Historikerin rät deutschen Medien zu mehr Selbstkritik und Transparenz
Die Historikerin Ute Daniel, Professorin an der TU Braunschweig, hat in einem Interview mit der Braunschweiger Zeitung am 03.05.2022 zum Tag der Pressefreiheit deutschen Medien zu mehr Selbstkritik und Transparenz geraten. Ich fürchte, ihre Mahnung wird in der Flut der Berichte der Medien am Tag der Pressefreiheit ("Pressefreiheit unter Beschuss") untergehen. Deshalb halte ich hier einen Auszug fest.
Die Kriegsberichterstattung ist eines ihrer historischen Forschungsthemen und in diesem Zusammenhang sagt sie u.a.: „In der Kriegspropaganda ging und geht es darum, neutrale Staaten zu beeinflussen, um sie zum Kriegseintritt auf der einen oder anderen Seite zu bewegen. In den neutralen Ländern muss man also besonders vorsichtig sein, was die Korrektheit und Tendenz der Medien-Inhalte betrifft.“
Und auf die Frage, ob sie im Ukraine-Krieg auch bei uns Erfolge der Kriegspropaganda sehe:
„Sehr bedrohlich finde ich im Moment, wie ein nicht unbedeutender Teil der deutschen Medien (Anmerkung: insbesondere der Öffentlich-Rechtlichen) zu einem Überbietungswettbewerb bei der Forderung nach schweren Waffen für die Ukraine eingestiegen ist. Natürlich ist nicht zu bestreiten, dass die Ukraine Waffen braucht, um sich zu verteidigen. Aber man muss auch fragen, bis zu welchem Punkt ihnen und der Welt mit einer Eskalation geholfen ist“.
Auf die Frage, wie sie sich solche Überbietungsdynamiken erklärt, antwortete sie:
„Ich glaube, das ist ein Gemeinschaftswerk von Politik und Medien. Natürlich ist es recht und billig, dass die Opposition und die ihr nahestehenden Medien die Regierung kritisieren und schwere Waffen fordern. Auf der anderen Seite gibt es auch Medien und Politiker, die sich mitreißen lassen von einem verständlichen, aber völlig unreflektierten Gefühl der Verzweiflung über all das Furchtbare, was in der Ukraine passiert. Ich nenne das mal: „Hofreiter Syndrom“. Neben solch naiven Gefühlen gibt es auch handfeste Interessen, etwa in den USA, dass die Ukraine einen Stellvertreterkrieg gegen Russland für den Westen führen soll. Ich finde die Vorstellung ungeheuerlich. Das ist das letzte, was man der Ukraine wünschen kann – auch, weil sie nicht gewinnen können. Napoleon und Hitler sind schon mit weitaus größeren Möglichkeiten an Russland gescheitert. Bei dieser Schwere-Waffen-Debatte hat sich ein Teil unserer Medien nicht mit Ruhm bekleckert“.
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