Gabor Steingart, 14.08.2025
"Geh hübsch sittsam und lauf nicht vom Weg ab, sonst fällst du und zerbrichst das Glas."
Der Rat, kein Territorium der Ukraine wegzugeben und auch nach einem Friedensschluss das Land nicht schutzlos zu lassen, ist aus Sicht der Ukraine verständlich, aber am Vorabend von Friedensgesprächen wohlfeil. Damit versucht man, dem US-Präsidenten jene Flexibilität zu nehmen, die er für echte Friedensverhandlungen braucht.
Anmerkung 2: Realpolitik jetzt!
Natürlich
stehen Teile des besetzten Territoriums, vorneweg die Halbinsel Krim
und anschließend auch der Donbass, zur Disposition. Und den Status der
Ukraine als Teil des Westens mit militärischer Schutzgarantie
festschreiben zu wollen, bedeutet, Trump auf den Sieg zu verpflichten
und Putin als Verlierer zu stempeln. Das ist wünschenswert, aber nach
Lage der Dinge nicht realistisch. Realpolitik bedeutet, die Wirklichkeit
anzuerkennen und nicht, sie zu leugnen.
Putin hat sich in drei Jahren Krieg und mit dem zynischen Investment von mehr als 100.000 toten russischen Soldaten wichtige Filetstücke der Ukraine gesichert. Die wird er nicht wieder hergeben und falls doch, dann nur gegen schmerzhafte Zugeständnisse des Westens.
Anmerkung 3: Die unbequeme Wahrheit
Über
eine entmilitarisierte Zone entlang der russischen Westgrenze wird zu
reden sein. Auch die territoriale Neuordnung der heute besetzten Gebiete
steht auf der Tagesordnung. Die Rolle der Nato im Osten Europas dürfte
am Verhandlungstisch ebenfalls eine Rolle spielen.
Trump wurde durch die öffentlichen Festlegungen der Europäer in seinem Spielraum begrenzt, was erkennbar auch der Sinn der Initiative von Friedrich Merz war. Der Möglichkeitsraum für echte Friedensgespräche wurde verengt, nicht geweitet.
Anmerkung 4: Geschlossenheit des Westens, das Gebot der Stunde
Die
Feststellung, man sei nicht in allen, nur in wichtigen Punkten einer
Meinung, zeigte einen Dissens, der nur innenpolitische Punkte bringt. In
den auswärtigen Beziehungen wäre Geschlossenheit zwischen Europa und
den USA das Gebot der Stunde.
Merz’ unverhohlene Drohung an Trump, Putin nicht wieder zu unterschätzen, der bislang auf jede Friedensinitiative des Westens mit noch mehr Krieg geantwortet hat, war zwar treffend, aber nicht hilfreich. Trump stand als Großmaul da und die Europäer als die Neunmalklugen. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.
Fazit: Man hat den US-Präsidenten durch diese diplomatische Initiative der Europäer nicht gestärkt, sondern kleiner gemacht. Die Videoschalte diente faktisch der Vorbereitung von Putin, nicht der von Trump. Der böse Wolf wartet in Alaska schon auf das Rotkäppchen.
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