Deutschlands Fachkräfte-Fiasko: wie man Leistungsträger abschreckt und Leistungsempfänger anzieht (NZZ)
Die
Ampel-Koalition will Ausländern den Zugang zum Arbeitsmarkt
erleichtern. Gute Idee. Aber das Land ist für gut ausgebildete Menschen
längst nicht mehr so attraktiv wie früher.
Fangen wir mit einem Lob an: Es ist richtig, dass die deutsche Regierung etwas gegen den Fachkräftemangel im Land tun will.
In vielen Branchen können Unternehmen freie Stellen nicht besetzen,
weil geeignete Bewerber fehlen. Das ist kein Luxusproblem, sondern eine
Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit der Firmen und den Wohlstand des
ganzen Landes.
Erstes
Beispiel: Reicht die anerkannte Qualifikation eines Ausländers, um eine
bestimmte Arbeitsstelle anzutreten? Die Regierung will diese
Entscheidung künftig dem Arbeitgeber überlassen. Gut so. Unternehmen
wissen am besten, wen sie brauchen und was ihre Mitarbeiter können
müssen. Sie brauchen dafür kein grünes Licht eines Beamten.
Zweites
Beispiel: Für IT-Spezialisten gelten in Deutschland heute schon
Sonderregeln, künftig sollen sie auch keinen Nachweis von
Deutschkenntnissen mehr vorlegen müssen. Auch das ist sinnvoll.
Sprachkenntnisse sind wichtig, aber Kenntnisse in Programmiersprachen
sind im internationalen Wettbewerb noch wichtiger. Ein Land, das
besonders umkämpfte Fachkräfte anziehen will, muss pragmatisch sein.
Deutschland ist nicht mehr so attraktiv wie früher
Doch
ein bisschen mehr Pragmatismus und etwas weniger Bürokratie im Umgang
mit Fachkräften werden nicht ausreichen. Deutschland mag noch die
grösste Volkswirtschaft Europas sein, aber das Land ist längst nicht
mehr so leistungsstark und attraktiv wie früher einmal. Die Gründe sind
vielfältig.
«Make it in Germany»
heisst das Portal, mit dem die deutsche Regierung im Netz um Fachkräfte
wirbt. «Make it» – das klingt nach: beruflichen und privaten Erfolg
haben, Wohlstand aufbauen, ein Häuschen haben, den Kindern eine gute
Zukunft bieten. In Deutschland ist all das schwierig geworden. Die
Steuerlast ist so hoch wie in kaum einem anderen westlichen Land, und
sie wird wohl weiter steigen. Immobilien sind kaum noch bezahlbar. Auf
dem Land, vor allem im Osten, erleben Menschen, denen man ihre fremde
Herkunft ansieht, oft rassistische Anfeindungen. Und die Qualität
zumindest der öffentlichen Schulen ist vielerorts miserabel.
Sicher,
Deutschland ist im globalen Massstab immer noch ein relativ reiches und
sicheres Land. Aber andere Länder bieten bei den Faktoren, die mit
darüber entscheiden, ob man «es schafft» im Leben, wesentlich bessere
Voraussetzungen, und damit ist nicht nur die Schweiz gemeint. Wer eine
gefragte Fachkraft und mobil ist, hat heute viele Gründe, sich gegen
Deutschland zu entscheiden. Dafür kommen dann andere.
Leistungsempfänger statt Leistungsträger
Die
Millionen Migranten, die in den vergangenen Jahren aus Syrien,
Afghanistan, dem Irak oder aus afrikanischen Staaten nach Deutschland
geströmt sind, sind überwiegend nicht diejenigen, die das Land so
dringend braucht, also Ärzte, Ingenieure, Handwerker oder Programmierer.
Es sind Menschen, die den Staat überproportional als Leistungsempfänger
belasten und ihm nicht als Leistungsträger zur Verfügung stehen. Von
den vielen Syrern in Deutschland leben beispielsweise, je nach
Schätzung, zwei Drittel bis drei Viertel ganz oder teilweise von Hartz
IV (künftig «Bürgergeld»).
Ernstgemeinte
Anstrengungen, diese Migration in die Sozialsysteme zu begrenzen oder
abgelehnte Asylbewerber ohne Perspektive auszuschaffen, sind in der Ampel-Koalition nicht zu erkennen.
Das liegt vor allem an SPD und Grünen. Die beiden linken
Regierungsparteien stellen Migration pauschal als Segen dar. Je «bunter»
das Land, desto besser.
Auch
die deutsche Staatsbürgerschaft wollen SPD und Grüne künftig unter
überschaubaren Voraussetzungen anbieten, nur ein Teil der mitregierenden
FDP probt noch den Aufstand (vermutlich nicht allzu lange). Er fände es
«sehr gut, wenn diejenigen, die so lange bei uns leben, sich auch dafür
entscheiden, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben», sagt Kanzler
Olaf Scholz. Was für eine Botschaft.
Deutschland
fragt nicht, so wie jedes normale Land der Welt: Bist du würdig, zu uns
zu gehören – und kannst du das durch deine Arbeit, deinen Spracherwerb,
dein soziales Engagement, dein Interesse an unserer Geschichte und
Kultur belegen? Scholz-Deutschland fragt: Sind wir deiner würdig?
Kleiner kann man sich kaum machen.
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