22 Mai 2025

Gewalt gegen Polizisten - Der Staat verliert seine Autorität (WELT+)

Gewalt gegen Polizisten
Der Staat verliert seine Autorität (WELT+)
Von Ahmad Mansour, 21.05.2025: 4 Minuten
Ein Polizist wird in Berlin von Demonstranten ohnmächtig getreten. Ein anderer wird mit einem Messer lebensgefährlich am Hals verletzt – und der Täter wird freigelassen, weil „keine Absicht“ vorgelegen habe. Eine Ursache für die Häufung solcher Gewalttaten ist linke, woke Ideologie.
Es ist keine Woche her, da versammelten sich in Berlin mehr als tausend Demonstranten unter dem Motto „Nakba 77“. Sie riefen israelfeindliche Slogans und bewarfen Polizisten mit Flaschen und Steinen. Als ein Polizist einen Randalierer festnehmen wollte, zerrte die Menge den Beamten zu Boden und trat auf ihn ein. Schwer verletzt verlor der Polizist das Bewusstsein, ein Arm war gebrochen. Bei der Generalstaatsanwaltschaft bewertet man die Tat als „Angriff auf Organe des Rechtsstaats“.
Was der Beamte dort erlebte, ist kein Einzelfall. Immer drastischer macht der linke Rand Stimmung gegen die Exekutive. „Bullenschweine raus!“, brüllten Universitätsbesetzer in Berlin. Auf vielen Demos hieß es: „Ganz Berlin hasst die Polizei!“ Die radikale Rhetorik des Milieus suggeriert, Polizisten seien generell alle rassistisch, autoritär, repressiv, militarisiert. Dabei haben gerade Erfolge bei der Deeskalation durch Polizei beeindruckend zugenommen, etwa in den Nächten zum 1. Mai in Berlin.
Der Wandel ist erschreckend. Ausgerechnet die Polizei, die uns alle schützen soll, braucht selbst immer mehr Schutz. Physische Angriffe gehören heute zu ihrem Alltag. Das ist nicht hinnehmbar – und das hat Ursachen.
Eine der Ursachen ist linke, woke Ideologie. Sie befeuert die Vorstellung, staatliche Autorität sei per se Repression und ein „strukturelles Problem“, Gewalt gegen sie sei „Widerstand“. In Diktaturen stimmt das. In Demokratien ist es purer Irrsinn. Ein Irrsinn, von dem sich Staat und Gesellschaft nicht einschüchtern lassen dürfen.
Doch leider geschieht auch das, etwa vergangene Woche in Berlin-Neukölln. Ein aufgebrachter Mann beschädigte ein Polizeiauto mit einem Messer und verletzte einen Polizeibeamten, der ihn stellte, lebensgefährlich am Hals. Er musste notoperiert werden. Und dann? Der Täter wurde noch in derselben Nacht freigelassen, denn es habe „keine Absicht“ vorgelegen. Berlins Innensenatorin, ist zu hören, hat inzwischen erklärt, man werde Konsequenzen prüfen.

Und es muss Konsequenzen geben. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. 46.218 registrierte Gewalttaten gegen Polizistinnen und Polizisten im Jahr 2023 – ein Höchststand. 105.708 betroffene Beamte – fast zehn Prozent mehr als im Vorjahr, und der stärkste Anstieg seit 2017.

In der gesamten Gesellschaft macht sich ein Ressentiment gegen Autoritäten breit. Immer öfter werden Feuerwehrleute, Ordnungskräfte, ja sogar Notfallsanitäter und Ärzte, zur Zielscheibe von Gewalt. Polizisten erfahren Gewalt nicht allein durch linke Ideologen.

Anfang 2022 erschoss ein Jagdwilderer in Rheinland-Pfalz zwei Polizisten bei einer Fahrzeugkontrolle. Sie hatten Wild im Kofferraum entdeckt. 2016 wurde ein Beamter des Spezialeinsatzkommandos Nordbayern von einem Reichsbürger erschossen, der auch drei weitere Beamte verletzte.

Realität hinter der Uniform

Als Gastdozent an der Polizeiakademie Berlin behandle ich Themen wie interkulturelle Kompetenz, Diskriminierung, Rassismus. Ich erlebe junge Menschen, die aus Überzeugung in den Beruf wollen, die reflektieren, zuhören, lernen. Die Polizei hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt, sie ist professioneller, sensibler, und immer mehr, die hinwollen, haben eine Migrationsgeschichte. Das ist gut so.

Aber die engagierten Nachwuchskräfte dürfen nicht in eine Realität entlassen werden, die geprägt ist von Respektlosigkeit, Provokation, Bedrohung, Angst und Gewalt. Schon jetzt berichten sie von Leuten, die provozieren, um zu filmen, und möglichst ein virales Video zu „Polizeigewalt“ im Netz zu lancieren. Berlin bekommt seine Ausbildungsklassen kaum noch voll. Wer will denn in einen Beruf, in dem man im Fadenkreuz steht, medial, juristisch, physisch?

Allein die Nachwuchsfrage ist ein dramatisches sicherheitspolitisches Problem. Gewalt gegen die Polizei ist ein Angriff auf das Herz von Demokratie und Rechtsstaat. Doch statt Rückhalt begegnet den Beamten allzu oft politische Besserwisserei, praxisferne Belehrung, akademischer Zynismus.

Gewalt gegen die Polizei darf nicht deren Betriebsrisiko sein oder bleiben. Sie ist ein Angriff auf uns alle. Wir alle müssen viel mehr Stimmen aus dem Inneren der Polizei hören, die von einer Realität berichten, die die meisten nicht sehen wollen.

Ein Staat, der seine Polizei nicht schützt, verliert seine Autorität. Gebraucht wird politische Klarheit, gebraucht werden Gerichtsurteile, die den Rechtsrahmen voll ausschöpfen, die Zeichen setzen ohne Relativierungen. Wenn die Schützenden selbst keinen Schutz haben, verlieren wir am Ende den Schutz für uns alle.

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