24 Oktober 2024

Trump verteufelt, Harris verklärt: Wie deutsche Medien im US-Wahlkampf eine Wunschrealität zeichnen

Am 5. November könnte es einmal mehr ein böses Erwachen geben. Weil die Amerikaner selbst darüber entscheiden, wer ins Weiße Haus einzieht – und nicht deutsche Redakteure und ihre willfährigen Experten.
Trump verteufelt, Harris verklärt: Wie deutsche Medien im US-Wahlkampf eine Wunschrealität zeichnen (NIUS)
Von
An Trump lässt man in der deutschen Medienlandschaft kein gutes Haar, während Kamala Harris zur Lichtgestalt hochgejazzt wird. Die Obsession ist offensichtlich, nur nicht für die Journalisten, die ihre Meinung mit der Realität verwechseln. Bald werden sie wieder von der Wirklichkeit umzingelt sein – und wieder nicht daraus lernen.
Am 5. November wählen die Amerikaner zum 60. Mal ihren Präsidenten. Wahlberechtigt sind gut 233 Millionen Menschen, außer den gut sechs Millionen, die wegen einer schweren Straftat verurteilt wurden. Auch die Deutschen sind nicht wahlberechtigt, dennoch meinen hiesige Medien ständig in den US-Wahlkampf eingreifen zu müssen.
Die Rollen sind seit mindestens viereinhalb Jahrzehnten klar verteilt. Favorisiert wird immer der Kandidat der Demokraten, der stets ein Hoffnungsträger, gar eine Lichtgestalt ist, mag er sich auch Skandale leisten wie Bill Clinton. Obama war ohnehin „Superstar“ und Messias, und Joe Bidens rapiden Verfall ignorierte man geflissentlich, schließlich war sein Konkurrent Donald Trump, der Gottseibeiuns unserer Tage.
Denn der jeweilige republikanische Konkurrent wird immer niedergemacht. Los ging es mit Ronald Reagan, der als „Schauspieler“ verlacht wurde und dem man wegen eines harmlosen Witzes bei einer Mikrofonprobe („Russland für vogelfrei erklärt, die Bombardierung beginnt in fünf Minuten“) zutraute, den Dritten Weltkrieg vom Zaun zu brechen. Später waren es Bush Senior und vor allem sein Sohn George W., die als dumm und gefährlich dargestellt wurden. Mit Trump erreichte die Hysterie allerdings einen Höhepunkt.

Der Kandidat der Republikaner ist immer der Buhmann

Sprechen wir vom Trump Derangement Syndrom, einem Phänomen, das der Kolumnist und Kommentator Charles Krauthammer erstmals im Zusammenhang mit George W. Bush als „Bush Derangement Syndrome“ beschrieben hat. Es war einfach egal, was Bush tat oder unterließ, es war immer falsch. Das Trump Derangement Syndrom (TDS) ist noch ausgeprägter. Sobald Donald Trump auftaucht, drehen seine Gegner durch. Nicht einmal das feinste gute Härchen lässt man an ihm.

2017 wertete eine Studie der amerikanischen Universität Harvard die Berichterstattung führender amerikanischer und europäischer Medien in den ersten 100 Amtstagen von US-Präsident Trump aus, darunter die ARD als einziges deutsches Medium. Wenig überraschend stellte sich heraus, dass nirgends negativer über Trump berichtet wurde als dort. Satte 98 Prozent der wertenden Berichte in der Hauptnachrichtensendung im Ersten waren laut der Studie negativ.

Nicht, dass das Erste oder andere öffentlich-rechtliche Sender es anders gehandhabt hätten als etwa der Spiegel oder die Süddeutsche Zeitung. Das Hamburger Nachrichtenmagazin stellte Trump auf seinen Covern mal als brüllenden King Kong dar, mal als auf die Erde zurasenden Kometen, als Feuerteufel, Ku-Klux-Klan-Rassisten oder als Henker, der die Freiheitsstatue enthauptet.

