05 August 2025

Ermittlungen und Prozesse dürfen nicht als Strafe eingesetzt werden. Doch genau das geschieht in Deutschland immer öfter (NZZ)

Ermittlungen und Prozesse dürfen nicht als Strafe eingesetzt werden. Doch genau das geschieht in Deutschland immer öfter (NZZ)
Die deutsche Justiz geht immer aktivistischer vor. Das groteske Verfahren gegen den Gründer der «Querdenken»-Bewegung ist nur das jüngste Beispiel.
von Oliver Maksan, 01.08.2025, 3 Min
Der deutsche Staat schiesst seit einigen Jahren mit wachsendem Eifer mit Kanonen auf Spatzen. Aus seiner Sicht mag das verständlich sein. Er sieht sich schliesslich von Bürgern umstellt, die ihn und seine Institutionen systematisch diskreditieren wollen.
Die Schublade der «verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates» hatte der deutsche Inlandgeheimdienst auf dem Höhepunkt der Pandemie im Frühjahr 2021 eigens geschaffen, um die eigentlich ziemlich bunte Schar der Kritiker der staatlichen Corona-Massnahmen darin ablegen zu können. Schon damals wurden so Bürger, die für ihre Rechte demonstrierten, unter Generalverdacht gestellt.
Überschiessender Verfolgungseifer des Staates
Es ist seither nicht besser geworden. Das zeigt der Fall Michael Ballweg. Der Gründer der massnahmenkritischen «Querdenken»-Bewegung aus der Corona-Zeit wurde jetzt in Stuttgart vom Vorwurf des versuchten Betrugs freigesprochen. Verurteilt wurde er unter anderem wegen Steuerhinterziehung in Höhe von etwa 20 Euro, darunter unrechtmässig geltend gemachte Ausgaben für eine Hundematte.
Dieser Farce vorausgegangen waren eine unverhältnismässig lange Untersuchungshaft von fast neun Monaten und ein Prozess, den das Gericht selbst einstellen wollte, in den sich aber eine aktivistische Staatsanwaltschaft trotz offenkundiger Aussichtslosigkeit unbeirrbar verbissen hatte.
Dass jetzt Vermutungen leicht verfangen, wonach hier möglicherweise politische Motive leitend waren, hat sich die Staatsanwaltschaft selbst zuzuschreiben. Da deutsche Staatsanwälte weisungsgebunden sind, ist eine politische Einflussnahme durch die Justizminister zudem grundsätzlich immer denkbar.
Hausdurchsuchungen bei Rentnern
Der Fall Ballweg fügt sich ein in eine ganze Reihe ähnlicher Vorgänge, bei denen mindestens unklar ist, wo berechtigtes Interesse an einer Strafverfolgung endet und politische Motive den Ausschlag zu geben beginnen.

Das wird besonders anhand des sogenannten Majestätsbeleidigungsparagrafen des deutschen Strafgesetzbuchs deutlich. Reihenweise wurden auf der Grundlage des Paragrafen 188, der die Beleidigung von Politikern verschärft ahndet, Bürger zu absurd hohen Strafen verurteilt.

Zu Berühmtheit hat es der Fall eines Rentners gebracht, der einen satirischen Post zum damaligen grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck geteilt hatte und deshalb eine Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen musste.

Dass Teile der Staatsanwaltschaft Ermittlungen bereits als Strafe betrachten und nicht als Mittel zum Zweck der Aufklärung einer möglichen Straftat, gaben einige von ihnen im Interview mit dem amerikanischen Sender CBS unumwunden zu.

«Wie reagieren die Leute, wenn man ihnen das Handy wegnimmt?», fragt die Moderatorin drei Staatsanwälte, die für sogenannte Hasskriminalität im Internet zuständig sind. «Sie sind geschockt», antwortet einer von ihnen. «Es ist wie eine Strafe, ohne Handy zu sein, schlimmer als die Busse selbst.» Das Lachen, in das alle drei anschliessend einstimmen, lässt tief blicken.

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