Ein Ergebnis der Studie: Wäre Deutschland 2002 bei
der Atomenergie geblieben, hätte es 600 Milliarden Euro gespart und
könnte dennoch mehr CO₂-freien Strom produzieren als mit all seinen
erneuerbaren Energien. Hätte Deutschland ab 2002 gar zusätzlich in die
Kernkraft investiert, wären seine Treibhausgas-Emissionen um rund 73
Prozent stärker reduziert worden – und das Land hätte dennoch 300
Milliarden Euro gespart im Vergleich zur Energiewende.
„Ungeachtet der Unsicherheiten in den Daten und Annahmen“, schreibt Emblemsvåg, „kann kein Zweifel daran bestehen, dass Deutschland sowohl bei den Ausgaben als auch bei den Klimagasemissionen deutlich besser abgeschnitten hätte als bei der aktuellen Energiewende.“ Er bilanziert: „Im Großen und Ganzen hätte die alternative Politik, die bestehenden AKW im Jahr 2002 zu erhalten und neue zu bauen, die Ausgaben halbiert, und Deutschland hätte seine Klimaziele erreicht.“
„AKW hätten viel geringere Kosten verursacht“
Für seine Berechnungen stützt sich der Forscher auf offizielle Daten von Behörden. Die Bilanz der Energiewende lautet demnach: Die Treibhausgas-Emissionen sanken seit 2002 um 25 Prozent. Die Kosten für die Transformation zu Wind und Sonne in Deutschland belaufen sich auf 696 Milliarden Euro, davon sind 310 Milliarden staatliche Subventionen.
Um die Kosten mit dem hypothetischen AKW-Betrieb zu vergleichen, legt Jan Emblemsvåg die Betriebskosten von 2002 zugrunde und rechnet sie auf heutige Werte hoch. Die jährlichen Aufwendungen für Kernkraft hätten sich seither auf 91,3 Milliarden Euro belaufen. Selbst bei Berücksichtigung von zehn Milliarden Euro Unsicherheit sei das Ergebnis eindeutig: „Es liegt auf der Hand, dass die Beibehaltung der AKW im Jahr 2002 im Vergleich zur derzeitigen Politik viel geringere Kosten verursacht hätte“, schreibt Emblemsvåg: Das Land hätte rund 600 Milliarden Euro gespart.
Gleichzeitig hätte die Kernkraft ähnliche
Mengen Treibhausgas eingespart wie die seit 2002 ausgebauten
Erneuerbaren: „Das Ergebnis in Bezug auf die Verringerung der
Klimagasemissionen wäre fast das gleiche wie heute“, resümiert der
Forscher: 181,8 Terawattstunden im Jahr brachten die Erneuerbaren. Die
Jahresproduktion der Kernkraft 2002 betrug 185,6 Terawattstunden im
Jahr. Die wurden zudem konstant geliefert und waren nicht
wetterabhängig.
Jene 600 Milliarden Euro Ersparnis bei Vermeidung des Atomausstiegs, die dann nicht in Erneuerbare geflossen wären, hätte das Land in den Ausbau der Kernkraft stecken können, schreibt Emblemsvåg. In seiner Studie rechnet er vor, welche Atomkraft-Kapazität Deutschland mit dem Geld hätte aufbauen können.
Der Forscher orientiert sich an Kernkraftwerken, die andere Industrieländer in jener Zeit gebaut haben, etwa Südkorea und die Vereinigten Arabischen Emirate. Auch Chinas AKW-Ausbau könnte als Referenz dienen, meint Emblemsvåg: 2010 übertraf Chinas Kernenergieproduktion nur knapp die deutsche im Jahr 2002. Pläne in Deutschland hätten allerdings bereits deutlich vor 2002 gemacht werden müssen, der AKW-Bau braucht entsprechenden Vorlauf, denn die durchschnittliche Bauzeit für AKW betrüge siebeneinhalb Jahre.
