24 Oktober 2024

US-Präsidentschaftswahlkampf - So hat ihn seine Mama nicht erzogen (Cicero)

US-Präsidentschaftswahlkampf
- So hat ihn seine Mama nicht erzogen (Cicero)
Kamala Harris kommt bei Männern derzeit nicht gut an. Ihre Strategie, diese Wählergruppe für sich zu gewinnen, dürfte allerdings ins Leere laufen. Denn ohne Arroganz und Moralpredigten kommt das Werben der Demokraten um „White Dudes“ nicht aus.
VON GREGOR BASZAK am 21. Oktober 2024 8 min
Männlichkeit ist toxisch. Und Männer, die viel Sport machen, sind es sowieso. Denn Fitness, das wissen wir dank dem US-Nachrichtensender MSNBC, ist eine „Obsession der extremen Rechten“. Männlichkeit steht unter Pauschalverdacht. Zu Zeiten der MeToo-Bewegung etwa galt das Mantra „Believe all Women“, also „Glaube allen Frauen“, wenn sie einem Mann einen Missbrauchsvorwurf machen. 
Überhaupt hatten es Männer viel zu lange zu gut und müssen per Quotenregelung mehr Frauen in Spitzenpositionen Platz machen. Allen voran weiße Männer, die genüsslich und ohne Rücksicht auf Schwächere ihr Privileg an der Spitze der sozialen Hierarchie über Jahrtausende ausgelebt haben. Darum stand es für Joe Biden während des Präsidentschaftswahlkampfs 2020 ohne Zweifel fest, dass sein Vize unbedingt eine schwarze Frau sein musste. Damals fiel Bidens Entscheidung auf Kamala Harris, die vier Jahre später half, den greisen Biden aus dem Amt zu drängen. Blöd gelaufen für den alten weißen Mann. Girl power!
Männer bevorzugen Donald Trump
Harris steht politisch genau für jenen links-identitären Kurs, für den die eingangs erwähnten Überzeugungen als Beispiele dienen, und den die US-Demokraten seit einigen Jahren eingeschlagen haben. Aber das könnte sie jetzt teuer zu stehen kommen. Denn kaum überraschend fahren Männer eher weniger darauf ab, als Wurzel allen Übels verdammt zu werden. Darum ist das Geschlechterverhältnis beim derzeitigen Präsidentschaftswahlkampf stark polarisiert – Frauen bevorzugen laut Umfragen deutlich Harris, Männer deutlich Donald Trump. 
Diese Polarisierung könnte Harris zum Verhängnis werden. Denn in den heiß umkämpften Swing States des Mittleren Westens und des sogenannten „sun belts“ im Süden ist Trumps Vorsprung unter Männern so eindeutig, dass er Harris die Wahl kosten könnte. Bei der ethnischen Polarisierung ist es nicht anders. Trump dominiert besonders unter weißen Wählern der traditionellen Arbeiterklasse, und die entschieden vor acht Jahren schon einmal die Wahl für Trump und tendieren auch heute wieder stark zu ihm – nicht zuletzt in den womöglich wahlentscheidenden, mehrheitlich weißen Staaten Pennsylvania, Michigan und Wisconsin.

Darum scheint im demokratischen Lager nun die verspätete Einsicht einzukehren, dass man die gescholtenen weißen Männer doch bitterlich braucht. Das wurde schon im Sommer deutlich, als die Kampagne „White Dudes for Harris“, also „weiße Typen für Harris“, kurzzeitig die Schlagzeilen beherrschte. Der Versuch wirkte eher grobschlächtig, und viele Republikaner fragten sich, ob es denn genauso auf mediale Akzeptanz gestoßen wäre, wenn sich „White Dudes for Trump“ zusammengeschlossen hätten. Aber die Kampagne gab schon früh ein Indiz dafür ab, dass die Demokraten nervös auf diese ausschlaggebende Wählergruppe schielten.

Auch Harris’ Wahl ihres Running Mate Tim Walz, derzeit Gouverneur von Minnesota, sollte dem Trend entgegenwirken. Der weißhaarige Walz wirkt seither jedoch eher wie eine tölpelhafte Karikatur des freundlichen älteren Mannes aus dem Mittleren Westen, und scheint gerade deswegen nicht wirklich gut bei männlichen Wählern anzukommen. Kürzlich wollte Walz bei einer Reihe an explizit männerorientierten Auftritten auf Stimmenfang gehen, unter anderem bei einer Fasanenjagd mit jungen Social-Media-Influencern, die ihn mit ihren Handys in besonders heroischer Pose erwischen sollten. Der Auftritt wurde weithin belächelt. Walz schien mit dem Laden seines Gewehrs zu hadern, und sein affektiertes Jagdoutfit erinnerte viele an Bugs Bunnys alte Nemesis, Elmer Fudd.

Nicht weniger Spott erntete der Werbeclip „Man enough“, der jüngst vom Comedy-Autor Jacob Reed ins Netz gestellt und seither von Harris nahestehenden Organisationen geteilt worden ist. Im Video präsentiert sich eine Reihe junger Schauspieler als selbstbewusst männlich. Er trinke seinen Whisky pur, sagt einer breitbeinig auf der Hantelbank protzend. „Glaubst du, ich hab’ Angst davor, einen Vergaser umzubauen?“, meint ein korpulenter Kerl mit Cowboyhut. „Ich esse Vergaser zum Frühstück!“ Ein weiterer Darsteller prahlt: „Ich bin Manns genug, mein Steak blutig zu genießen.“ Dabei sitzt eher unbeholfen auf dem Heck eines Pick-Up-Trucks.

Die Pointe des Clips ist natürlich, dass alle Darsteller sich ebenso „Manns genug“ fühlen, keine Angst vor einer Frau im Weißen Haus zu haben. Zumal einer schwarzen Frau. Aber auch bei diesem besonders verzweifelt wirkenden Versuch, männliche Wähler von Kamala Harris zu überzeugen, konnten sich die Produzenten nicht verkneifen, eine Moralpredigt über männliche Arroganz einzubauen: „Ich hab’ sogenannte Männer satt, die Frauen bevormunden, herabsetzen und beherrschen, nur damit sie sich mächtiger fühlen“, klagt ein weiterer Darsteller. „So hat mich meine Mama nicht erzogen“, ergänzt der pummelige Möchtegern-Cowboy. Wen soll sowas denn bitte überzeugen? Männer reduziert auf ein paar verniedlichende Stereotypen, die gewiss ironisch gemeint waren. Aber dafür hätte der Clip wenigstens witzig sein müssen.

Mangelnder Enthusiasmus der Kernwählerschaft

Es wirkt alles unglaublich erzwungen vonseiten der MeToo-Partei, die nach Jahren der anti-patriarchalischen Agitation irgendwie vergessen zu haben scheint, wie Männer wirklich ticken. Und zwar nicht nur weiße Männer. Denn laut einer neuen New York Times-Umfrage droht Donald Trump auch unter der sichersten demokratischen Wählergruppe voranzukommen – nämlich schwarzen Amerikanern.

Eigentlich stimmen seit einigen Jahrzehnten üblicherweise etwa 90 Prozent aller Schwarzen für den demokratischen Kandidaten, doch sieht die Umfrage diese Ziffer auf 78 Prozent abgeschmolzen. Das ist zwar immer noch ein ordentlicher Vorsprung, aber beim erwarteten knappen Wahlausgang könnte der mangelnde Enthusiasmus der Kernwählerschaft ausschlaggebend sein. 

Vor allem schwarze Männer scheinen vermehrt von Trump überzeugt, laut Umfrage immerhin 20 Prozent, die sich nach heutigem Stand für ihn aussprechen würden. Dies verleitete die Demokraten zu ihrer bisher vermutlich größten Verzweiflungstat des Wahlkampfs – sie entsandten Barack Obama, damit auch er vor versammelter Zuhörerschaft schwarzer Männer in Pittsburgh, Pennsylvania, seine Enttäuschung über die mangelnde Unterstützung für Harris zum Ausdruck bringen konnte.

Obama klagte in bei ihm eher unnatürlich anmutenden Slang, dass diese fehlende Begeisterung von Harris „vor allem bei den Brothers ausgeprägt ist“. Dabei sei die Wahl doch klar: auf der einen Seite Donald Trump, auf der anderen „jemand, der so aufgewachsen ist wie ihr, euch kennt, mit euch zur Schule gegangen ist“. Doch dieses Beharren auf Harris’ schwarzer Identität hat ein gewichtiges Glaubwürdigkeitsproblem. 

Als Tochter zweier wohlhabender Akademiker, eines jamaikanischen Vaters und einer tamilischen Mutter, entstammt Harris einem ganz anderen kulturellen Hintergrund als die meisten Afroamerikaner. Außerdem verbrachte sie mehrere prägende Jahre als Teenager in Montreal, Kanada, was den Alltagserfahrungen der meisten schwarzen US-Amerikaner nicht ferner sein könnte. Den afroamerikanischen Dialekt spricht Harris sogar noch gekünstelter als Obama. Das hört man deutlich. „So aufgewachsen wie ihr“ ist Harris also ganz und gar nicht. Und das wissen eben auch viele schwarze Männer, was sich entsprechend auf ihren Enthusiasmus für Harris auswirkt. 

Verfassungsrechtlich grenzwertige Kreditversprechen

Dass Harris nämlich alles andere als eine organische Verbundenheit mit schwarzen Männern aufweist, wird bei ihrem jüngsten Vorstoß ersichtlich: ihrem Wirtschaftsplan für schwarze Männer. Darunter tauchen eher unklare Versprechen auf, zum Beispiel, dass ihre Administration „Krypto-Investments schützen“ wolle, damit „schwarze Männer, die sie tätigen, wissen, dass ihr Geld sicher ist“. Daneben verspricht das Harris-Lager die Legalisierung von Cannabis für den Freizeitkonsum sowie ausdrücklich für „schwarze Unternehmer“ gedachte – und damit verfassungsrechtlich eher grenzwertige – Geschäftskredite, die bis 20.000 Dollar vollständig erlassbar sein sollen. Das klingt eher, als verspreche man augenzwinkernd 20.000 Dollar pro Stimme, weil man sonst nicht weiß, wie man die Wähler überzeugen könnte; außer durch Cash.

Natürlich weckt so etwas den Neid bei explizit ausgeschlossenen Gruppen – zum Beispiel weißen Männern. Was wird denn den „white dudes“ in Aussicht gestellt? Was hat Harris außer vielleicht peinliche Sketchvideos? So sehr sich die Demokraten auch winden, um ihre disparaten Wählergruppen zusammenzuhalten, so sehr droht der Laden eben wegen seiner forcierten Diversität immer mehr auseinanderzufallen. Denn Männer zu bevormunden und herabzusetzen, kann auch nicht im Sinne von Mamas Erziehung gewesen sein.

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