Autoindustrie: Neue Horrorzahlen
Gabor Steingart , 27.08.2025Guten Morgen,
wir leben in einer Welt der Chancen ,
was eine großartige Nachricht für Inder, Südkoreaner und Chinesen ist.
Auch sie bauen neuerdings Automobile – meist sehr günstig, oft pfiffig,
nicht selten technologisch brillant.
Wir leben in einer Welt der Chancen ,
was eine schwierige Botschaft für die traditionellen Automobilländer
ist. Deutschland, Frankreich, Italien und die USA leiden wie die Hunde
an den neuen Wettbewerbern. Nicht nur die Geographie, sondern auch die
Technologie fordert sie heraus.
Die Erfindung des Elektromobils und damit der
Aufstieg der Batterietechnologie entwertet ihr Wissen, ihre Lieferketten
und viele der heimischen Fabriken. Ausgerechnet in der deutschen
Schlüsselindustrie hat eine Kernschmelze eingesetzt:
Seit 2019 – dem Jahr vor Corona – wurden mehr als 100.000 Arbeitsplätze durch diese Prozesse schon vernichtet.
In den vergangenen zwölf Monaten
waren es alleine 51.000 Arbeitsplätze, die in der Automobilindustrie
und bei ihren Zulieferern auf Nimmerwiedersehen verloren gegangen sind.
Das sagt und belegt die gestern veröffentlichte Studie der
Unternehmensberatung EY .
190.000 Arbeitsplätze werden bis 2035 die weitere Transformation vom Verbrennermotor zum Batterieauto nicht überleben, zitiert die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie , Hildegard Müller ,
ihr vorliegende Studien. Denn die neue Generation von Automobilen
erfordert eine geringere Fertigungstiefe und schneidet den Fabriken das
bisherige Herzstück, den Motorenbau, bei lebendigem Leibe heraus.
Die wichtigsten Ursachen dieser Entwicklung
– der Wechsel in der Antriebstechnologie und der Aufstieg der
ehemaligen Entwicklungsländer – sind unvermeidbar. Die Reaktionen darauf
sind es nicht. Managementfehler in der Politik und auf den Chefetagen
der Unternehmen haben hierzulande die Krise verschärft.
#1 Hochmut kam vor dem Fall Die Automobilbosse der Generation Bleifuß haben die Gegenwart genossen und dabei die Elektrifizierung der Fahrzeuge verschlafen. VW -Chef Martin Winterkorn , Mercedes -CEO Dieter Zetsche und BMW -Vorstandschef Bernd Pischetsrieder ließen sich als Helden feiern, als das Elektrozeitalter längst begonnen hatte. ADAC (Gelber Engel) und AutoBild (Goldenes Lenkrad) überhäuften sie mit Trophäen – auch dann noch, als sie eigentlich die goldene Zitrone verdient hatten .
Tesla präsentierte 2012 mit dem Model S das erste moderne, massenmarktfähige E-Auto. Die Bayerischen Motoren Werke reagierten mit dem i3 ein Jahr später, brauchten aber bis zu einer richtigen Elektroflotte weitere sechs Jahre. Volkswagen und Mercedes ließen ein Jahrzehnt verstreichen, bis sie mit dem ID und dem EQ eigene Elektromodelle anboten.Zunächst glaubte man auf den Chefetagen allen Ernstes,
die Kundschaft mit umgebauten Benzinern begeistern zu können. Das E-Auto
sei eine Spielerei für Reiche, glaubte Winterkorn. Auch Zetsche und
Pischetsrieder haben die Zeichen der Zeit gesehen, aber nicht
verstanden. Zetsche trennte sich bis Ende 2014 von seinem 9,1-Prozent Tesla -Anteil, weil er glaubte, die große Zeit des Elon Musk sei vorbei.
#2 Ambitionslose Regierung Während in China der Staat den Elektroautos den Weg bahnte – durch Industriesubventionen und Kaufanreize
– ging der deutsche Staat massiv gegen die Autoindustrie vor. Mit
hohen Energiepreisen, kleinkarierter Bürokratie und ständig steigenden
Lohnnebenkosten zwingt man die heimische Autoindustrie geradezu
planmäßig in die Knie.
Förderstopp: Unter der
Ampel-Regierung wurde die Lade-Infrastruktur kaum ausgebaut und Ende
2023 die zugesagte Förderung für E-Autos gestrichen. Die Folge:
In 2024 wurden knapp 30 Prozent weniger E-Autos zugelassen als 2023.
Auch die neue Regierung hat anderes im Sinn. Sie gibt das Geld lieber
für neue Panzer und weitere Bürgergeldempfänger aus.
#3 Kultur der Beharrlichkeit Die schnelle Elektrifizierung der Automobile
scheiterte keinesfalls nur an politischen Rahmenbedingungen und
schläfrigen Autobossen. Von den Gewerkschaften über die Fabrikarbeiter
bis hin zum Endkunden gab und gibt es in Deutschland eine kollektive
Skepsis gegenüber dem Neuen.
Zuweilen könnte man den Eindruck gewinnen: Die größte Kraft in Deutschland ist die Beharrungskraft.
Man kauft, was man kennt. Man kennt, was man kauft. So gilt denn in den Autohäusern am Stadtrand das alte Adenauer-Motto: Keine Experimente . Aktuell sind nur 3,3 Prozent der zugelassenen Pkw laut Kraftfahrtbundesamt reine E-Autos.
Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung hat mehr als 70 Studien ausgewertet, um die Psyche der Deutschen zu erforschen. Das niederschmetternde Ergebnis:
„Generell gibt es eine hohe Skepsis gegenüber dem Elektroauto. Viele
Gründe dafür können wir aus wissenschaftlicher Perspektive nicht
nachvollziehen.“
Fazit: Auf den Vorstandsetagen
ist man aufgewacht; im Bundeskanzleramt noch nicht. Der Kampf für
niedrigere Energiepreise, weniger Bürokratie und abgesenkte Steuern wird
rhetorisch, aber nicht real gekämpft. Über den Schreibtisch von Friedrich Merz gehört daher der zentrale Satz des großen Automobilisten Henry Ford :
"Man kann seinen Ruf nicht auf dem aufbauen, was man erst noch tun wird. "
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