Das brisante Ergebnis: „Deutschland hätte bereits eine kohlenstofffreie Stromversorgung haben können, wenn das Land in neue Kernkraft investiert hätte“, rechnet Emblemsvåg vor. Und das zu geringeren Kosten als mit der Energiewende: „Alles in allem hätte solch eine Nuklearpolitik einschließlich der Aufrechterhaltung des Betriebs der bestehenden AKW im Jahr 2002 einen Aufwand von 364 Milliarden Euro erfordert – das sind 332 Milliarden Euro weniger als die Energiewende bislang gekostet hat. „Deutschland hätte seine Klimaziele mit großem Abstand erreicht“, folgert Emblemsvåg.
Warnungen vor den Kosten
Die Aufwendungen für die Einrichtung eines deutschen Endlagers für nukleare Abfälle sind in den Rechnungen zwar nicht enthalten – die ersten Länder bauen bereits Endlager. Die Kosten dafür seien jedoch „weit geringer“ als der Wert der restlichen Energie im radioaktiven Abfall. „Es wird geschätzt, dass der Atommüll in den USA das Land 100 Jahre lang mit Strom versorgen kann, aber die Technologie ist bislang nicht kommerziell verfügbar“, schreibt Emblemsvåg.
Der Forscher weist darauf hin, dass künftige Kosten der Energiewende unsicherer wären als die von Atom-Endlagern: Unklar seien etwa die Summen für die Kosten des Netzausbaus und für Speicher, für Subventionen für steuerbare Energie bei Dunkelflaute, für Subventionen für die Sicherung von Einnahmen für Erneuerbare bei Überproduktion und negativen Strompreisen oder für den Abbau der Wind- und Solar-Kraftwerke und die Entsorgung ihrer Abfälle.
Warnungen vor der Energiewende hatte es auch von staatlicher Stelle und vor allem aus der Wissenschaft
gegeben: Die Internationale Energieagentur IEA warnte 2013 vor hohen
Energiepreisen in Deutschland. Der Bundesrechnungshof mahnte in den
vergangenen zehn Jahren nahezu jährlich. Die Energiewende sei „nicht
ausreichend koordiniert und unzureichend gesteuert“, hieß es 2016. Der
Aufwand und die Belastungen für Bürger und Wirtschaft stünden in keinem
Verhältnis zu dem mageren Ertrag.
2021 konstatierte der Bundesrechnungshof, dass die Energiewende „den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet“. 2023 stellte er fest, dass Deutschland allein bis 2030 zusätzlich eine dreistellige Milliardensumme in die Energiewende stecken muss. Aber die bisherige Politik sei „nicht geeignet“, die Transformation sinnvoll umzusetzen.
Die Warnungen drangen nicht durch, auch, weil Medien in Deutschland den Atomausstieg in der Regel unterstützten.
„Die Schließung aller deutschen AKW war sehr kostspielig“, resümiert
Emblemsvåg. Das Nettoergebnis der Transformation im Hinblick auf
Emissionen hingegen „gleich null“. „Ein weiterer Ausbau der Atomkraft
hätte Deutschland seine Klimagasemissionsziele bei deutlich geringeren
Ausgaben gesichert.“
„Deutschland hätte eine Energiepolitik betreiben müssen, die auf dem Erhalt und Ausbau der Kernenergie basiert“, meint Emblemsvåg. Angesichts seiner Ergebnisse könne es „keinen Zweifel daran geben, dass Deutschland mehr dekarbonisiert hätte, wenn es in AKW statt in Erneuerbare investiert hätte – und das mit deutlich weniger nominalen Ausgaben“, bilanziert der Forscher. Die Schlussfolgerung laute, dass Deutschland seine Klimaziele mit einem „erheblichen Spielraum bei der Hälfte der Ausgaben der Energiewende erreicht hätte“.
Auf der Weltklimakonferenz in Dubai Ende 2023 haben 22 Staaten eine Deklaration beschlossen, die Stromproduktion aus Atomkraft bis 2050 zu verdreifachen. Neben den USA unterzeichneten auch 13 europäische Länder das Dokument. Deutschland war nicht dabei.
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