Darum scheint im
demokratischen Lager nun die verspätete Einsicht einzukehren, dass man
die gescholtenen weißen Männer doch bitterlich braucht. Das wurde schon
im Sommer deutlich, als die Kampagne „White Dudes for Harris“, also
„weiße Typen für Harris“, kurzzeitig die Schlagzeilen beherrschte. Der
Versuch wirkte eher grobschlächtig, und viele Republikaner fragten sich,
ob es denn genauso auf mediale Akzeptanz gestoßen wäre, wenn sich
„White Dudes for Trump“ zusammengeschlossen hätten. Aber die Kampagne
gab schon früh ein Indiz dafür ab, dass die Demokraten nervös auf diese
ausschlaggebende Wählergruppe schielten.
Auch Harris’ Wahl ihres Running Mate Tim Walz, derzeit Gouverneur von Minnesota, sollte dem Trend entgegenwirken. Der weißhaarige Walz wirkt seither jedoch eher wie eine tölpelhafte Karikatur des freundlichen älteren Mannes aus dem Mittleren Westen, und scheint gerade deswegen nicht wirklich gut bei männlichen Wählern anzukommen. Kürzlich wollte Walz bei einer Reihe an explizit männerorientierten Auftritten auf Stimmenfang gehen, unter anderem bei einer Fasanenjagd mit jungen Social-Media-Influencern, die ihn mit ihren Handys in besonders heroischer Pose erwischen sollten. Der Auftritt wurde weithin belächelt. Walz schien mit dem Laden seines Gewehrs zu hadern, und sein affektiertes Jagdoutfit erinnerte viele an Bugs Bunnys alte Nemesis, Elmer Fudd.
Nicht weniger Spott erntete der Werbeclip „Man
enough“, der jüngst vom Comedy-Autor Jacob Reed ins Netz gestellt und
seither von Harris nahestehenden Organisationen geteilt worden ist. Im
Video präsentiert sich eine Reihe junger Schauspieler als selbstbewusst
männlich. Er trinke seinen Whisky pur, sagt einer breitbeinig auf der
Hantelbank protzend. „Glaubst du, ich hab’ Angst davor, einen Vergaser
umzubauen?“, meint ein korpulenter Kerl mit Cowboyhut. „Ich esse
Vergaser zum Frühstück!“ Ein weiterer Darsteller prahlt: „Ich bin Manns
genug, mein Steak blutig zu genießen.“ Dabei sitzt eher unbeholfen auf
dem Heck eines Pick-Up-Trucks.
Die Pointe des Clips ist natürlich, dass alle Darsteller sich ebenso „Manns genug“ fühlen, keine Angst vor einer Frau im Weißen Haus zu haben. Zumal einer schwarzen Frau. Aber auch bei diesem besonders verzweifelt wirkenden Versuch, männliche Wähler von Kamala Harris zu überzeugen, konnten sich die Produzenten nicht verkneifen, eine Moralpredigt über männliche Arroganz einzubauen: „Ich hab’ sogenannte Männer satt, die Frauen bevormunden, herabsetzen und beherrschen, nur damit sie sich mächtiger fühlen“, klagt ein weiterer Darsteller. „So hat mich meine Mama nicht erzogen“, ergänzt der pummelige Möchtegern-Cowboy. Wen soll sowas denn bitte überzeugen? Männer reduziert auf ein paar verniedlichende Stereotypen, die gewiss ironisch gemeint waren. Aber dafür hätte der Clip wenigstens witzig sein müssen.
Mangelnder Enthusiasmus der Kernwählerschaft
Es
wirkt alles unglaublich erzwungen vonseiten der MeToo-Partei, die nach
Jahren der anti-patriarchalischen Agitation irgendwie vergessen zu haben
scheint, wie Männer wirklich ticken. Und zwar nicht nur weiße Männer.
Denn laut einer neuen New York Times-Umfrage droht Donald Trump
auch unter der sichersten demokratischen Wählergruppe voranzukommen –
nämlich schwarzen Amerikanern.
