Das ist Frauke Brosius-Gersdorf nicht ansatzweise gelungen, weil sie im politischen Diskurs und in der Talkshow von ihrem Ross nicht absteigen konnte („als Wissenschaftlerin“). Karl Popper mahnt: „Das Schlimmste […] ist, wenn die Intellektuellen es versuchen, sich ihren Mitmenschen gegenüber als große Propheten aufzuspielen und sie mit orakelnden Philosophien zu beeindrucken.“ Der Persilschein-Text plustert sich auf, drischt Phrasen und sagt zur Sache: nichts. Es geht nur darum, die Kandidatin aus dem Feuer zu holen.
Schlimmer ist der Umgang mit dem Plagiatsverdacht. Am 10. Juli 2025 hat Stefan Weber auf erhebliche Werkähnlichkeiten zwischen der Dissertation von Brosius-Gersdorf und der Habilitationsschrift ihres Mannes Hubertus Gersdorf hingewiesen. Am 14. Juli veröffentlichte der „Verfassungsblog“ daraufhin seine Stützstellungnahme von drei Initiatoren und 339 Zeichnern. Dort werden diese „ausgesprochen unglaubhafte[n] Plagiatsvorwürfe“ zurückgewiesen. In der Mailversion vom 12. Juli hieß es noch „ausgesprochen unglaubwürdige und mit sexistischen Untertönen versehene Plagiatsvorwürfe“.
Nun hat Stefan Weber zunächst explizite
Werkähnlichkeiten aufgezeigt und lediglich gefragt, ob die
identifizierten Textstellen gegen juristische Zitiernormen verstoßen.
Schon diese schlichte Frage enthält einen unglaubhaften Plagiatvorwurf?
Am 4. August hat Stefan Weber dann – für jeden, der seine Arbeit
verfolgt, erwartbar – umfassend nachgelegt.
Weitreichende Textübereinstimmung und eine obskure
Schreibstilähnlichkeit haben ihn bewogen, „Ghostwriting“ als Ursache für
möglich zu halten. Für die wissenschaftliche Redlichkeit der Kandidatin
macht es keinen Unterschied, ob sie selbst abgeschrieben hat oder einen
familiären Ghostwriter nutzte. Je stärker sich der Plagiatvorwurf
erhärtet, desto weniger ist Frauke Brosius-Gersdorf eine „hoch
angesehene und renommierte Staatsrechtslehrerin“. Ihr wissenschaftliches
Renommee ist angekratzt und sie persönlich hat keine Erklärung dafür
gegeben, wie die frappanten Textübereinstimmungen zu erklären seien.
Der Persilschein im „Verfassungsblog“ hielt die Vorwürfe für „unglaubhaft“. Was soll dieses Adjektiv sagen? „Glaubhaft“ ist ein juristischer Fachausdruck und bezieht sich auf den Beweis für eine Tatsache. „Glaubwürdig“ bezieht sich auf eine Person. Der Zeuge kann glaubwürdig sein; seine Aussage glaubhaft. Was soll hier nicht ausreichend bewiesen sein? Die Textübereinstimmungen fußen auf einem Scan der Textstellen und sind farblich markiert. Theoretisch besteht die Möglichkeit, dass die Texte anders aussehen und das Textbild verfälscht worden ist. Das behauptet aber niemand. Um welche andere beweisbare Tatsache soll es gehen? Soll der Text von Frauke Brosius-Gersdorf zuerst verfasst worden sein? Auch das wird nicht (mehr) behauptet. Oder meint der Persilschein, der Umfang der Textähnlichkeiten reiche für den Plagiatvorwurf nicht aus? Das ist keine beweisbare Tatsache, sondern eine rechtliche Wertung.
Der Persilschein schwurbelt um das mögliche Plagiat herum. Mit der Verantwortung der (formalen) Autorin, evidente Textähnlichkeiten aufzuklären (was unter redlichen Wissenschaftlern in der Arbeit durch ausreichendes Zitat geschieht), hält sich der Persilschein nicht auf. Dabei werden einige Zeichner als Mitglieder der Staatsrechtslehrervereinigung prüfen müssen, ob ihre Kollegin die Regeln zur guten wissenschaftlichen Praxis verletzt hat, die Plagiate und „Ghostwriting“ explizit verbieten. Brosius-Gersdorf ließ den Vorwurf über ihre Anwaltskanzlei zurückweisen, anstatt sich selbst dazu zu erklären.
Wir dürfen gespannt sein, ob die Vereinigung der Staatsrechtslehrer reagieren und mit welchen Verrenkungen dies verbunden sein wird. Nicht ominöse Kampagnen beschädigen die Staatsrechtswissenschaft, sondern wissenschaftliche Unredlichkeit – und die Verdeckungsmühen. Verehrte Staatsrechtslehrer, Nr. 21 Ihrer Leitsätze zur guten wissenschaftlichen Praxis betont die Notwendigkeit, „im wissenschaftlichen Diskurs auf Text- und Ideendiebstahl aufmerksam zu machen, statt ihn zu beschweigen“. Ist der im Persilschein liegende Unterdrückungsversuch selbst wissenschaftliches Fehlverhalten? Müsste die Staatsrechtslehrervereinigung Stefan Weber nicht Dank sagen?
Der Persilschein sollte Kritik an Sachaussagen und Zweifel an der Redlichkeit der Kandidatin unterbinden. Sachargumente finden sich dort nicht. Der Statusanspruch für „angesehene“ Lehrstuhlinhaber ist eine Ad-personam-Verteidigung, die so wenig intellektuell ist, wie ein Angriff ad personam. Die Unterzeichner merken nicht, dass sie konkrete Handlungsvorwürfe durch Charakterzuschreibungen zu überwinden suchen. Insofern gleicht jene Stellungnahme verlogenen Persilscheinen der Nachkriegszeit. Die Erklärung im „Verfassungsblog“ ist wissenschaftsfremd. Nicht nur Frauke Brosius-Gersdorf ist „über jeden Selbstzweifel erhaben“ – jene Unterzeichner sind es auch. Ihr Programm lautet: „Haben. Sein. Und gelten.“ (Kurt Tucholsky, 1927). Der Text ist töricht; ihn zu zeichnen und im „Verfassungsblog“ zu publizieren nicht minder.
Volker Rieble lehrt Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
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