Bei der Auswertung der Akten im Berliner Kammergericht wurde unser Team
mehrfach äußerst unfreundlich angegangen. Zunächst wurden Mitarbeiter
des Gerichts zur demonstrativen Beobachtung des Teams abgestellt. Dann
wurde von einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin mehrmals die
„Irritation“ des Gerichts zum Ausdruck gebracht, dass TE die
Vorgänge am Wahltag aus den Akten öffentlich macht. Sogar rechtliche
Schritte wurden in Aussicht gestellt, zu denen man aber selbst sagte,
dass man noch nicht wisse, ob diese überhaupt möglich seien. Mitarbeiter
von TE wurden auch namentlich auf ihr angebliches
Fehlverhalten (man nennt es Journalismus) angesprochen. Die Botschaft
war klar: Wir haben euch im Blick.
Später kam schließlich die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs,
Ludgera Selting, persönlich in den Raum, in dem das Team recherchierte.
Sie wolle nur noch mal klarmachen, dass die Mitarbeiter des Gerichts,
die uns beobachteten, auf ihre Anweisung da wären, sagte sie.
Mittlerweile saßen diese Mitarbeiter mit Tisch so in der Tür zum Raum,
dass man kaum mehr an ihnen vorbei kam.
Die Präsidentin fuhr unser Rechercheteam in aufgebrachtem Ton an,
sprach von „unglaublichen Vorfällen“ und fragte, was man sich hier
erlaube. Ohne eine Reaktion abzuwarten ging sie wieder – grinsend –
hinaus. Zu dem Zeitpunkt waren nur zwei Mitarbeiter im Raum. Das Ziel
dieses bizarren Auftritts war offensichtlich: Einschüchterung des Teams.
Bei der Wahl gilt das strenge Öffentlichkeitsprinzip – Informationen,
die zweifellos relevant sind, öffentlich zu machen, ist nicht verboten.
Eine ganze Serie höchster Gerichtsurteile bestätigt dies – auch für
Berlin. Präsidentin Selting könnte sich eigentlich auch freuen, dass die
Arbeit des Gerichts so unterstützt wird und Aufmerksamkeit für diese
brisanten Vorgänge entsteht; die Digitalisierung durch TE
erleichtert und organisiert den Zugang zu den Akten. Das würde auch den
Richtern die Arbeit erleichtern, die sich so nicht durch die Bierkisten,
Aktenordner und Papierstapel wühlen müssen. Das tat die Richterin, die
selbst auf Vorschlag der SPD ernannt wurde, aber nicht – im Gegenteil.
„Grenze der Sachlichkeit überschritten"
Wahl-Beschwerdeführer Marcel Luthe machte mit seinen Mitarbeitern
ähnliche Erfahrungen – und stellte daher nun den Antrag, die Präsidentin
wegen „Besorgnis der Befangenheit“ bei seiner Wahlprüfungsbeschwerde
abzulehnen. Selting habe „die Grenze der Sachlichkeit überschritten“. Im
TE vorliegenden Antrag heißt es:„Nachdem von Seiten des Gerichts festgestellt wurde, dass Inhalte der
Wahlunterlagen an die Presse gelangt sind, wurden die Helfer während der
Akteneinsicht am 19.05.2022 diesbezüglich barsch zur Rede gestellt.
Zudem wurde die nur noch unter direkter Aufsicht
ermöglicht.
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Staatsrechtler Rupert Scholz , Verteidigungsminister a.D. |
Von Jerome May und Max Mannhart.
An dieser Recherche haben mitgewirkt: Laura Werz, Jonas Kürsch,
Pauline Schwarz, Elisa David, Selma Green, Larissa Fußer, Jonas Aston,
Elena Klagges.
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