War da was mit Joe Biden?

Der Hass auf Trump trieft der deutschen Presse aus allen Poren, er kann es ihr nie recht machen, wird sogar als Kriegstreiber bezeichnet, obwohl in seiner Amtszeit (2016–2020) die USA keinen Krieg begannen, im Gegenteil betätigte sich Trump im Mittleren Osten mit den Abraham-Abkommen als Friedensstifter zwischen Israel und arabischen Ländern. Jedes Wort dreht man ihm im Munde um. Als Trump im März vor einem „Blutbad“ (im Sinne von ökonomischem Austrocknen) sprach, wurde ihm daraus eine Drohung mit politischer Gewalt konstruiert: „Werde er nicht gewählt, gebe es ein Blutbad.“ Die Klarstellung kam dann später in ganz kleiner Schriftgröße.

Selbst ein Attentat auf ihn wird verharmlost: „Trump nach Knall in Sicherheit gebracht“ lautete die Schlagzeile im ZDF. Den durchschaubaren politischen Charakter diverser Anklagen gegen Trump übersah man, ließ ihn lieber als Verbrecher dastehen. Er schüre Ängste, heißt es immer wieder, er habe eine „radikale Agenda“, „wüte“ und lüge. Kein anderer Politiker wird gewohnheitsmäßig als Lügner bezeichnet, schon gar keine deutschen. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) bot sogar einen Psychiater und Angstforscher auf, der erklären sollte, „warum so viele Leute Trumps Lügen glauben“. Das Wort „lügen“ tauchte im Text satte 25-mal auf. 

Als Joe Biden im TV-Duell mit Trump Ende Juni einen katastrophalen Auftritt hinlegte, der nicht nur die US-Demokraten entsetzte, taten deutsche Medien erst so, als sei nichts passiert. Laut der Tagesschau lieferten sich Biden und Trump ein „scharfes Wortgefecht“, die Aussetzer des Präsidenten wurden nicht einmal erwähnt. Erst als es sich nicht mehr vermeiden ließ, die US-Medien das Thema aufgriffen und in den Sozialen Medien die Videos kursierten, sah man plötzlich doch ein Problem.

„Kompetent. Schlagfertig. Nicht weiß“
Kaum war Joe Biden abserviert, avancierte Kamala Harris, die bis dahin im Hintergrund geblieben war, über Nacht zur Lichtgestalt. Hatte der Spiegel noch am 28. März von einer „Last namens Kamala Harris“ geschrieben, die beispiellos unpopulär ist, mutierte die Vizepräsidentin am 23. Juli zur „Verheißung“. „Kompetent. Schlagfertig. Nicht weiß.“ zählte ZDF heute die vermeintlichen Stärken der Demokratin auf. Das Zweite nannte sie auch „eine Frau, die Geschichte schreibt“, „Hoffnungsträgerin“, „stark im Debattieren“ und ein „großes Vorbild für Frauen“.

Als die Demokraten sie offiziell als Präsidentschaftskandidatin nominierten, schwelgten die deutschen Fanboys im „tosenden Jubel“. Der stern hob sie aufs Cover und titelte: „Die Erlöserin?“, das Fragezeichen nur setzend, um wenigstens einen Rest von journalistischer Distanz vorzutäuschen. Um eine unbeliebte und in ihrem Amt sichtlich überforderte Politikerin zur Säulenheiligen zu verklären, war den deutschen Medien nichts zu blöd.

Irgendwann beginnt der gemeine Haltungsjournalist, seine eigene Meinung für das Maß aller Dinge zu halten – und für die Realität. Wenn Trump so ein verdammter Idiot ist, dann kann es auch nicht sein, dass ihn die Amerikaner wählen, oder? So wird in den Redaktionen der Wunsch zum Vater des Gedankens. Und wenn man den Lesern, Zuschauern und Hörern nur oft genug erzählt, wie schlimm Trump ist und wie anständig sein jeweiliger Gegner, glaubt es auch das Publikum.

