11 September 2025

Sprachzertifikate gekauft - Großer Einbürgerungs-Skandal: Mit einem simplen Trick enttarnte Beamter die Betrüger Focus-Online)

Sprachzertifikate gekauft

Großer Einbürgerungs-Skandal: Mit einem simplen Trick enttarnte Beamter die Betrüger (Focus-Online)
Die Tiktok-Videos seien schrill, fast alle mit arabischer, türkischer oder albanischer Musik unterlegt und priesen Sprachzertifikate von A1 bis C2 an – "ohne Schule, ohne Prüfung". Jeder Eintrag werde von hunderten Kommentaren begleitet, die Fragen wie diese enthielten: "Bruder brauche B1 was kostet".
Die Preise für das begehrte B1-Zertifikat oder den Integrationstest "Leben in Deutschland" schwankten zwischen 750 und 2700 Euro, heißt es in dem Bericht. Besonders beliebt seien Zertifikate von "Telc", dem größten Sprachanbieter Deutschlands.
Ausländerbehördenchef: "Man kann im Grunde keinem einzigen Zertifikat mehr trauen"
Aufgefallen war Amtschef Franz die Betrügerei bereits vor drei Jahren. "Bis Ende 2021 haben wir im Schnitt etwa von einer Betrügerei pro Monat erfahren – über Newsletter regionaler Aufsichtsbehörden, die sich darüber gegenseitig informieren. 2022 ging die Quote dann auf einmal nach oben. In der Folge gab es eine Meldung pro Woche. Dann war es plötzlich eine Meldung alle ein bis zwei Tage. Da haben wir gesagt: So geht das nicht weiter, wir müssen etwas dagegen tun."
In seiner Behörde ordnete Franz an, dass die Mitarbeiter fortan jedes einzelne Sprach- oder Integrationszertifikat, das eingereicht wird, kontrollieren. "Wir überprüfen das direkt bei den ausstellenden Unternehmen. Ist alles in Ordnung, dauert die Kontrolle fünf Minuten. Hat die Organisierte Kriminalität die Finger im Spiel, dauert es 15 bis 20 Minuten." Das sei zwar ein nicht unbedeutender Mehraufwand, den seine Behörde jedoch leisten könne.

Anders ließe sich eine lückenlose Kontrolle nicht gewährleisten, so der Behördenchef: "Die Fälschungen sind inzwischen so gut, dass man im Grunde genommen überhaupt keinem Zertifikat mehr trauen kann."
Ungeschulte und überlastete Behörden: "Kontrollverlust ungeahnten Ausmaßes"
Statistiken darüber, wie viele Einbürgerungen aufgrund falscher Sprach- oder Integrationszertifikate in Deutschland erteilt worden sind, gibt es nicht. Kaum ein Innenministerium der Länder habe den Rechercheuren von RTL und "Stern" mitteilen können, wie viele Einbürgerungen oder Niederlassungserlaubnisse aufgrund von bekannt gewordenen Betrugsfällen in den vergangenen fünf Jahren tatsächlich zurückgezogen worden seien. 
Insider der Polizei aus verschiedenen Bundesländern berichten jedoch von laufenden Ermittlungen, die zum Teil mehr als 1.000 Verdachtsfälle beinhalten sollen.

Längst nicht alle Ausländerbehörden sind zudem offenbar so gut organisiert wie jene von Richard Franz. "Wir erleben aktuell einen Kontrollverlust ungeahnten Ausmaßes", erklärte ein Mitarbeiter einer Ausländerbehörde aus NRW, der anonym bleiben wollte, den Rechercheuren. "Wir sind kapazitätstechnisch vollkommen überlastet, viel Mitarbeiter auch gar nicht geschult oder eingearbeitet." Eine ordentliche Dokumentenprüfung könne daher vielerorts nicht mehr stattfinden.

"Bamf hat bei Einbürgerungszertifikaten großen Nachholbedarf"

Als Richard Franz vor drei Jahren den Betrügern auf die Schliche gekommen war und Strafanzeige bei der Polizei erstattete und die Umstände und das Ausmaß des Betruges genau darlegte, "waren die Polizeibeamten ziemlich überrascht". 

Die Politik sei gut beraten, schnell dafür zu sorgen, dass in Deutschlands Ausländerbehörden ein einheitlicher Standard für die Überprüfung der Zertifikate Pflicht werde. "Der Schlüssel liegt aus unserer Sicht darin, von Papierzertifikaten komplett auf digitale Zertifikate umzustellen. Die lassen sich effektiver überprüfen. Da hat unter anderem das Bamf noch einen großen Nachholbedarf."

* Der richtige Name des Amtsleiters und der Ort der Ausländerbehörde sind ist der Redaktion bekannt.

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