23 September 2025

Ludwigshafen - Was hier geschieht, droht uns allen (WELZ+)

Ludwigshafen

Was hier geschieht, droht uns allen (WELZ+)
Von Norbert Bolz, Veröffentlicht am 13.08.2025, 5Minuten
Der Ausschluss des AfD-Kandidaten Joachim Paul wirft Licht auf eine vergessene Stadt: Im einstmals stolzen Ludwigshafen am Rhein lässt sich der Niedergang Deutschlands wie unter dem Vergrößerungsglas beobachten.
Eine vergessene Stadt, die für jeden Zufallsbesucher rasch eine Stadt zum Vergessen wird, ist plötzlich in den Fokus der politischen Aufmerksamkeit gerückt: Ludwigshafen am Rhein. Die Oberbürgermeisterin – bis 2023 in der SPD, jetzt parteilos – hat einen Verfassungsschutzbericht anfertigen lassen, um den AfD-Kandidaten auszuschalten. Wie beim Verfassungsschutz mittlerweile üblich, genügen dann schon Kontaktschuld und „Zweifel an der Verfassungstreue“, um jemanden als Unperson unwählbar zu machen. Dass dies gerade in Ludwigshafen geschieht, ist deshalb besonders lehrreich, weil man hier wie unter einem Vergrößerungsglas die zwei Entwicklungen beobachten kann, die Deutschland in den Ruin treiben werden: Deindustrialisierung und Entdemokratisierung.
Die Ausschaltung des AfD-Bürgermeisterkandidaten Joachim Paul ist ein Verfassungsbruch, der von der SPD, den Linken und Grünen als legitim betrachtet wird. Und zwar konstruiert man einfach einen Ausnahmezustand, der es dann erlaubt, die Demokratie außer Kraft zu setzen, um die Demokratie zu schützen. Die derart gegen die Opposition geschützte Demokratie nennt sich auch gerne „unsere Demokratie“. Wir haben es hier mit der für die Zukunft entscheidenden Herrschaftstechnik der Linksgrünen zu tun: Da sie wissen, dass sie keine parlamentarische Mehrheit mehr erreichen werden, setzen sie nicht mehr auf Wahlen, sondern besetzen und verteidigen Schlüsselstellen. Das erklärt die Hitze des Gefechts um die Besetzung der vakanten Verfassungsrichterstellen.
Weil, wie der Bundeskanzler vor der Wahl richtig bemerkt hat, „links vorbei“ ist, das heißt die Bürger mehrheitlich keine linke Politik mehr wollen, kann sich die linksgrüne Herrschaft nicht mehr durch Wählermandate absichern, sondern nur noch durch staatlich finanzierte NGOs, den Verfassungsschutz und die Gerichte. Dass sich der Verfassungsschutz als Regierungsschutz betätigt, ist bei einer weisungsgebundenen Behörde nicht überraschend. Man könnte das hinnehmen, wenn es eine unabhängige Justiz gäbe, die die berüchtigten Einstufungen als „gesichert rechtsextrem“ kontrolliert. Doch an der Unabhängigkeit der Justiz mehren sich die Zweifel.
Der Grund dafür ist denkbar einfach: Die Linken von heute sind nicht mehr Schüler von Karl Marx, sondern von Antonio Gramsci. Dieser italienische Kommunist hat schon vor hundert Jahren bemerkt, dass die Arbeiterklasse dem Sozialismus nicht zum Sieg verhelfen wird, und deshalb auf die linken Intellektuellen gesetzt. Gramsci hat sie zum Marsch durch die Institutionen aufgefordert. In den Bildungsanstalten und in den Medien war diese Strategie rasch erfolgreich, aber jetzt hat sie auch die Justiz erfasst – wobei aufmerksame Beobachter diese linksgrüne Politisierung der Richter, Verteidiger und Staatsanwälte schon in der 68er-Revolte bemerkt haben. Sie halten sich natürlich nicht für die Erben der „furchtbaren Juristen“, sondern für die Verteidiger der Demokratie – gerade auch dann, wenn sie das Recht ignorieren, um es zu verwirklichen.

Die Nichtregierungsorganisationen sollte man nur mit ihrem Kürzel NGO benennen, denn dass sie nicht Regierungsorganisationen sind, ist ein großer Schwindel. Sie vertreten prinzipiell eine extreme Variante der rotgrünen Politik und werden dabei großzügig mit Regierungsmitteln unterstützt. NGOs sind die indirekten Gewalten der „Zivilgesellschaft“, die, ohne ein politisches Risiko einzugehen oder sich demokratisch legitimieren zu müssen, zusammen mit den Parteien den Staat gekapert haben. Der politische Gegner, also die AfD, wird mit allen Mitteln unterdrückt, denn er ist moralisch korrupt. Mit dem besten Gewissen von der Welt diffamiert man die Bösen, statt sie zu überzeugen. Und das gilt auch dann, wenn die Bösen die Mehrheit sind. Nach jakobinischer Logik kann nämlich eine Minderheit den richtigen Willen haben. So hebelt man die Demokratie aus, um sie zu retten.

Die neben der Entdemokratisierung zweite Entwicklung, die Deutschland in den Ruin treiben wird, ist die Deindustrialisierung. Auch hier ist Ludwigshafen beispielhaft. Die vergessene Stadt, eine Stadt zum Vergessen? Das gilt natürlich nicht für den Autor dieser Zeilen, der die ersten zwanzig Jahre seines Lebens hier verbracht hat. Auch wenn man berücksichtigt, dass man im Rückblick auf die eigene Jugend manches verklärt, ist doch unzweifelhaft, dass Ludwigshafen vor siebzig Jahren nicht die Katastrophe war, die es heute ist. Die Stadt war um die BASF herum gebaut. Diese große, erfolgreiche Chemiefabrik war verantwortlich für die Infrastruktur der Stadt. Sie war wie der schützende Vater, und man war stolz, hier zu arbeiten.

Wie sehr man sich als Ludwigshafener mit der BASF identifizierte, konnte man gerade auch an den Griechen, Italienern und Türken sehen. Sie waren die Gastarbeiter, die sehr gut integriert waren. Das konnte man vor allem daran sehen, dass sie zwar nicht gut Hochdeutsch, aber bestens Pfälzisch sprachen. Die Integration gelang durch Arbeit, durch Sport – und natürlich auch durch den Magen. Von Ausländerfeindlichkeit keine Spur. Sehr passend hieß der örtliche Fußballverein „Phönix Ludwigshafen“ – der mythische Vogel, der nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs aus der Asche aufstieg.

Wie schlimm es heute um Ludwigshafen bestellt ist, zeigt sich daran, dass diese klassische SPD-Arbeiterstadt bei der Oberbürgermeisterwahl wohl dem AfD-Kandidaten die meisten Stimmen geben würde. Das ist, wie bei fast allen AfD-Wählern in Deutschland, die blanke Notwehr. Für das dystopische Bild von der Zukunft Deutschlands ist die Deindustrialisierung letztlich ausschlaggebend. In Ludwigshafen zeigt sich das besonders deutlich im Niedergang, im schrittweisen Abbau und der internationalen Verlagerung der BASF. Noch viel sichtbarer sind die Prozesse der Islamisierung und Ghettoisierung, vor allem auch das Anwachsen der Clan-Kriminalität. „Die hässlichste Stadt Deutschlands“ – so der „Spiegel“ schon vor Jahrzehnten – ist ein Konglomerat von Problemzonen, die total vermüllt und verwahrlost sind. Wer Geld genug hat, zieht sich an die Weinstraße zurück und pendelt.

Natürlich ist das nicht von heute auf morgen geschehen. Aber die „Parteien der Mitte“ haben alle Probleme mit Gutmenschen-Attitüden dissimuliert, das heißt, sie haben so getan, als ob es nichts zu sehen gäbe. Herrn Paul von der Wahl auszuschließen, ist ein passendes Symbol für diese politische Realitätsflucht. Insofern ist der Oberbürgermeisterin zu danken, dass sie Licht auf die vergessene Stadt geworfen hat. Was hier geschieht, droht uns allen.

Norbert Bolz ist emeritierter Professor für Medienwissenschaften.

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