Seine größte Spur hinterlässt Scholz nicht in Staatsangelegenheiten, sondern in Parteifragen. Hier hat er gewirkt, wenn auch verhängnisvoll für die SPD. Es hilft kein Drumherumreden mehr: Deutschlands älteste Partei hat in seiner Kanzlerschaft aufgehört, eine Volkspartei zu sein.
Der Schadensfall ist eingetreten, weil der Jurist Scholz zwei historische Lektionen für sich nie angenommen hat. Die eine Lektion verdanken wir dem innerparteilichen Reformer Willy Brandt, lange bevor er Kanzler wurde, die andere dem Sozialisten-Hasser Otto von Bismarck.
#Die Willy-Brandt-Lektion: Die SPD ist Volkspartei oder gar nicht
Es war Berlins Regierender Bürgermeister Willy Brandt,
der im November 1959 in einer fulminanten Rede das neue
Grundsatzprogramm der Partei vorstellte. Es ging in Bad Godesberg um den
Abschied vom Klassenkampf.
Nach drei verlorenen Bundestagswahlen erkannte die Partei, dass man neue Wählerschichten gewinnen muss, wenn man Mehrheitspartei werden will. Die Überwindung des Kapitalismus, der eben erst ein deutsches Wirtschaftswunder vollbracht hatte, war weder für die Industriearbeiter noch für das Bürgertum attraktiv.
Es kam zur Programmumkehrung. Nun hieß es: „So viel Markt wie möglich, so viel Planung wie nötig“. Der demokratische Sozialismus war passé.
Sozialstaat zuerst: Verbal wird „die arbeitende Mitte“ hochgehalten, im Alltag aber hat man sich dem „Social Engineering“ verschrieben, der Perfektionierung des Sozialstaates.
Die 50 Milliarden für das Bürgergeld knöpft man der arbeitenden Mitte ab, um es der nicht arbeitenden Unterschicht zu überweisen.
Die Migrationspolitik der SPD hat im Wesentlichen eine
Zuwanderung in den Sozialstaat bewirkt und nicht in den Arbeitsmarkt.
Die arbeitende Mitte spürt, dass hier erneut ihre Energiespeicher
angezapft werden.
Die Überpriorisierung der Klimapolitik, die zur Verteuerung der Energie, zur Einschränkung von Unternehmerfreiheit und letztlich zur wirtschaftlichen Stagnation des Landes führte, hat der Industriearbeiterschaft Schaden zugefügt. Die Werksschließungen bei Volkswagen sind für die arbeitende Mitte keine Verheißung.
#Die Otto-von-Bismarck-Lektion: Kleine Parteien werden durch Verfolgung groß
Die Lehre des autoritären Bismarck-Reiches war: Druck erzeugt Gegendruck. Und Überdruck formt, festigt und vergrößert Parteien.
Das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ von 1887 war Bismarck’s Schwert, mit dem er die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP), welche wenig später zur SPD wurde, einen Kopf kürzer machen wollte. Ihre Zeitungen wurden zensiert, ihre Versammlungen behindert. Zum Schluss drohte er ihr mit einem Parteienverbot.
Aber dazu kam es nicht mehr. Eine Partei von den Reichstagswahlen auszuschließen, die sich zunehmender Beliebtheit erfreute, traute er sich dann doch nicht. So konnte die Arbeiterschaft dem Kanzler weiterhin zeigen, dass sie von seiner Ächtungspolitik nichts hielt.
In der Halblegalität entwickelte sich die SAP prächtig.
Ihre Stimmenanteile haben sich von der Wahl 1884 mit 9,7 Prozent bis
zur Wahl 1890 mit 19,7 Prozent mehr als verdoppelt.
Vergleichen heißt nicht gleichsetzen. Aber die Anti-AfD-Politik des Kanzlers, die eine ineffektive Migrationspolitik mit der Androhung des AfD-Parteiverbots kombiniert, brachte der SPD keine Linderung. Bismarck kämpfte seinen Kulturkampf gegen links, Scholz seinen gegen Rechts. Das Ergebnis bleibt das gleiche. Klein wird groß.
Je wütender der Kanzler auf „die Rechten“ eindrosch, je drastischer SPD-Chef Lars Klingbeil die AfD-Vorsitzende als „Nazi“ bezeichnete und je unverhohlener die Geheimdienste agierten – die jetzt nicht mehr geheim, sondern öffentlich das Etikett „gesichert rechtsextrem“ verteilten – desto größer fiel der Zuspruch für die Geächteten aus.
Wählerwanderung: Scholz hat aus der AfD-Wahl eine
Mutprobe für frustrierte SPD-Wähler gemacht. Von der vergangenen
Bundestagswahl (10,4 Prozent) bis heute hat sich die Partei laut
jüngster Insa-Umfrage auf 19 Prozent nahezu verdoppelt. Viele, die einst
zur Stammwählerschaft der SPD gehörten, sind auf der Wanderschaft.
Fazit: Scholz hat die Volkspartei SPD auf dem Gewissen.
In diesem Zustand wird die Sozialdemokratie womöglich nie mehr einen
Kanzler stellen können. Im Geschichtsbuch könnte es dann heißen: Brandt.
Schmidt, Schröder, Scholz, Schluss.
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