Doch die Begründung hält einer Überprüfung nicht stand.
Richtig ist zwar: Die Regierung, deren Vizekanzler er war, wurde
abgewählt. Aber die Ideen der alten Regierung leben in der Nachfolgerin
fort – und zwar so, als wäre nichts gewesen. Die Große Koalition zeigt
sich dem Publikum als ein hybrides Fabelwesen: Außen schwarz-rot; innen
grün.
Wenn Habeck nicht Literaturwissenschaftler, sondern
Patentanwalt wäre, könnte er noch heute Klage gegen CDU, CSU und SPD
einreichen. Denn deren Regierungspolitik ist gerade in der Wirtschafts-,
Finanz- und Energiepolitik ein nur schlecht getarntes Plagiat seiner
wildesten Ideen. Hier ein Indizienprozess:
Indiz #1: Aus grünen Schulden wurden schwarze Schulden
Begleitet
von einem Feuerwerk der Kritik, abgefeuert aus den Rohren von FDP, CDU
und SPD, schlug Habeck im Oktober 2024 einen milliardenschweren
„Deutschlandfonds“ vor, der sich aus Schulden speisen sollte. Er wollte
jenes Wachstum erzeugen, das die Privatwirtschaft ihm versagt hatte. Der
heutige Kanzleramtsminister Thorsten Frei warf ihm eine „unglaubliche Staatsgläubigkeit“ vor.
Knapp ein halbes Jahr später
haben Union und SPD die Schuldenbremse demontiert, um mit dem größten
Schuldenpaket aller Zeiten das Wirtschaftswachstum ihrerseits
anzukurbeln. Das Gift von damals heißt jetzt „Sondervermögen
Infrastruktur und Klimaneutralität“. Alles ist wie unter Habeck – nur
die Schuldensumme hat sich mittlerweile vervielfacht.
Indiz #2: Die grüne Energiepolitik wird fortgesetzt Der grüne Wirtschaftsminister
schaltete die letzten Kernkraftwerke ab und trieb den Ausbau der
erneuerbaren Energie eifrig voran. „Ich bin wirklich stolz auf das, was
wir erreicht haben“, sagte er. Merz war nicht stolz, sondern kritisch:
Windräder waren für ihn eine „hässliche Übergangstechnologie“
und die Abschaltung der letzten Kernkraftwerke in der Energiekrise
„eine ideologisch motivierte Fehlentscheidung der Ampel“, heißt es in
einem Diskussionspapier der Union.
Nach dem Regierungswechsel vollzog Merz die Abkehr,
aber nicht von Habeck, sondern von sich selbst. Den beschleunigten
Ausbau von Solar- und Windparks hat man nicht gestoppt, sondern
fortgesetzt. Im Koalitionsvertrag bekennt man sich zur Klimaneutralität
im Jahr 2045 – fünf Jahre vor dem übrigen Europa. Die Kernenergie wird
im Koalitionsvertrag nicht erwähnt – also beerdigt.
Indiz #3: Es lebe die Wärmepumpe
Was im Steakhouse das „Prime Rib“ ist, war bei Robert Habeck die Wärmepumpe und sein „Golden Beef Club“ hieß „All Electric Society“.
Die Wärmepumpe sollte als Ersatz für Ölheizung und Kohleofen
flächendeckend installiert werden. Welche Empörung! Und kaum ist der
Vater der Idee abgetreten, machen die anderen was? Einfach weiter.
Die Förderung bleibt in diesem und nächsten Jahr „stabil“, freut sich der Bundesverband Wärmepumpe. Die Wärmepumpe lebt. Sie hat nur die Farbe gewechselt.
Indiz #4: Steuerzahlergeld für grünen Stahl – gestern, heute, morgen
Staatsgeld für Stahl: Habeck
subventionierte den grünen Stahl, wo er nur konnte. Ohne Stahlwerke
drohe der Abstieg ganzer Industrieregionen – schlecht für die
Demokratie, schlecht für die Unabhängigkeit, so Habeck damals. Zwei
Milliarden gab es für Thyssenkrupp Steel, eine Milliarde für die Salzgitter AG und auch für die Stahl-Holding-Saar und ArcelorMittal flossen Milliarden-Subventionen.
Der damalige Oppositionsführer der Union verschränkte die Arme vor der Brust. Merz im Wahlkampf:
Ich glaube persönlich nicht, dass der schnelle Wechsel hin zum wasserstoffbetriebenen Stahlwerk erfolgreich sein wird.
Monate später ist Merz im Glauben konvertiert. Anfang des Monats verkündete der neue Kanzler im Saarland:
Deutschland braucht auch in Zukunft eine Stahlindustrie, eine moderne Stahlindustrie, auch hin zur grünen Stahlindustrie.
Indiz #5: Die grüne Mitte
Habeck
sagt: „Meine Idee war immer, dass man die Grünen mit einem progressiven
Liberalismus in die gesellschaftliche Mitte führt, um das Zentrum zu
stabilisieren.“
uch diese Idee von ihm ist nicht tot, sondern quicklebendig.
Sie lebt weiter im nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten und
vielen anderen Christdemokraten, die geräuscharm mit den Grünen regieren
und auch im Bund von Schwarz-Grün träumen. Man will nicht konservativ,
sondern anschlussfähig sein. Man hofft darauf, bei nächster Gelegenheit
die SPD gegen die Grünen (und Merz gegen Wüst) eintauschen zu können.
Fazit: Die Krokodilstränen, die zum Abschied von Robert Habeck vergossen wurden, sind zu früh geflossen.
Wenn es in der Politik aufrichtig zuginge, müsste die
Bundestagsverwaltung am ehemaligen Habeck-Stuhl auf der Regierungsbank
eine Metallplakette anschrauben. Die Aufschrift könnte sie dem Refrain
einer rheinischen Ballade entnehmen:
Niemals geht man so ganz. Irgendwas von mir bleibt hier.
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