Fazit des Berichts: „Auch 2024 waren erneut diejenigen Journalistinnen und Journalisten gefährdet, die sich mit rechtsextremen Milieus und Parteien wie der AfD beschäftigten: Sie berichten von Feindmarkierungen, Bedrohungen, Beleidigungen und Angst vor körperlicher Gewalt.“ Zur Veranschaulichung soll gleich auf der ersten Seite der Langfassung des Berichts das Foto eines AfD-Politikers dienen, der einem direkt vor ihm stehenden Fotografen die Hand vor das Objektiv hält.
Das ist umso seltsamer, als im Bericht sehr viel gewaltsamere Angriffe auf Journalisten geschildert werden. Aber diese wurden nicht von AfD-Politikern verübt, sondern von gewalttätigen Pro-Palästina-Demonstranten: „Auch als der Journalist bereits am Boden lag, wurde weiter auf ihn eingetreten.“
Von Gefährdungen der Pressefreiheit durch deutsche Behörden ist bei den RSF kaum die Rede. Und wenn, dann ist die politisch einseitige Haltung offenkundig: Gegen das Abhören der Telefone der Pressestelle der gewalttätigen „Letzten Generation“ hatten die RSF im September 2024 erfolgreich eine Verfassungsbeschwerde eingelegt.
Einschüchterungsklagen vom Bauunternehmer
Die
RSF haben durchaus recht: „Medienschaffende müssen mit Aktivist*innen
sprechen können, ohne vom Staat systematisch belauscht zu werden“,
obwohl die „Letzte Generation“ die Grenzen der Legalität unzählige Male
überschritten hat. Allerdings müssen Journalisten eben auch
Regierungspolitiker scharf kritisieren können, ohne dafür vor Gericht
verurteilt zu werden.
Zwar werden Einschüchterungsklagen (SLAPP, Strategic Lawsuits against Public Participation) erwähnt. Aber damit sind offenbar nicht solche von Regierungspolitikern gemeint. Als „mächtige Akteure“, die diese rechtmissbräuchlichen Zivilklagen gegen „einzelne Medienschaffende oder Medien-Häuser“ führen, „um sie einzuschüchtern und von unliebsamen Veröffentlichungen abzuhalten“, nennen die RSF nur „zumeist finanzstarke Unternehmen“, aber nicht deutsche Ministerinnen. Bezeichnend ist das einzig konkrete Beispiel für einen vermeintlich mächtigen Akteur: „Ein sächsischer Bauunternehmer hatte gegen verschiedene Äußerungen in einem Artikel über Unternehmerisches Engagement für die extreme Rechte in Ostsachsen geklagt.“
Freiheit für den Haltungsjournalismus
Empörend finden die grenzenlosen Reporter neben der „Pressefeindlichkeit“ der Bürger vor allem zweierlei:
- Erstens einen vermeintlichen „stark verengten Meinungskorridor bei der Arbeit zu Israel und Palästina“ innerhalb der Redaktionen durch „äußerst langwierige Kontroll- und Aushandlungsprozesse zu Begriffen, mit denen die israelische Kriegsführung kritisiert wird“. Auch dass „Aussagen palästinensischer Quellen und von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch oder den Vereinten Nationen (UNO)“ in den Redaktionen „grundsätzlich in Frage gestellt“ werden, halten die RSF für „umstrittene Aushandlungsprozesse in Redaktionen“.
- Schwer enttäuscht sind die RSF außerdem über das Ende des „Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan (BAP)“ der scheidenden Ampel-Regierung: „Damit bleiben tausende gefährdete Menschenrechtsverteidiger*innen und bedrohte Medienschaffende ihrem Schicksal überlassen, selbst wenn sie im Vertrauen auf eine Aufnahme durch die Bundesregierung den mühsamen Weg nach Pakistan bereits auf sich genommen hatten.“
Die Reporter ohne Grenzen haben –
zumindest in Deutschland – ganz offenkundig nicht in erster Linie die
Freiheit des Journalismus generell im Sinn. Sondern bestmögliche
Bedingungen für einen Journalismus mit bestimmter politischer Haltung.
Was sie als „ein verengtes Verständnis von Pressefreiheit“ bei Bürgern
beklagen, nämlich die Markierung von jenen, „die nicht ihrem eigenen
politischen Spektrum“ angehören, als „Gegner“, ist ebenso unschwer in
ihrem eigenen Bericht zu erkennen.
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