Ermittlungen und Prozesse dürfen nicht als Strafe eingesetzt werden. Doch genau das geschieht in Deutschland immer öfter (NZZ)
Die deutsche Justiz geht immer aktivistischer vor. Das groteske
Verfahren gegen den Gründer der «Querdenken»-Bewegung ist nur das
jüngste Beispiel.
von
Oliver Maksan, 01.08.2025, 3 MinDer
deutsche Staat schiesst seit einigen Jahren mit wachsendem Eifer mit
Kanonen auf Spatzen. Aus seiner Sicht mag das verständlich sein. Er
sieht sich schliesslich von Bürgern umstellt, die ihn und seine
Institutionen systematisch diskreditieren wollen.
Die
Schublade der «verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates»
hatte der deutsche Inlandgeheimdienst auf dem Höhepunkt der Pandemie im
Frühjahr 2021 eigens geschaffen, um die eigentlich ziemlich bunte Schar
der Kritiker der staatlichen Corona-Massnahmen darin ablegen zu können.
Schon damals wurden so Bürger, die für ihre Rechte demonstrierten,
unter Generalverdacht gestellt.
Überschiessender Verfolgungseifer des Staates
Es
ist seither nicht besser geworden. Das zeigt der Fall Michael Ballweg.
Der Gründer der massnahmenkritischen «Querdenken»-Bewegung aus der
Corona-Zeit wurde jetzt in Stuttgart vom Vorwurf des versuchten Betrugs
freigesprochen. Verurteilt wurde er unter anderem wegen
Steuerhinterziehung in Höhe von etwa 20 Euro, darunter unrechtmässig
geltend gemachte Ausgaben für eine Hundematte.
Dieser Farce vorausgegangen waren eine unverhältnismässig lange Untersuchungshaft
von fast neun Monaten und ein Prozess, den das Gericht selbst
einstellen wollte, in den sich aber eine aktivistische
Staatsanwaltschaft trotz offenkundiger Aussichtslosigkeit unbeirrbar
verbissen hatte. Dass
jetzt Vermutungen leicht verfangen, wonach hier möglicherweise
politische Motive leitend waren, hat sich die Staatsanwaltschaft selbst
zuzuschreiben. Da deutsche Staatsanwälte weisungsgebunden sind, ist eine
politische Einflussnahme durch die Justizminister zudem grundsätzlich
immer denkbar.
Hausdurchsuchungen bei Rentnern Der
Fall Ballweg fügt sich ein in eine ganze Reihe ähnlicher Vorgänge, bei
denen mindestens unklar ist, wo berechtigtes Interesse an einer
Strafverfolgung endet und politische Motive den Ausschlag zu geben
beginnen.
Das
wird besonders anhand des sogenannten Majestätsbeleidigungsparagrafen
des deutschen Strafgesetzbuchs deutlich. Reihenweise wurden auf der
Grundlage des Paragrafen 188, der die Beleidigung von Politikern
verschärft ahndet, Bürger zu absurd hohen Strafen verurteilt.
Zu Berühmtheit hat es der Fall eines Rentners
gebracht, der einen satirischen Post zum damaligen grünen
Wirtschaftsminister Robert Habeck geteilt hatte und deshalb eine
Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen musste.
Dass
Teile der Staatsanwaltschaft Ermittlungen bereits als Strafe betrachten
und nicht als Mittel zum Zweck der Aufklärung einer möglichen Straftat,
gaben einige von ihnen im Interview mit dem amerikanischen Sender CBS unumwunden zu.
«Wie
reagieren die Leute, wenn man ihnen das Handy wegnimmt?», fragt die
Moderatorin drei Staatsanwälte, die für sogenannte Hasskriminalität im
Internet zuständig sind. «Sie sind geschockt», antwortet einer von
ihnen. «Es ist wie eine Strafe, ohne Handy zu sein, schlimmer als die
Busse selbst.» Das Lachen, in das alle drei anschliessend einstimmen,
lässt tief blicken.
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