Kein Wunder, das deutsche Recht setzt den Behörden enge Grenzen. Zu enge Grenzen. Einige Bundesländer nutzen zwar bereits Software des amerikanischen Unternehmens Palantir. Sie wertet grosse Datenmengen aus und stellt Verbindungen her.
Privatpersonen können mehr als die Behörden
Doch
die Behörden können die Vorteile des Programms nicht einmal im Ansatz
ausspielen. Sie verknüpfen damit selbst bei eindeutigen Fällen wie
Terrorismus nur Daten, die sie ohnehin schon haben. Anders als
Journalisten dürfen sie nicht einfach das Internet mit einer
Gesichtserkennungssoftware nach Verdächtigen durchforsten oder nach
Belieben geleakte Datensätze mittels künstlicher Intelligenz auswerten.
Das bedeutet zwar nicht zwangsläufig, dass die Ermittler im Fall Marsalek völlig im Dunkeln tappen. Es ist gut möglich, dass sie doch etwas über seinen Werdegang wissen und nur kein Interesse daran haben, diese Informationen öffentlich zu teilen. Was allerdings ein Fahnder dem «Spiegel» sagte, lässt tief blicken. Man hoffe hauptsächlich darauf, dass sich Marsalek eines Tages freiwillig stelle oder zufällig erkannt werde, sagte er. So klingt keine Behörde, die Bescheid weiss.
Im Prinzip kann inzwischen jede einigermassen technisch versierte Privatperson im Internet nach einer verflossenen Liebe suchen oder den unliebsamen Nachbarn stalken. Programme zur Gesichtserkennung kann man sich einfach herunterladen. Einige davon sind anfangs sogar gratis.
Die Verweigerung moderner Technik ist absurd
Die deutschen Ermittlungsbehörden dürfen das allerdings nicht. Noch nicht einmal, um damit im Internet nach Personen zu suchen, die weitaus schlimmere Taten als Klette oder Marsalek begangen haben. Sie müssen Verbrechen des 21. Jahrhunderts weitestgehend mit den Methoden des 20. Jahrhunderts aufklären. Das ist absurd.
Sicher, die Nutzung und Auswertung solcher Daten durch den Staat birgt Gefahren. Autokratische Systeme überwachen damit ihre Bürger immer engmaschiger. Zu Recht gelten für den Einsatz so umfassender digitaler Überwachungsmethoden in liberalen Demokratien hohe Hürden.
In Deutschland hat die Angst vor einem solchen Datenmissbrauch allerdings zu einem Extrem geführt. Den Sicherheitsbehörden sind die Hände gebunden. Sie müssen zuschauen, wie Journalisten für sie die Arbeit erledigen. Sie drohen zu zahnlosen Tigern zu werden.
Die deutsche Regierung sollte endlich einen vernünftigen Mittelweg einschlagen. Die Gesetze sollten die Daten unbescholtener Bürger schützen, die Ermittlungsbehörden aber nicht kastrieren. Zugegeben, das ist keine leichte Abwägung. Doch wenn sich die deutsche Regierung weiter dagegen sperrt, wird sie auch künftig den Aufenthaltsort prominenter Verdächtiger aus der Presse erfahren.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen