07 Mai 2025

The Pioneer - Merz: Kanzler der Fragilität

Business Class Edition
Merz: Kanzler der Fragilität
Guten Morgen,
der Verfassungsrechtler Carlo Schmid, Mitarchitekt des Grundgesetzes, hat nach dessen Verabschiedung gesagt:

         "Der Parlamentarismus ist nicht bequem – aber ehrlich"            .

Friedrich Merz – der gestern um 16:15 Uhr erst im zweiten Wahlgang zum Kanzler gewählt wurde – weiß spätestens jetzt, was damit gemeint ist. Es war die parlamentarische Ehrlichkeit, die ihm den Schmerz der Niederlage zufügte. Er ist, diese Botschaft der Abweichler ließ sich leicht dechiffrieren, ein Kanzler fragiler Verhältnisse. Wobei diese Fragilität über die Person von Friedrich Merz hinaus weist.
#1 Der deutsche Wohlstand erodiert
Die verfestigte Stagnation der Volkswirtschaft erzeugt seit drei Jahren nicht mehr jene Zuwächse, die der Sozialstaat zur Einhaltung seiner Versprechen braucht. Da die neue Koalition sich nicht auf eine schmerzlindernde Angebotspolitik für die Firmen einigen konnte – kein Bürokratieabbau, keine Steuersenkung –, kämpft die Wirtschaft einen einsamen Kampf. Umsatz- und Gewinnsteigerungen werden im Ausland erzielt oder gar nicht. Ein deutscher Spitzenmanager: "Deutschland schmiert ab".                                             
#2 Das gebrochene Stabilitätsversprechen

Die Union war traditionell die Partei, die sich nicht der Umverteilung, sondern der Wertsteigerung im produktiven Kern der Volkswirtschaft verpflichtet fühlte. Merz aber wurde nur deshalb Kanzler, weil er sich selbst verraten hat und der SPD für eine Staatsverschuldung der Extraklasse die Hand reichte.
Ohne Deutsche Einheit
und ohne Pandemie soll der Schuldenstand nun schätzungsweise auf das Rekordniveau von 90 Prozent gegenüber dem Inlandsprodukt hochgetrieben werden. AfD-Chefin Weidel kann ihr Glück kaum fassen: „Lügen haben kurze Beine. Der Wahlbetrüger Friedrich Merz wurde klar abgestraft“, sagte sie gestern nach dem gescheiterten ersten Wahlgang.

#3 Die Legitimationsprobleme der Union

Das Land ist im Zuge der Migrationsdebatte und unter dem Eindruck einer stagnierenden Wirtschaft weiter nach rechts gerückt. Erst die SPD, nun auch CDU und CSU wurden in den Umfragen von den Rechtspopulisten überholt. Die neue Regierung aber versucht eine Mehrheitsbildung links der Mitte.
Damit stehen Regierungsbildung
und politische Stimmung im Lande konträr zueinander. Der neue Kanzler – das zeigt sich im Bundestag – verfügt über eine nur fragile Legitimationsbasis. Markus Söder, der als einziger Landeschef nicht bei der Kanzlerwahl in Berlin anwesend war, sieht die „Vorboten von Weimar“. Fakt ist: Merz scheint von Verrätern und solchen, die es jederzeit wieder werden könnten, umstellt. Auf unheimliche Weise gilt auch für ihn: you’ll never walk alone.

#4 Der Brandmauer-Schwur
Das Brandmauer-Gelübde
, das Merz vor der Bundestagswahl zu lockern versuchte und nach dem Scheitern dieser Lockerung täglich erneuerte, nützt AfD und SPD. Der AfD sichert die Brandmauer ein Alleinstellungsmerkmal. Der SPD sichert die Brandmauer das Monopol zur Regierungsbeteiligung.

Damit ist der „Kampf gegen Rechts“ nicht so uneigennützig, wie er scheint. Dämonisierung und Stigmatisierung der AfD sind der Schlüssel zum Machterhalt der SPD. Und Merz? Ist nicht mehr allein der Koalitionspartner der Sozialdemokraten, sondern ihr moralischer Gefangener.

#5 Die verweigerte Aussprache

Das politische Establishment verweigert seinen Kritikern die offene Aussprache. Sachsens Premier Michael Kretschmer sagt im Podcast-Gespräch bei The Pioneer:

            "Über eine sehr lange Zeit wurden die Themen, die der Bevölkerung wichtig sind, ignoriert".

Diese Gesprächsverweigerung, das weiß Merz, muss er durchbrechen. Doch das gestern öffentlich zelebrierte Misstrauensvotum gegen ihn macht es ihm schwer, sich zu bewegen. Die Heckenschützen lauern nicht in der AfD, sondern in den eigenen Koalitionsreihen. Sie haben gestern nur in die Luft geschossen.

Fazit: Als Kanzler der Fragilität muss sich Merz in dieser widrigen Wirklichkeit ab heute behaupten. Den Luxus der Wehleidigkeit kann er sich nicht leisten. Für ihn gilt der alte Sponti-Spruch: Du hast keine Chance, also nutze sie.

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