim Nagel, langjähriges Mitglied der
Sozialdemokraten . Die Bundesanstalt für Arbeit –
eine Behörde mit knapp 100.000 Mitarbeitern und einem Jahresbudget von
38 Milliarden Euro in 2022 – wird von der ehemaligen SPD-Vorsitzenden
Andrea Nahles geführt. Sie ist eine leidenschaftliche Scholz-Loyalistin.
Was für uns der Herr Bundeskanzler ist, ist für sie „der Olaf“. Die
Vorsitzende des ZDF-Verwaltungsrates ist Malu Dreyer, SPD. Im
Hauptberuf Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. Ihre Staatskanzlei
und die Hauptzentrale des ZDF auf dem Lerchenberg liegen in Mainz nur 15
Autominuten auseinander. Das ist nicht links, aber praktisch.
2023
wird alles noch schöner für die SPD. Dann übernimmt Kai Gniffke den
ARD-Vorsitz , SPD-Mitglied seit Anfang der achtziger Jahre. Gelebte
Staatsferne, ganz wie vom Verfassungsgericht gewünscht. Die
Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, immerhin 1,9 Millionen
Mitglieder zählt Deutschlands zweitgrößte Gewerkschaft Verdi, hören auf
das Kommando von Frank Werneke , SPD. Zusammen mit Malu Dreyer sitzt er
im ZDF Verwaltungsrat. Doppelt hält besser. Die
IG-Metall, Europas größte Einzelgewerkschaft, befindet sich ebenfalls
fest in SPD-Hand . Der Sozialdemokrat Jörg Hofmann hat hier das Sagen. An der Spitze des Deutschen Gewerkschaftsbundes steht die ehemalige SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Europas
größter Automobilkonzern, die Volkswagen AG, ist dank der Stimmen von
IG Metall Chef Hofmann, SPD Ministerpräsident Stephan Weil und den
Mandaten zahlreicher SPD-Betriebsratsmitglieder sozialdemokratisch
dominiert. Um nicht allein auf ihre gut
nachbarschaftlichen Beziehungen zu ARD und ZDF angewiesen zu sein,
besitzt die SPD über die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (ddvg)
Beteiligungen an über 40 deutschen Tageszeitungen , darunter die Dresdner
Neueste Nachrichten, die Frankfurter Rundschau, die Hannoversche
Allgemeine Zeitung, die Kieler Nachrichten, die Leipziger Volkszeitung,
die Lübecker Nachrichten, Ostsee-Zeitung, die Märkische Allgemeine
Zeitung, die Morgenpost Sachsen, Sächsische Zeitung, die Neue Presse
Coburg, die Neue Presse Hannover und die Neue Westfälische. Chef des
sozialdemokratischen Mediengeschäfts ist der SPD-Schatzmeister Dietmar
Nietan. Auch das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) der Madsack
Mediengruppe in Hannover – das über 60 Zeitung mit einer
Gesamtreichweite von rund 7 Millionen Lesern mit News und Kommentaren
aus der Bundeshauptstadt beliefert – gehört zum Reich der SPD
Medienbeteiligungen. Die größte Kommanditistin von Madsack ist mit 23,1
Prozent die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft der SPD , siehe oben. Last
but not least: Auch im DFB ist die SPD würdig vertreten. Sie stellt mit
Bernd Neuendorf den DFB-Präsidenten. In seinem Vorleben war er Sprecher
des SPD-Parteivorstands und davor Geschäftsführer der NRW-SPD . Ein
studierter Soziologe, also in Sachen Fußball vom Fach.
Fazit:
Diese Übermacht der SPD muss man nicht gleich bösartig oder gefährlich
nennen. Aber sie ist zumindest ungewöhnlich – und angesichts der
geschrumpften Bedeutung der SPD für die Wähler auch unangemessen. Der
Wunsch der Gesellschaft und insbesondere auch der SPD nach „Diversity“
verhallt in den eigenen Reihen ungehört. Es klingt wie eine Polemik und
ist nichts als die Wahrheit: Die wichtigsten Positionen im Lande sind
nicht vielfältig besetzt, sondern rot.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen