Auch abseits von Protestkundgebungen kommt es zu Gewalt. Lokale mit Bezug zu Israel wurden wiederholt Ziel von Angriffen, Juden und kritische Beobachter der propalästinensischen Szene berichten von Bedrohungen. Spätestens seit einem brutalen Angriff auf einen jüdischen Studenten im Februar ist die Gemeinde in Alarmbereitschaft.
Einschüchterungen und gewalttätige Übergriffe gibt es in der gesamten
Republik, etwa in Hamburg oder in Städten in Nordrhein-Westfalen. Das
Zentrum der israelkritischen Szene aber ist Berlin. Hier haben sich
unterschiedliche Milieus zusammengefunden, die auf den ersten Blick
wenig eint.
Zum einen gibt es hier eine seit Jahrzehnten ansässige
Pro-Palästina-Szene, Männer und Frauen mittleren Alters, deren Eltern
aus einst palästinensischen Gebieten geflohen sind. Sie organisieren
sich in Verbänden und Vereinen und sympathisieren mehrheitlich mit der
säkularen Fatah und der linken Terrororganisation PFLP.
Dazu kommen junge Akademiker, die teils in Deutschland geboren sind und in die palästinensische Community mitunter keine Bezüge haben. Einige Anhänger dieser Gruppe sind fürs Studium nach Berlin gekommen. Sie begreifen sich als links – und dämonisieren Israel als Kolonialmacht.
Drittens beobachten die Sicherheitsbehörden eine größer gewordene Gruppe erst kürzlich nach Deutschland migrierter Männer aus dem Gazastreifen, die aus ihrer Unterstützung für die islamistische Hamas keinen Hehl machen.
Die Propaganda findet ihre Anhänger. An den wiederkehrenden Demonstrationen beteiligen sich regelmäßig etliche hundert, mitunter auch mehr als tausend Teilnehmer. Der harte Kern der Agitatoren ist fast immer dabei.
Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) und der Leiter der Landespolizeidirektion, Roman Seifert, sprachen im Ausschuss für Verfassungsschutz am Montag von „etwa 40 Menschen, die der Polizei inzwischen bekannt seien“. Bei Demonstrationen verbreiteten sie „gezielt massiven Hass“. Um die Menge aufzustacheln, würden bei Demonstrationen zudem immer häufiger Kinder und Jugendliche eingesetzt.
Ein Jahr nach dem 7. Oktober ist in Sicherheitskreisen die Erkenntnis gereift: Das Ende der Radikalisierungsspirale ist nicht erreicht. WELT kennt behördeninterne Einschätzungen und weiß, wer die Drahtzieher der radikalen Palästinaszene sind.
Die Wortführerinnen
Eine der Frauen, die den Raketenbeschuss Israels auf dem Video von Khaled Shehadeh feiert, ist Yasemin Acar. Acar kommt aus Bad Kreuznach, ihre Eltern sind Kurden aus der Türkei. Im Netz bezeichnet sie sich als Projektmanagerin und Designerin.
Aufgefallen ist Acar jedoch auf
anderem Wege: Seit Monaten gehört sie zu einem kleinen Kreis von
Personen, die in Berlin Veranstaltungen mit Bezug zum Nahost-Konflikt
stören. Vermeintlich, um auf das Leid der Palästinenser aufmerksam zu
machen. In Wahrheit scheint es Acar um etwas anderes zu gehen: Feinde zu
markieren.
Bei einer Demonstration gegen Antisemitismus filmte Acar Teilnehmer.
„Ihr seid doch keine Menschen“, schrie sie die Anwesenden an. Mit Blick
auf die am 7. Oktober durch die Hamas ausgeübte sexuelle Gewalt rief
sie: „Wo sind denn eure Frauen, die angeblich vergewaltigt wurden?“ Nach
mehreren Minuten Gebrüll führten Polizisten die Störerin ab.
Auf einem anderen Video, das im Netz kursiert, ist zu sehen, wie sie mit einem Filzstift einen „Destroy Hamas“-Schriftzug („Hamas zerstören“) auf einem Gehweg durchstrich. Den Namen der Terrororganisation ersetzte sie mit dem Wort „Zionismus“.
Immer wieder störte oder unterbrach die radikale Aktivistin öffentliche Veranstaltungen von Politikern. Betroffen waren der Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU), die ehemalige US-Außenministerin Hillary Clinton und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Acars schlichte Botschaft: Ihre Gegenüber würden einen Genozid durch Israel unterstützen.
Bei einer anderen Demonstration geriet sie mit einer Frau aneinander. Acar schrie diese auf Englisch an: „Du bist eine weiße Person. Du hast uns nicht zu sagen, wie wir Dinge machen! (...) Ihr weißen Leute müsst verdammt nochmal zurücktreten!“
Das Weltbild vom weißen Aggressor und den muslimischen Opfern bekommt für Acar offenbar auch angesichts der Taten der Hamas keine Brüche. In einer Dokumentation des ZDF konfrontierte Moderatorin Dunja Hayali sie mit der Tatsache, dass die Terrororganisation Zivilisten im Gazastreifen als Schutzschilde benutze. Acars Reaktion: wortloses, offenbar ungläubiges Kopfschütteln. Auch auf die Frage, ob Acar die Hamas verurteile, erhielt Hayali keine klare Antwort. Stattdessen warf Acar ein: „Man kann auch Deutschland verurteilen“.
Ähnlich scheint es eine Frau zu sehen, die sich im
Internet Daria Modin oder Daria Modina nennt. Die 28 Jahre junge
Fotografin gehört ebenfalls zum harten Kern der
Pro-Palästina-Demonstrationen. Mit einem Megafon ausgestattet führte sie
zahlreiche Proteste an. Modinas Lieblingssprechchor: „Fuck you Germany.
Fuck you Israel“.
In einem Instagram-Post bezeichnete die russische Muttersprachlerin den
israelischen Einsatz im Gazastreifen als „Holocaust“. In der Forschung
gilt die Gleichsetzung Israels mit dem Nationalsozialismus als Form des
Antisemitismus. Das scheint Modina nicht davon abzuhalten, Israel zu
jeder Gelegenheit zu verteufeln. In einem von ihr geteilten Beitrag
heißt es etwa: „Die, die Israel verteidigen, unterstützen einen
bewiesenermaßen terroristischen, massenmordenden, rassistischen Staat.“
Das Narrativ, der Holocaust sei ein singuläres Ereignis, sei eine Idee
der „weißen Überlegenheit“. Dahinter steckten Versuche des „Kapitals“,
die Menschen davon abzulenken, dass „das System“ vom „täglichen
Massenmord“ lebe.
In einer Rede vor dem Gebäude des Berliner Amtsgerichts verharmloste
Modina die Hamas. „Bewaffneter Widerstand“, so ihr Wortlaut, sei kein
Terrorismus.
Bei Instagram warb Modina am Montag für eine Versammlung am Neuköllner Hermannplatz. Der Titel klang nach einer Verharmlosung des Terrors vom 7. Oktober: „Glory to the Resistance“. Eigentlich hätten weder Modina noch Yasemin Acar an der Demonstration teilnehmen dürfen. Die Polizei hatte den beiden behördenbekannten Aufwieglern per Auflage untersagt, an mehreren Veranstaltungen rund um den Jahrestag des 7. Oktobers teilzunehmen. Posts in den sozialen Medien legen nahe, dass sich mindestens eine der Frauen der Auflage widersetzte.
Schon vor einigen Monaten hatte das Landeskriminalamt
Berlin Modina in einem Schreiben, das sie selbst ins Internet stellte,
sensibilisiert, „sich zukünftig ausnahmslos am Normenkanon der
freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu orientieren“ – offenbar mit
überschaubarem Erfolg.
Streifzug durch Neukölln
Wer verstehen will, warum die Parolen von Einheizerinnen wie Yasemin Acar oder Daria Modina auf fruchtbaren Boden fallen, kann mit Extremismusexperten sprechen oder mit Wissenschaftlern, die zum Nahost-Konflikt forschen – oder er kann Menschen treffen, die in Deutschland im Herzen der pro-palästinensischen Protestbewegung leben: in der Sonnenallee in Neukölln. Der Gaza-Streifen, obwohl tausende Kilometer entfernt, ist in den Köpfen und auf den Handy-Bildschirmen vieler Anwohner hier omnipräsent.
Auf einem Plastikstuhl vor
einem Café, auf dem schmalen Streifen zwischen Bürgersteig und geparkten
Autos, sitzen an diesem Nachmittag einige Männer in Turnschuhen und
Jogginghosen und genießen die letzten Sonnenstrahlen. Sie tragen
Vollbärte, sind vielleicht um die 30. Als die Reporter sie ansprechen,
wirken sie freundlich und zugewandt.
Wie sie auf den Nahost-Konflikt blicken? Amjad, der eigentlich anders heißt, seinen richtigen Namen aber nicht in der Zeitung lesen will, zückt sein Handy und zeigt die neusten Schreckensbilder aus Gaza: brennende Häuser, tote Kinder, Leichen auf Krankenhausfluren. „Wie kann euch das kaltlassen?“, fragt er.
Amjad und seine Freunde sind
Palästinenser, nach eigener Aussage lebten sie früher in einem
Flüchtlingslager im Libanon. Nach Berlin kam er 2015, sagt einer der
Männer. Hier habe er seine Frau kennengelernt, hier sei ihr Kind zur
Welt gekommen, hier habe er Arbeit als Transportfahrer gefunden. Ja, er
sei Muslim, sagt er. „Aber die Religion ist mir egal.“ Was ihm nicht
egal ist: Palästina. „Das ist unser Land!“, sagt der Mann. Und in dem
Gespräch wird schnell klar, dass er damit nicht Gaza oder das
Westjordanland meint – sondern das gesamte israelische Staatsgebiet:
„From the river to the sea“.
„Schau mal, mein Lieber“, sagt ein anderer von Amjads Freunden. „Wir sind keine Antisemiten. Ich habe sogar jüdische Freunde. Aber wir haben das Recht, uns unser Land zurückzuholen.“ Und wie? „Wir müssen kämpfen!“, sagt er. Was dann mit Israel passieren solle? Mit den Juden? Der Mann zuckt mit den Schultern. „In Palästina könnten dann ja auch Juden und Christen leben“, behauptet er. Wirklich? Auch unter der Herrschaft der Hamas, jener islamistischen Terrorgruppe, deren Charta voller antisemitischer Verschwörungstheorien und Vernichtungsfantasien ist? Einer Antwort weichen Amjad und seine Freunde aus. Aber eines wird klar: Die Hamas als das zu bezeichnen, was sie ist, nämlich als Terrororganisation – das ist für sie absurd.
Wer die Telegram-Kanäle administriert, von denen sie die Bilder aus Gaza heruntergeladen, wissen die Männer nicht. Auch woher die Fotos stammen, scheint sie nicht zu interessieren. Und die Gründe, die zu dem israelischen Einmarsch in Gaza führten? Der Hamas-Angriff vom 7. Oktober? Amjad winkt ab. „Die deutsche Presse lügt“, sagt er. Das sei auch kein Wunder. Denn die Medien in Deutschland seien „von Juden“ kontrolliert.
Fallen in Gaza Bomben, schauen sie Al-Jazeera, sagt einer von Amjads Freunden. Oder eben, was auf Telegram oder TikTok gepostet wird. „Alle kennen die Bilder“, sagt Amjad. Wenn dann auf der Sonnenallee demonstriert wird: „Dann bin ich dabei.“
Die Influencer
Die Chancen stehen gut, dass Amjad bei den Demonstrationen auf Khaled Shehadeh trifft. Der Influencer gehört zu den bekanntesten Wortführern der Szene. Er betreibt mehrere Profile unter wechselnden Namen in den Sozialen Medien mit Tausenden Followern. Regelmäßig trat er bei Kundgebungen auf der Sonnenallee auch als Redner auf.
Die Sicherheitsbehörden beobachten mittlerweile genau, was Shehadeh im Internet und auf den Straßen treibt. Denn in der Vergangenheit bezeichnete er Polizisten als „Schweine“ und markierte auf Fotos und Videos Journalisten und Gegendemonstranten mit einem roten Dreieck – einem von der Hamas genutzten Symbol zur Kenntlichmachung militärischer Ziele. Über den „Bild“-Journalisten Iman Sefati sagte Shehadeh in einem Video: „Wir wissen, wo du wohnst“. Zuvor hatten Unbekannte Sefati vor seiner Haustür mit einem Messer bedroht.
In
zahlreichen auf seinem Profil hochgeladenen Demo-Videos skandierte
Shehadeh „Hamas“ oder „Quassam“ (der militärische Arm der Hamas).
Ende September bekam er dann schließlich Besuch von der Polizei. Den Einsatz machte er wenig später selbst auf seinem Instagram-Profil publik. Dort berichtete er, dass Beamte um 5.45 Uhr seine Wohnungstür in Schöneberg aufgebrochen hätten. Den Einsatz bezeichnete er als Schikane und warf Deutschland vor, „dass es nicht aus seiner Geschichte gelernt habe“.
Was
Shehadeh nicht erwähnt: Die Berliner Behörde ermittelt gegen ihn wegen
Landfriedensbruch. Er soll sich am 11. Juli an einer gewalttätigen
Demonstration auf der Sonnenallee beteiligt haben.
Nicht minder bekannt ist Serhat Sisik, der sich im Netz das Pseudonym „Aggressionsprobleme“ gegeben hat. Sisiks Profil bei Instagram zählt mehr als 180.000 Follower. Sisik wurde im vergangenen Jahr einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, weil er die Falschmeldung verbreitet hatte, dass bei einer Demonstration auf der Sonnenallee ein 13-jähriger Junge von der Polizei schwer verletzt worden sei und in Lebensgefahr schwebe. Tatsächlich handelte es sich aber um einen 16-Jährigen, der bei einer Festnahme leicht verletzt worden war.
Sisik gilt als Sprachrohr der Szene, der dank seiner Reichweite auf Demonstrationen aufmerksam machen kann. Gegen ihn laufen nach eigener Aussage mehrere Verfahren – unter anderem wegen „öffentlicher Aufforderung zu Straftaten“. Sisik scheint zudem gut vernetzt in die deutsche Salafisten-Szene. Mehrere Fotos zeigen ihn mit wichtigen islamistischen Szene-Figuren wie Marcel Krass und Pierre Vogel, sowie mit Ahmad Tamim von Generation Islam.
Die neue Großfamilie
Als einen weiteren zentralen Akteur der radikalen propalästinensischen Szene haben die Behörden Familie B. identifiziert. Sie stammt aus Chan Yunis im Gazastreifen, und die meisten ihrer Mitglieder, so heißt es in Behördenkreisen, sind erst nach dem Hamas-Angriff vor einem Jahr nach Berlin gekommen. Szenebeobachter rechnen ihr in der Hauptstadt mittlerweile rund etwa 30 bis 50 Personen zu – mit steigender Tendenz, wie es heißt.
Wenn auf der Sonnenallee oder am Hermannplatz demonstriert wird, sind Mitglieder der Familie B. ganz vorne mit dabei. Einer von ihnen ist Helmi B., der in einem Flüchtlingsheim in Neukölln lebt und aktuell eine Duldung hat. Er soll im März dieses Jahres nach Deutschland eingereist sein. Die Polizei ermittelt gegen ihn wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung. Das Verfahren steht im Zusammenhang mit dem Angriff auf den Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU) am 12. September dieses Jahres.
Damals war bei der Eröffnung des „Zentrums für Kultur und Urbanistik“ aus einer Gruppe von etwa vierzig Personen ein Mikrofonständer in Richtung Chialo
geworfen worden. Dabei wurde eine Frau getroffen. Chialo, der selbst
schwarze Hautfarbe hat, war aus der Menge heraus als „Rassist“
beschimpft worden. Die pro-palästinensischen Demonstranten werfen ihm
eine zu israelfreundliche Haltung vor.
Helmi B. gilt – wie mehrere Mitglieder seiner Familie als glühender
Unterstützer der Hamas. Diesen Schluss lassen mehrere Posts in den
sozialen Medien zu, wo B. auch Videos und Fotos der Terrororganisation
teilt. Sein Profil bei Instagram schmücken die palästinensische und
deutsche Flagge und das rote Hamas-Dreieck.
Damit ist Helmi B. nicht der einzige Spross der Familie, der offen für die Terrororganisation wirbt. Auch sein Verwandter Hashim B., dessen Profil bei Instagram inzwischen nicht mehr öffentlich zugänglich ist, warb dort für die Hamas. Bilder, die er teilte und die WELT vorliegen, zeigten Kämpfer der Terrororganisation oder tote israelische Soldaten.
Als
Anfang vergangener Woche zwei Attentäter mit Schnellfeuerwaffen in Tel
Aviv sieben Menschen töteten, verbreitete B. mehrere Bilder des
Anschlags. Dazu schrieb er: „Gott ist groß“ und „Wieder ein glorreicher
Oktober“.
Die Behörden zeigen sich vom wachsenden Einfluss der Familie auf den Neuköllner Straßen alarmiert. Die Gründe für ihr auffallendes Engagement in der Anti-Israel-Propaganda seien noch nicht ganz klar, heißt es. Es falle aber auf, dass die meisten ihrer Mitglieder in der Zeit nach dem 7. Oktober nach Deutschland gekommen sei.
Auch Migranten würden mit Sorge auf die Entwicklung blicken, heißt es in Neukölln. Menschen, die einst selbst vor Islamisten geflohen seien, würden ebenjenen nun in Berlin begegnen. Die düstere Prognose eines Beamten: „Wir werden uns noch nach den Tagen zurücksehnen, als uns vor allem die Familie Remmo beschäftigte.“
Beobachter und Zielscheiben
Eine, die das Auftreten der Familie B. aus nächster Nähe beobachtet hat, ist Karoline Preisler. Die FDP-Politikerin engagiert sich seit dem 7. Oktober verstärkt gegen Judenhass. Am Rande von propalästinensischen Veranstaltungen hält sie Schilder mit der Aufschrift „Rape is not resistance“ („Vergewaltigung ist kein Widerstand“) oder „Believe Israeli Women“ (Glaubt israelischen Frauen) hoch, um auf die Verbrechen der Hamas aufmerksam zu machen.
Die Demonstrationen gegen Israel seien
zwar etwas kleiner geworden. Das Aggressionspotential sei jedoch
ungleich stärker gewachsen. „Die, die jetzt noch dabei sind, lehnen
Gewalt nicht mehr ab“, sagt Preisler. Die 53-Jährige hat das wiederholt
am eigenen Leib erlebt. Sie wurde bereits geschubst, bespuckt und
beleidigt. Die Drohungen gegen sie seien extremer geworden.
Vor Kurzem hat ein Jugendlicher 700 Leuten meine Adresse zugerufen.
Der drohte mir: ‚Ich besuche dich, wenn die Polizei nicht da ist‘“,
erzählt sie.
Tatsächlich ist die Polizei inzwischen fast immer da. Sie schützt Preisler und ihre Familie vor Übergriffen, die ihr im Netz offen angedroht werden. Reist die Politikerin in andere Städte, begleiten Polizeibeamte sie in den Zug und von dort zum Veranstaltungsort. Zu groß ist die Gefahr, dass die Politikerin angegriffen wird. Dabei geht es ihr laut eigener Aussage nur um eines: dass das Schicksal israelischer Frauen nicht vergessen wird.
Bei
Versammlungen gegen Israel sei häufig eine kleine Gruppe aus der Familie
B. anwesend, die sich vor ihr oder Polizisten aufbaue, um zu
provozieren. „Die sind bestens vernetzt. Die nutzen ihre Strukturen, um
die demokratische Bevölkerung einzuschüchtern“, sagt Preisler.
Allgemein würden auf Demonstrationen häufig Minderjährige und junge Frauen nach vorne geschickt. Das Ziel: Bilder von vermeintlicher Polizeigewalt provozieren. Die jungen Menschen würden zu diesem Zweck instrumentalisiert. „Ich rede mit den Leuten ja. Da gibt es etwa den neunjährigen Ali. Der sagt zu mir am Ende: Tschüss, bis Samstag.“ Es seien teilweise „nette Jungs“ – aber aus „übelsten Hintergründen“.
Für ihr Engagement erhalte sie viel Zuspruch, berichtet Preisler. Auch muslimische Bekannte würden sich bei ihr bedanken. Viele von ihnen würden sich selbst nicht trauen, sich dem Hass auf Israel entgegenzustellen. „Die Mehrheitsgesellschaft hat eine Scheiß-Angst. Dabei machen sich viele richtig Sorgen um unser Land“, glaubt Preisler. Sie warnt: „Wenn wir uns jetzt nicht wehren, haben wir den Terror bald vor unserer Tür.“
Eine der profiliertesten Kennerinnen der
Neuköllner Migranten-Community ist Güner Balci. Die 49-Jährige wurde
hier geboren, arbeitete mit Jugendlichen und befasste sich mit den
Problemen und der Entwicklung des Bezirks als Journalistin,
Dokumentarfilmerin und Publizistin. Mittlerweile arbeitet sie als
Integrationsbeauftragte im Neuköllner Bezirksamt.
Die Anfeindungen und die Gewalt gegen Juden und Israelis hätten sich längst verselbständigt, sagt Balci. Nach dem Hamas-Angriff am 7. Oktober hätten die pro-palästinensischen Stichwortgeber ihren Judenhass eher noch verdeckt in die Welt getragen. „Mittlerweile propagieren viele diesen Judenhass ganz offen.“ Wenn auf Demonstrationen dazu aufgerufen werde, Juden zu erschießen, fände einige das völlig in Ordnung. „Sie haben auch keine Probleme damit, dass jüdische Menschen oder auch Polizisten oder Journalisten am Rande dieser Demonstrationen angegriffen werden“, sagt Balci.
Der Hass auf Juden gehöre für „viel zu viele“ Hamas-Befürworter mittlerweile zur Identität. Die Szene feiere Terrorangriffe und identifiziere sich mit dem terroristischen Märtyrer-Kult. „Es ist ein richtiges Ausleben von Hass, von Hetze und Gewalt.“
Zwar gebe es in der Community der Palästinenser auch leisere Stimmen, die sich gegen den Terror von Hamas und Hisbollah aussprechen, sagt Balci. Doch diese Stimmen gingen unter. Viele Menschen trauten sich mittlerweile auch nicht mehr, ihre Meinung zu sagen – „weil sie nicht nur niedergebrüllt, sondern auch niedergeknüppelt werden“. Sich dem Hass und der Gewaltbereitschaft entgegenzustellen, erfordere mittlerweile viel Mut. „Denn am Ende des Tages haben wir es mit Terror befürwortenden Kriminellen zu tun“, sagt Balci.
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