19 Dezember 2022

Business Class Edition:  Klima: Europa wird grün, China stark

Business Class Edition: 
Klima: Europa wird grün, China stark
Guten Morgen,
in der politischen Berichterstattung herrschen Regeln, die uns in der Fußballberichterstattung absurd vorkommen würden. Liebevoll beschreibt man das Spiel der eigenen Mannschaft. Die Angriffswellen und auch die Torschüsse des Gegners würdigt man keines Blickes.
Womit wir bei den Brüsseler Korrespondenten und den Ergebnissen des EU-Klimagipfels wären. Die werden heute Morgen als Durchbruch in eine CO2-freie Zukunft abgefeiert, ohne sie in Beziehung zum Angriffsspiel der Volksrepublik China zu setzen.

Fakt ist: Nach den zwei Tage andauernden Verhandlungen haben sich die europäischen Unterhändler auf eine beschleunigte Dekarbonisierung der europäischen Industrie verständigt.

1. Der Emissionshandel ist das zentrale Instrument, damit Europa bis 2050 klimaneutral werden soll. Künftig muss für jede Tonne CO2, die in der Produktion entsteht, ein Zertifikat gekauft werden. Von Jahr zu Jahr sinkt die Zahl der ausgegebenen Zertifikate, darum steigt ihr Preis.

2. Die Schonfrist für die europäische Exportindustrie läuft ab. Es gibt künftig keine Gratis-Zertifikate mehr für Produktionen, die ins Ausland verschifft werden. Die Stahlindustrie und auch der Maschinen- und Anlagenbau dürften leiden.

3. Zwar sollen auch die CO2-Sünder anderer Kontinente für ihre Sünden zahlen müssen, in Gestalt von CO2-Strafzöllen an der Landesgrenze. Allerdings wird es diese CO2-Grenzsteuer erst im Januar 2026 geben. Man müsste erst noch die IT-Systeme umstellen, heißt es in Brüssel.

Womit wir beim Spiel der gegnerischen Mannschaft gelandet wären. Die zur Zeit zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, die bald die Nummer eins sein wird, schlägt ein völlig anderes, ein deutlich gemütlicheres Tempo an.
Auch die Volksrepublik China investiert massiv in die Elektromobilität und in die Stromerzeugung aus Sonne und Windkraft. Aber, und das ist der entscheidende Unterschied, das Wirtschaftswachstum hat weiter Vorrang vor der CO2-Reduktion. „Aktiv und umsichtig“ werde man auf die Klimaneutralität hinarbeiten, sagte KP-Generalsekretär Xi zum Auftakt des Parteitages. Das Wort umsichtig ist die Chiffre für langsam.





Auf dem Parteitag wurde denn auch in großer Offenheit die Absicht bekräftigt, den Kohleabbau und die Kohleverstromung auf ein neues Allzeithoch zu treiben. Das eben ist die etwas andere Spielstrategie unseres ökonomischen Rivalen:
1. Die CO2-Emissionen in China werden bis zum Ende des Jahrzehnts weiter Jahr für Jahr zunehmen, so sieht es der Plan vor. Insgesamt werden die CO2-Emissionen in diesem Jahr um fast 300 Millionen Tonnen auf 33,8 Milliarden Tonnen ansteigen. China ist und bleibt damit der größte Kohlekonsument der Welt.
(Anm.: Die Klimajünger werden jetzt auf den Pro-Kopf-Ausstoß verweisen. Dem Klima ist es aber egal, wie kleinteilig das Co2 in die Atmospäre gelangt. Für das Klima zählt nur die Gesamtbelastung)
2. Im Zentrum allen Denkens steht die Energiesicherheit, um das Wachstums- und Wohlstandsversprechen für das Milliardenvolk erfüllen zu können. Nach der Stromknappheit im vergangenen Herbst hat China die Regeln gelockert und mehrere Landesteile treiben die Genehmigung und den Bau neuer Kohlekraftwerke voran. Das berichtet die Energieexpertin Yan Qin von der Wirtschafts-Analysefirma Refinitiv in Norwegen.



3. Auch in der chinesischen Afrikapolitik beobachten wir ein doppeltes Spiel. Der bisher größte Finanzier der Kohleförderung in Afrika hat eben erst das Versprechen abgegeben, dass der Staat nicht länger in die dortige Kohlewirtschaft investieren wolle. Eine Präzisierung aber, was das für den chinesisch-afrikanischen Technologietransfer, die private Finanzierung und überhaupt die Fortführung der bislang schon zugesagten Milliardenprogramme zum Ausbau der Kohleförderung bedeutet, fehlt bis heute.

Fazit: Das unterschiedliche Spiel der europäischen und der chinesischen Mannschaft führt zu einem Ergebnis, das Europa so nicht wollen kann. Der weltweite CO2-Ausstoß steigt, die hiesige Wettbewerbsfähigkeit sinkt. Viele der heute noch aktiven Familienunternehmer werden bald womöglich zur „Last Generation“ gehören. Europa wird grün und China stark.

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