Robert Habeck geht, Mayra Vriesema kommt. Die Studentin übernimmt an
diesem Montag das Bundestagsmandat des ehemaligen grünen Vizekanzlers.
Sie ist seit Jahren in der Politik aktiv. Doch genau das ist das
Problem.
Der
Deutsche Bundestag wird an diesem Montag ein wenig jünger. Die erst
25-jährige Studentin Mayra Vriesema rückt nämlich über einen Listenplatz
für den Mittfünfziger Robert Habeck nach, der kürzlich beleidigt auf sein Mandat verzichtet hat und den es jetzt ins Ausland zieht. Aus
Habecks Sicht ist das nur konsequent. Die Deutschen haben das
politische «Angebot», das er ihnen als Kanzlerkandidat der Grünen
gemacht hatte, schliesslich abzulehnen gewagt. Jetzt lehnt er es eben
ab, sie zu vertreten.
Mit 25 schon Politikveteranin
Diese
Aufgabe fällt jetzt Vriesema zu. Dabei gibt es mit Abgeordneten wie ihr
ein grundsätzliches Problem. Sie sind zwar sehr bewandert im
parteipolitischen Handwerk, haben aber sonst kaum Lebens-, geschweige
denn Berufserfahrung.
So
ist es auch mit Vriesema. Seit Jahren schon ist die junge
Politikveteranin in der Landespolitik von Schleswig-Holstein aktiv. Als
stellvertretende Landesvorsitzende der Grünen hat sie dort den
Koalitionsvertrag mit der CDU ausgehandelt. Sie verantwortete das Kapitel Wohnen. Dem unbestreitbaren Mangel an bezahlbarem Wohnraum will sie nach eigenem Bekunden auch im Bundestag abhelfen. Entfremdung zwischen Volk und Vertretern
Den
Bundestag kennt sie schon jetzt bestens. Seit drei Jahren bereits
arbeitet sie dort schließlich für eine grüne Abgeordnete. Viel
Politikerfahrung also für eine junge Frau.
Doch
solche Karrieren, die von der Parteijugend und der Landespolitik
nahtlos in den Bundestag führen, dienen dem Vertrauen der Bürger in das
Parlament eher nicht. Schliesslich
driften die Lebens- und Erfahrungswelten des Volkes und seiner
Vertreter so immer weiter auseinander. Wer kein Leben ausserhalb der
Politik kennt (und aufgrund seiner jungen Jahre auch nicht kennen kann),
bringt ein prinzipielles Manko mit, das auch durch enge Bürgerkontakte
nicht auszugleichen ist.
Problematisch
ist aber neben der Selbstverkastung von Berufspolitikern auch, wenn
Jugend in der Politik zum Wert an sich erklärt wird. Das hat sich
besonders in der vergangenen Legislaturperiode gezeigt. Gerade links der
Mitte, bei Linkspartei, Sozialdemokraten und Grünen, rückten
reihenweise junge und sehr junge Abgeordnete nach.
Ihre
Parteien feierten das. Der mittlerweile verstorbene Bundestagspräsident
Wolfgang Schäuble musste seine jungen Kollegen zu Recht daran erinnern,
dass sie nicht nur ihre Altersgenossen, sondern das ganze Volk
vertreten.
Emilia Fester agierte wie eine Aktivistin
Gefruchtet
hat das nicht überall. Die Grüne Emilia Fester etwa, bei ihrem Einzug
2021 jüngstes Parlamentsmitglied, versah ihr Abgeordnetenmandat wie eine
lupenreine Aktivistin. Dass die mittlerweile 27-Jährige sich nach ihrem
verpassten Wiedereinzug ins Parlament künftig für Sea-Eye
engagieren will, passt da ins Bild. Bei der NGO handelt es sich
schliesslich weniger um eine Seenotrettungs- als um eine
Schlepperorganisation.
Natürlich
kann niemand den Parteien und Bürgern verbieten, junge und sehr junge
Kandidaten zu nominieren und zu wählen. Und ohne Frage spielen mit
Klimawandel, Rente und Zukunft des deutschen Wirtschaftsmodells
Nachhaltigkeitsfragen eine so grosse Rolle wie vielleicht noch nie in
der Geschichte der Bundesrepublik. Dass diese naturgemäss junge Menschen
stärker als ältere betreffen, liegt auf der Hand. Und vielleicht
entpuppt sich Habecks Nachrückerin Vriesema als Gewinn für das deutsche
Parlament.
Ausschlaggebend sollte Jugend aber für ein politisches Amt künftig nicht mehr sein. Dafür sind die Zeiten zu ernst.
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