Eigentlich stimmen seit einigen Jahrzehnten üblicherweise etwa 90 Prozent aller Schwarzen für den demokratischen Kandidaten, doch sieht die Umfrage diese Ziffer auf 78 Prozent abgeschmolzen. Das ist zwar immer noch ein ordentlicher Vorsprung, aber beim erwarteten knappen Wahlausgang könnte der mangelnde Enthusiasmus der Kernwählerschaft ausschlaggebend sein.
Vor allem schwarze Männer scheinen vermehrt
von Trump überzeugt, laut Umfrage immerhin 20 Prozent, die sich nach
heutigem Stand für ihn aussprechen würden. Dies verleitete die
Demokraten zu ihrer bisher vermutlich größten Verzweiflungstat des
Wahlkampfs – sie entsandten Barack Obama, damit auch er vor versammelter
Zuhörerschaft schwarzer Männer in Pittsburgh, Pennsylvania, seine
Enttäuschung über die mangelnde Unterstützung für Harris zum Ausdruck
bringen konnte.
Obama klagte in bei ihm eher unnatürlich anmutenden Slang, dass diese fehlende Begeisterung von Harris „vor allem bei den Brothers ausgeprägt ist“. Dabei sei die Wahl doch klar: auf der einen Seite Donald Trump, auf der anderen „jemand, der so aufgewachsen ist wie ihr, euch kennt, mit euch zur Schule gegangen ist“. Doch dieses Beharren auf Harris’ schwarzer Identität hat ein gewichtiges Glaubwürdigkeitsproblem.
Als Tochter zweier wohlhabender Akademiker, eines jamaikanischen Vaters und einer tamilischen Mutter, entstammt Harris einem ganz anderen kulturellen Hintergrund als die meisten Afroamerikaner. Außerdem verbrachte sie mehrere prägende Jahre als Teenager in Montreal, Kanada, was den Alltagserfahrungen der meisten schwarzen US-Amerikaner nicht ferner sein könnte. Den afroamerikanischen Dialekt spricht Harris sogar noch gekünstelter als Obama. Das hört man deutlich. „So aufgewachsen wie ihr“ ist Harris also ganz und gar nicht. Und das wissen eben auch viele schwarze Männer, was sich entsprechend auf ihren Enthusiasmus für Harris auswirkt.
Verfassungsrechtlich grenzwertige Kreditversprechen
Dass Harris nämlich alles andere als eine organische Verbundenheit mit schwarzen Männern aufweist, wird bei ihrem jüngsten Vorstoß ersichtlich: ihrem Wirtschaftsplan für schwarze Männer. Darunter tauchen eher unklare Versprechen auf, zum Beispiel, dass ihre Administration „Krypto-Investments schützen“ wolle, damit „schwarze Männer, die sie tätigen, wissen, dass ihr Geld sicher ist“. Daneben verspricht das Harris-Lager die Legalisierung von Cannabis für den Freizeitkonsum sowie ausdrücklich für „schwarze Unternehmer“ gedachte – und damit verfassungsrechtlich eher grenzwertige – Geschäftskredite, die bis 20.000 Dollar vollständig erlassbar sein sollen. Das klingt eher, als verspreche man augenzwinkernd 20.000 Dollar pro Stimme, weil man sonst nicht weiß, wie man die Wähler überzeugen könnte; außer durch Cash.
Natürlich
weckt so etwas den Neid bei explizit ausgeschlossenen Gruppen – zum
Beispiel weißen Männern. Was wird denn den „white dudes“ in Aussicht
gestellt? Was hat Harris außer vielleicht peinliche Sketchvideos? So sehr
sich die Demokraten auch winden, um ihre disparaten Wählergruppen
zusammenzuhalten, so sehr droht der Laden eben wegen seiner forcierten
Diversität immer mehr auseinanderzufallen. Denn Männer zu bevormunden
und herabzusetzen, kann auch nicht im Sinne von Mamas Erziehung gewesen
sein.
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