Unvergessen, wie Jörg Schönenborn 2016 im DeutschlandTREND Extra eine Umfrage von infratest dimap vorstellte, der zufolge auf die Frage, wer die Präsidentschaftswahlen in den USA gewinnen würde, 82 Prozent glaubten, dass Hillary den Sieg davontragen würde, nur 9 Prozent setzten auf Trump. Das Ergebnis ist bekannt.

Wenn Wunsch und Wirklichkeit verschmelzen
Da echte Haltungsjournalisten jedoch komplett lernresistent sind, wiederholen sie ihre Fehler immer und immer wieder. Dieser Tage zeigte das ZDF-Politbarometer, dass trotz des derzeit äußerst knappen Rennens in den USA 72 Prozent der befragten Menschen in Deutschland meinen, Kamala Harris werde den Sieg davontragen, nur 23 Prozent glauben das von Trump. Hier klaffen Wunsch und Wirklichkeit derart weit auseinander, dass sich der Eindruck aufdrängt, namentlich die öffentlich-rechtlichen Medien haben ihr Publikum derartig weichgekocht, dass dieses nicht mehr zu einer nüchternen Betrachtung der Verhältnisse in der Lage ist. Entsprechend kommentierte Elon Musk auf seiner Plattform X: „So sieht es aus, wenn die Menschen mit staatlicher Propaganda gefüttert werden.“

Eine weitere Umfrage ergab, dass vier von fünf Deutschen Harris wählen würden, wenn sie denn in Amerika abstimmen dürften, 79 Prozent der Befragten gaben das in der repräsentativen Forsa-Erhebung im Auftrag von stern und RTL an. Besonders hoch ist die Zustimmung für Harris demnach unter Anhängern der Grünen: fette 99 Prozent, die hat nicht einmal Erich Honecker vorweisen können.

Der als Experte herumgereichte Elmar Theveßen, für seine regelmäßig unzutreffenden Einschätzungen geradezu berüchtigt, hatte sich zwar noch im Juli bei Markus Lanz mit seiner Behauptung blamiert, „Joe Biden – hat man das Gefühl – sitzt ein Stückchen fester im Sattel" (Biden erklärte seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur nur ein paar Tage später). Dennoch wird er unverdrossen zu Rate gezogen, wenn man die gewünschte Expertise braucht. Bei Fox News offenbarte Kamala Harris kürzlich ihr Unvermögen (NIUS berichtete), doch Theveßen hatte ihre Performance ganz anders wahrgenommen.

Einen „Haussender“ hat nur Trump

Im ZDF zu Harris‘ Interview befragt, schwafelte Theveßen von „neuen Ideen, frischem Wind“, Harris habe „einige Punkte gesammelt“. Danke, das wollten wir hören. Schönen Abend noch! Nicht fehlen darf in diesem Zusammenhang der Hinweis auf Fox News als „Haussender“ von Donald Trump, wobei man von CNN als Haussender von Kamala Harris noch nie hörte. Wehe, wenn jemand auf die Idee käme, die ARD als Haussender der Grünen zu bezeichnen, da wäre ganz schnell von Hass & Hetze die Rede.

Die Möglichkeit, dass Donald Trump einer Mehrheit der Amerikaner aus der Seele sprechen könnte, wenn er amerikanische Werte beschwört und die Eliten an Ost- und Westküste verspottet, scheint für deutsche Haltungsjournalisten gar nicht zu existieren. Ebenso wenig der Gedanke, dass das woke Getue des Establishments gar nicht so edel, hilfreich und gut ist, wie allenthalben suggeriert wird.

Am 5. November könnte es einmal mehr ein böses Erwachen geben. Weil die Amerikaner selbst darüber entscheiden, wer ins Weiße Haus einzieht – und nicht deutsche Redakteure und ihre willfährigen Experten

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen