Die intellektuelle Integrität der Universität
ist in den letzten 20 Jahren allzu oft auf dem Altar der Ideologien
geopfert worden. Administrationen wurden aufgebläht mit
Politkommissaren, die für ethnische Buntheit und Bevorzugung nichtweißer
Gruppen zuständig waren und sexuelle Belästigung ahnden sollten. Der
Antisemitismus reckte sein hässliches Haupt. Rassismus, Dekolonisierung
und Weiße Vorherrschaft gerieten ins Zentrum der Lehre. Über Jahre waren
gewaltige Summen aus arabischen Ländern, vor allem aus Katar, in die
Nahost-Institute geflossen, und mit den Geldern kamen israelfeindliche
Curricula und arabische Studenten, welche als Führungskader fungierten.
Bei der Anhörung im US-Kongress zu den Vorgängen demontierten sich die Präsidentinnen von Harvard und Pen selbst. Verstieß denn nicht der Aufruf zum Genozid an Juden gegen die Regeln der Universität? Gewunden antworteten sie: Das hänge vom „Kontext“ ab. Den Uni-Vorständen blieb nichts anderes übrig, als die beiden zum Rücktritt zu drängen.
Ein Blick nach Deutschland. Hierzulande haben viele Uni-Verwaltungen auch nicht gegen den Antisemitismus im Gewande des „Antizionismus“ durchgegriffen. Erst als die Gewalt überkochte, begann man, das Hausrecht durchzusetzen. Nach der Vandalisierung des Emil-Fischer-Hörsaals an der Humboldt-Universität wurde die Polizei gerufen. Die Zerstörungswut der Studenten war die Antwort auf die Ausweisung von vier ausländischen Aktivisten, die 2024 das FU-Präsidium besetzt hatten.
Und die AfD gewinnt ein paar Prozentpunkte
Doch nicht nur die Hochschulen haben versagt. Die Politik reagierte ebenso windelweich. Im Berliner Senat wurde lang und breit diskutiert, ob die Ausweisung gerechtfertigt sei. Eine Arbeitsgruppe „Migration und Vielfalt“ in der SPD mahnte Zurückhaltung an. Die AfD lachte sich ins Fäustchen und gewann ein paar Prozentpunkte. Die Bürger verstehen nicht, dass an den Unis hingenommen wird, was im normalen Leben strafbar ist.
In Harvard gab einen Tag nach dem Massaker an 1200 jüdischen Menschen das Palestine Solidarity Committee ein Statement heraus, das von 30 Studentengruppen unterstützt wurde. Darin erklärten sie, dass „das israelische Regime vollumfänglich verantwortlich für alle folgende Gewalt“ sei. Der israelische Gegenschlag war eingepreist, obwohl der erst Tage später erfolgen sollte.
Die Leitungen der Unis waren von der Macht der Demonstranten überrascht. Sie hatten keine Ahnung, dass ihre Studenten sich von den „National Students for Justice in Palestine“ instrumentalisieren ließen. Die Anti-Israel-Offensive – hierzulande wie in den USA – hatte noch tiefere Wurzeln: in einem Lehrangebot, das kurz als „woke“ etikettiert werden kann. Dahinter steckte nicht leidenschaftliches Lernen, sondern ein ideologisches Programm.
Inzwischen
kennen wir die Stichworte: Kolonialismus und Postkolonialismus,
Vorherrschaft des weißen Mannes, Ausbeutung, Unterdrückung aller
Nichtweißen – und Abstrusitäten wie „Dekolonialität“. Derlei
Indoktrinierung bereitete den ideologischen Boden für die
Radikalisierung auf dem Campus. Und die Professoren? 80 Prozent des
Lehrkörpers von Harvard stufen sich als „links“ oder gar „sehr links“
ein. „Diversität“ sieht anders aus.
Der neueste Antisemitismus-Report von Harvard räumt nun vorsichtig jahrelange Fehlentwicklungen ein: sinkende intellektuelle Standards, ein von Vorurteilen gesteuertes Curriculum und eine gewisse „Faulheit“, jüdische oder israelische Perspektiven im Kontext des Israel-Palästina-Konflikts zu berücksichtigen. Manche Abteilungen opferten historische Fakten der politischen Agenda. Ein Professor leugnete gar, dass Juden irgendeine historische Beziehung zum Land Israel hätten.
Wieso diese bizarre Agenda, die sich seit Jahren verbreitet? Der Report hat einen „Schuldigen“ ausgemacht: nicht fest angestellte Lehrbeauftragte. Lehrbeauftragte, eine Art akademisches Proletariat, kosten wenig und gelten vor allem in den Geistes- und Sozialwissenschaften als weit links. Wieso merkt die Leitung das erst jetzt?
Ob der Wegfall von Milliarden an staatlicher Unterstützung
Harvard und andere kuriert? Harvard klagt vorerst gegen die
US-Regierung. Ein bisschen weniger Antisemitismus wird nicht reichen, um
Jahrzehnte des Verfalls der intellektuellen Integrität wieder
wettzumachen. Überdies: „linkswoke“ durch „rechtswoke“ zu ersetzen, das
ist wie den Teufel mit dem Beelzebub zu vertreiben. Private
Universitäten wie Harvard an der Leine des Staates? Das wäre kein Gewinn
für Gelehrsamkeit und geschärftes Denken, intellektuelle Redlichkeit
und Meinungsvielfalt. Verordnetes „Gutdenk“, diesmal von rechts, ist
Gift für Lehre und Forschung.
Christine Brinck ist Publizistin. Sie hat u.a. vergleichende Hochschulforschung gelehrt.
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