01 September 2025

Der Spiegel - Ist die Party-Brandmauer gefallen? (NZZ)

Ist die Party-Brandmauer gefallen?
Ein «Spiegel»-Bericht über Müllers Geburtstagsparty unterstellt, er wolle die AfD regierungsfähig machen (NZZ)
Der Unternehmer Theo Müller hatte die AfD-Chefin Alice Weidel zu seiner privaten Geburtstagsfeier eingeladen. Der «Spiegel» wittert finstere politische Absichten.
Susanne Gaschke, Berlin, 01.09.2025, 4 min
Vor einigen Wochen zerbrach sich der Chefredakteur des Hamburger Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» schwer den Kopf. Auf gleich drei Heftseiten sinnierte er darüber, warum die Alternative für Deutschland immer stärker werde – und ob sein Medium den richtigen Umgang mit der Rechtspartei pflege. Der «Spiegel», daran muss man in diesem Zusammenhang erinnern, versteht sich seit den Zeiten seines Gründers Rudolf Augstein als «Sturmgeschütz der Demokratie» in Deutschland.
In der aktuellen Ausgabe des Magazins findet sich mindestens ein Artikel, der die besorgten Fragen des Chefredakteurs recht eindrucksvoll beantwortet. Darin geht es – unter der Überschrift «Ziemlich rechtsextreme Freunde» – um eine Feier anlässlich des 85. Geburtstags von Theo Müller. Müller ist ein erfolgreicher bayrischer Lebensmittelunternehmer (Müllermilch, «Landliebe», Weihenstephan).
Der Milliardär, CDU-Grossspender und langjähriges CSU-Mitglied, hatte Ende Mai eine Party mit prominenten Gästen veranstaltet. Drei Monate später erschien nun ein Text, der diesen Anlass denunziert – und zwar als politische Kontaktbörse für die «extreme Rechte» beziehungsweise den «rechten Rand», deren Vertreter hier, so die These zweier «Spiegel»-Autorinnen
, ungestört mit der «bürgerlichen Mitte» «netzwerken» konnten.
Inquisitorischer Fragebogen
«Steckt dahinter die Absicht, die AfD, bzw. ihr rechtes Gedankengut, regierungsfähig zu machen?», wollten die Redakteurinnen von Müller wissen. Dem Gastgeber wurde – mit knapper Beantwortungsfrist – ein inquisitorisch anmutender Fragebogen präsentiert, in dem er sich für seine Einladungspraxis rechtfertigen sollte. Dieser Fragenkatalog liegt der NZZ vor.Zusammen mit dem veröffentlichten Text des «Spiegels» ergibt sich daraus ein Bild, das für Teile des deutschen Journalismus nicht ganz untypisch ist. Der Leser wird zunächst einmal, und zwar mit zahlreichen Adjektiven wie «pompös» oder «exquisit», auf den Prunk eingestimmt, von dem die private Feier geprägt gewesen sei: Angeblich «sprudelte» dort der Champagner; in den Festzelten hingen «Kronleuchter»; die Tischdekoration bestand unter anderem aus «weissen Straussenfedern» und «goldbesprühten Palmblättern».

Aus dem Detailreichtum, den der «Spiegel» auch sonst gern bemüht, um die Genauigkeit seiner Recherche zu beglaubigen, kann man schliessen, dass in diesem Fall entweder ein Undercover-Journalist vor Ort war – oder dass das Magazin sich unter den Gästen eine besonders ergiebige Quelle erschliessen konnte. «Fotos [von dem Anlass] liegen uns vor», schrieben die Autorinnen an Müller – in der Printausgabe sind diese Fotos allerdings nicht abgedruckt.
Hätten die Gäste sich lautstark empören müssen?

Nachdem die sozialneidfördernde Kulisse des unerhörten Luxus errichtet ist, geht es im Text weiter mit einer Art Kontaktschuldthese: Weil die AfD-Vorsitzende Alice Weidel mit Müller befreundet ist und also auch an diesem Tag anwesend war, hätten sich die anderen Gäste, so legen es die Autorinnen nahe, lautstark empören müssen. Weitere inkriminierte Festbesucher sind der Rechtsanwalt und ehemalige CSU-Politiker Peter Gauweiler, der Unternehmer und Publizist Rainer Zitelmann (er ist seit 31 Jahren FDP-Mitglied) und Roger Köppel, Verleger und Chef der Zürcher «Weltwoche».

«Hat einer Ihrer Gäste während des Festes oder danach artikuliert, dass er es nicht gut fand, bei Ihrer Feier auf Alice Weidel oder andere Vertreter der extremen Rechten zu treffen?», fragt der «Spiegel». Und antwortet selbst: «Offenkundig hatten die Anwesenden keine Probleme damit.»

Nun mag es gute Gründe dafür geben, Köppel, Zitelmann, Gauweiler und Weidel politisch abzulehnen. Sie pauschal als in genau gleicher Weise «rechtsextrem» zu brandmarken, ist aber absurd. So vertritt beispielsweise Gauweiler eine pazifistische, damit de facto Putin-freundliche Position zum russischen Krieg gegen die Ukraine. Das tun allerdings auch die BSW-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Feministin Alice Schwarzer. Darf die auch niemand mehr zum Geburtstag einladen?

Rainer Zitelmann hingegen ist ein unerschütterlicher Unterstützer des überfallenen Landes – und kritisiert die AfD bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Weidels AfD wiederum mag gegen den Mindestlohn eintreten und sich für eine harte, unsympathische Migrationspolitik aussprechen – aber bereitet man dem Faschismus schon den Weg, indem man in ihrer Gegenwart ein Stück Torte isst?
Verdächtige Musik von Beethoven

Der «Spiegel» prangert an, dass Theo Müller von der «Brandmauer» gegen die AfD wohl nicht viel halte: «Wenn ein erfolgreicher Unternehmer Rechtsextreme, Putin-Versteher und Klimakrisenskeptiker einladen kann und die sich munter unter andere Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur mischen – was sagt das aus? Wie tief ist solches Gedankengut schon eingesickert in die vermeintlich bürgerliche Mitte?»

Zumindest der Subtext des Artikels legt nahe, dass man mit «Rechten» – die das Magazin höchstinstanzlich als solche bestimmt – weder in einem Raum noch in einem Zelt oder Garten sein darf, ohne sich selbst verdächtig zu machen. Und offenbar gibt es Themen – wie die bereits erwähnte «Brandmauer», wie Klima, Atomkraft, Migration, Mindestlohn, Wissenschaftsfreiheit oder Cancel-Culture –, bei denen sich die «Spiegel»-Journalistinnen nur eine einzige legitime Wahrheit vorstellen können – ihre eigene.

Die Autorinnen wollten sehr viel von Müller wissen, unter anderem auch, wer die Musikstücke für seine Feier ausgewählt habe – etwa die «Ode an die Freude» von Ludwig van Beethoven. Vielleicht, so möchte man einmal wild spekulieren, weil es die Europa-Hymne ist, die auch auf den Sommerfesten höchst demokratischer Botschafter in Berlin erklingt?

Um dem nachdenklichen «Spiegel»-Chefredakteur einen unaufdringlichen Hinweis zu geben: Der Erfolg der AfD könnte – unter anderem! – auch durch eine Berichterstattung befördert werden, die ihren eigenen politischen Standpunkt so radikal verabsolutiert wie im vorliegenden Fall. Womöglich brauchen sogar die Kanoniere am «Sturmgeschütz der Demokratie» hin und wieder einen Auffrischungskurs in Sachen Pluralismus.

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