Der Staat demonstrierte seine Machtfülle, indem er 3000 Mann zur Festnahme einer Handvoll Personen ausrücken liess. Das wäre plausibel, wenn es sich bei der Gruppe um eine bis an die Zähne bewaffnete, mit Sprengstoffwesten ausstaffierte Terroristenzelle gehandelt hätte. Bei den Rädelsführern und einem guten Teil der Gruppe handelt es sich jedoch um Personen im fortgeschrittenen Alter. Rentner sind schlechte Rambos.
Auch die Vorbereitung zeugt mehr von Aufschneiderei und Grossmannssucht als von professioneller Planung. Das von der Polizei sichergestellte Waffenarsenal ist überschaubar: geeignet für den Überfall auf eine Pommes-Bude, aber nicht für den Bundestag, der mit seinen verschiedenen, durch Tunnel und Passerellen verbundenen Gebäuden ein eigenes Stadtviertel ist.
Selbst wenn einige der Möchtegern-Verschwörer ins Parlament eingedrungen wären und dort Personen gekidnappt hätten, hätte ein Sondereinsatzkommando dem Spuk vermutlich rasch ein Ende bereitet.
Vor allem hätte eine Aktion im Bundestag keine Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der übrigen Staatsorgane gehabt. Niemand hätte sich den pensionierten Wirrköpfen angeschlossen. Dilettantischer kann man einen Staatsstreich nicht planen. Wenn seine übelsten Feinde so aussehen, kann der deutsche Michel ruhig weiter dösen.
Mit der Grossrazzia wollen die Behörden vor allem abschrecken
Warum also setzte der Staat sein ganzes Arsenal bis hin zur GSG 9 in Bewegung? Warum sprach Innenministerin Nancy Faeser von einem «Abgrund einer terroristischen Bedrohung», und warum trat am Abend des Geschehens der sonst so öffentlichkeitsscheue Generalbundesanwalt vor die Presse?
Die Vermutung liegt nahe, dass es sich beim eigentlichen Motiv um etwas handelt, was Juristen verschämt Generalprävention nennen – oder in weniger gestelztem Deutsch: um Abschreckung. Man wollte dem auf 20 000 Personen geschätzten Narrensaum der Reichsbürger eine Lektion erteilen und die AfD ein weiteres Mal delegitimieren.
Thüringens Innenminister Georg Maier gab den Ton vor, als er behauptete, die Reichsbürger würden sich «mit der AfD, mit anderen rechtsextremistischen Gruppen und mit der Querdenker-Szene» vernetzen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass in Erfurt nur eine Minderheitsregierung amtiert, weil die AfD die zweitstärkste Partei im Landtag ist.
Die thüringische SPD-Abgeordnete Dorothea Marx fordert gar ein Verbot der Partei. Man will die AfD loswerden, was ein durchaus verständlicher Wunsch ist. Weil das aber nicht im demokratischen Wettbewerb gelingt, soll dies auf anderen Wegen geschehen.
Solche leicht durchschaubaren Versuche, die Partei anzuschwärzen, dürften das Gegenteil bewirken. Die AfD kann sich umso besser als Outlaw stilisieren. Die gegen alle nachrichtendienstlichen Gepflogenheiten laut angekündigte Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz beeinträchtigt ihren Erfolg an den Wahlurnen jedenfalls nicht.
Heribert Prantl, einer der grossen Kommentatoren des deutschen Journalismus und kein Freund rechtsextremer Umtriebe, sieht einen weiteren Grund, weshalb eine allzu forcierte Abschreckungsstrategie scheitert. Er schrieb in der «Süddeutschen Zeitung», die Zerschlagung der obskuren «Prinzengarde» unter ihrem Anführer Heinrich XIII. zu Reuss richte bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus mehr Schaden als Nutzen an, «weil der Rechtsextremismus nun als eine eigentlich lächerliche Veranstaltung gelten könnte».
Tatsächlich sendete die «Heute-Show» des ZDF einen Sketch, der die Reichsbürger als zwischen Senilität und Debilität schwankende Knallchargen zeigt. Dass sich in dem Milieu gewaltbereite Rabauken tummeln, kann angesichts des in Cordhose und Sakko gewandeten Opas Prinz Reuss leicht vergessengehen.
Wer einen Angriff überlebt, hat ihn nicht überstanden
Will die Demokratie als wehrhaft erscheinen, muss sie alle Bedrohungen gleichermassen ernst nehmen. Geht sie stattdessen selektiv vor, weckt sie damit nur den Verdacht einer politischen Instrumentalisierung. Wer Gefahren gegeneinander ausspielt, wirkt alsbald, als wäre er auf einem Auge blind. Daher schadet Innenministerin Faeser ihrem Anliegen, wenn sie oft über Rechtsextremismus und militante Querdenker spricht, aber nur selten über Linksextremismus, Islamismus und andere Gefahren.
Zumal eine offensichtliche Gefahr in fast schon verdächtiger Weise vernachlässigt wird. In regelmässigen Abständen werden in Deutschland Menschen Opfer von Messerattacken, die von Migranten verübt werden. Jüngst tötete ein Eritreer in Illerkirchberg bei Ulm ein 14-jähriges Mädchen und verletzte deren Freundin schwer.
Im Oktober tötet ein Somalier in Ludwigshafen zwei Männer und verletzt einen schwer. Im September verletzt ein «Allahu akbar» rufender Mann zwei Passanten mit dem Messer, bevor er von der Polizei erschossen wird. Im Juli verurteilt ein Gericht einen somalischen Flüchtling zur Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik. Er hatte im Vorjahr in Würzburg drei Frauen erstochen und sechs Personen verletzt. Im Mai verletzt ein Iraker in einem Zug bei Herzogenrath im Rheinland fünf Menschen.
Wer einen Angriff überlebt, hat ihn nicht überstanden. So ist ein Opfer des Würzburger Blutbads seither an den Rollstuhl gefesselt. Ein weiterer Verletzter hat einen gelähmten Arm, und eine damals 11-Jährige wird nie vergessen, wie vor ihren Augen die 49-jährige Mutter erstochen wurde.
Nach der Tat sagte der somalische Flüchtling, er habe so viele Menschen wie möglich töten wollen, weil er in Deutschland keine Gerechtigkeit erfahren habe. Jahrelang sei er gequält worden. Aus solchen Worten spricht nicht Undankbarkeit, sondern eine pathologische Störung. In deutschen Flüchtlingsunterkünften leben tickende Zeitbomben – und niemand schaut hin.
Obwohl bei jeder dieser Attacken Menschen sterben, verletzt und traumatisiert werden, treten weder die Bundesinnenministerin noch der Generalbundesanwalt deswegen in den Hauptnachrichten auf. Man hört zwar, wie Politiker pflichtschuldig nach Floskeln der Betroffenheit suchen, doch dann gerät die Tat in Vergessenheit. Nach kurzer Zeit sind es ohnehin andere Politiker in einer anderen Stadt, die ihr «Entsetzen» und ihre «Fassungslosigkeit» bekunden müssen.
Die Polizei ermahnt die Bürger, als wären diese kleine Kinder
Gleichzeitig behandelt man die Bürger, als wären sie ein blutrünstiger Lynchmob. Die Polizei appellierte nach der Bluttat in Illerkirchberg an die Öffentlichkeit, «keinen Generalverdacht gegen Fremde, Schutzsuchende oder Asylbewerber allgemein zu hegen oder solchem Verdacht Vorschub oder Unterstützung zu leisten». Denn «Ereignisse dieser Art schüren Ängste und Emotionen». Angst zu haben, ist offenkundig verboten. Ausser die Bürger haben vor den richtigen, also regierungsamtlich erlaubten Dingen Angst.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann warnte zudem davor, irgendwelche Zusammenhänge zur Flüchtlingspolitik herzustellen, bevor die Tat wirklich aufgeklärt sei. Es ist sicher kein Zufall, dass ein Politiker der Grünen, die in der Bundesregierung am vehementesten für eine Lockerung des Ausländerrechts eintreten, eine solche Warnung ausspricht – gemäss der Devise: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.
Auch
die anderen Parteien, denen sonst kein Thema zu gering erscheint, um
darüber ausgiebig zu streiten, sind auffällig ambitionslos, wenn es um
die Begleiterscheinungen von Angela Merkels Willkommenskultur geht.
Nicht nur CDU und CSU, sondern auch die Sozialdemokraten tragen für
diese Politik schliesslich direkte Verantwortung.
Die wenigsten der Messerangriffe haben einen terroristischen Hintergrund. Es handelt sich nicht um staatsgefährdende Delikte. Die Migranten sind verzweifelt und verbittert nach Jahren des perspektivlosen Wartens in einer Flüchtlingsunterkunft; viele sind nicht schuldfähig. Tragische Einzelschicksale also, und dennoch verdienen die Taten mehr Aufmerksamkeit – und sei es nur, um zu verhindern, dass weitere Unschuldige getötet oder physisch und psychisch verletzt werden.
Es bleibt falsch, Bedrohungen gegeneinander aufzurechnen. Innere Sicherheit ist unteilbar. Weder das 14-jährige Mädchen in Illerkirchberg noch die 49 Jahre alte Mutter in Würzburg würden noch leben, wenn der Staat die Reichsbürger mit weniger Inbrunst verfolgen würde. Aber in einem Moment, in dem die deutsche Polizei ausschwärmt, um einer durchgeknallten «Prinzengarde» habhaft zu werden, wird schmerzhaft klar, wie gleichgültig den Parteien die Konsequenzen ihrer Migrationspolitik sind.
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