23 Mai 2025

Der andere Blick - Rechtsextremismus ist brandgefährlich: Umso wichtiger ist es, den Begriff nicht inflationär zu benutzen (NZZ)

Der andere Blick
Rechtsextremismus ist brandgefährlich: Umso wichtiger ist es, den Begriff nicht inflationär zu benutzen (NZZ)
Die Feinde der Demokratie freuen sich, wenn es keine saubere Trennung zwischen «rechts» und «rechtsextrem» gibt – weil die Begriffe dann an Schärfe verlieren.
von Jonas Hermann, 21.05.2025, 3 Min
Zwei Dinge irritieren am Umgang mit dem Rechtsextremismus in Deutschland.
Erstens: Rechtsextreme wurden von der ehemaligen Innenministerin Nancy Faeser als grösste Gefahr für die Demokratie bezeichnet. Auch ihr Vorgänger Horst Seehofer sah das so. Fakt ist aber, dass sich die Bundesanwaltschaft in den vergangenen Jahren zu mehr als 90 Prozent mit Islamisten beschäftigt hat. Fast alle staatsgefährdenden Straftaten landen bei der Behörde. Wenn dort vor allem gegen Islamisten ermittelt wird, stellt sich die Frage, warum diese nicht die eigentliche Gefahr für die Demokratie sind.
Zweitens: Die Begriffe «rechts», «rechtsradikal» und «rechtsextrem» werden gerne vermischt. Rechts zu sein, ist genauso legitim, wie links zu sein. Auch linksradikale oder rechtsradikale Einstellungen sind nicht per se verfassungswidrig. Bei linkem wie rechtem Extremismus wird es hingegen schwierig, weil hier die Schwelle zu Gewalttaten oder strafbaren Äusserungen nicht mehr weit ist oder gar bereitwillig überschritten wird.
In Deutschland kommt das Wort «rechtsextrem» einigen Journalisten und Politikern schnell über die Lippen. Es ist das maximale Stigma. Wer als rechtsextrem gilt, kann nicht mehr am ernstzunehmenden Diskurs teilnehmen.
Die wahren Feinde der Demokratie
Ist die AfD als Gesamtpartei rechtsextrem? Man kann es sich leichtmachen, aber eine seriöse Antwort auf diese Frage ist schwierig. Dass es in der Partei Extremisten gibt, lässt sich nicht bestreiten. Ob die gesamte Partei extrem ist, kann man bezweifeln. Selbst der neue deutsche Innenminister Alexander Dobrindt sagte, dass das Verfassungsschutzgutachten zur AfD nicht für ein Parteiverbot ausreiche. Trotzdem bezeichnen sie viele Politiker und Medien als rechtsextrem. Auch der Verfassungsschutz, die Belege dafür lassen aber Raum für Zweifel.

Generell gilt: Wenn der Begriff Rechtsextremismus inflationär genutzt wird, wetzt er sich ab. Dass dies ein Fehler wäre, hat sich am heutigen Mittwoch erneut gezeigt.

Die Polizei hat fünf junge Deutsche festgenommen, die mutmasslich Anschläge auf Asylmigranten und Andersdenkende geplant hatten. Sie nannten sich die «Letzte Verteidigungswelle» und wollten laut der Bundesanwaltschaft einen Zusammenbruch des demokratischen Systems herbeiführen.

Hier handelt es sich eindeutig um Rechtsextreme – und leider finden sich immer wieder solche Konstellationen zusammen. So zum Beispiel die «Gruppe S.» oder «Revolution Chemnitz». Mitglieder beider Gruppierungen führten Ähnliches im Schilde wie die «Letzte Verteidigungswelle» und landeten im Gefängnis.

Solche Rechtsextremisten sind Feinde der Demokratie und trauern der Nazizeit nach. Ihre wirren Ziele stehen im Widerspruch zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Zu Recht werden sie geächtet und mit dem gesamten Instrumentarium des Rechtsstaats bekämpft.

Leider gibt es auch immer wieder Fälle, die weniger glimpflich ausgehen. Im Jahr 2019 wollte der Rechtsextremist Stephan B. eine Synagoge in der ostdeutschen Stadt Halle überfallen und dort ein Massaker anrichten. Er scheitere an der Tür, tötete aber aus Frust zwei Passanten.

Verfassungsschutz im Tiefschlaf

Die grösste Schande war aber die rechtsextreme Terrorgruppe NSU. Sie zog sechs Jahre durchs Land, ermordete neun Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, legte Bomben, überfiel Banken. Dass die Behörden dem Trio erst sehr spät auf die Spur kamen, ist kaum zu entschuldigen.

Der Verfassungsschutz geriet damals in Erklärungsnöte; nicht zuletzt wegen seiner V-Leute. Dabei handelt es sich um Personen aus extremistischen Milieus, die heimlich für den Staat arbeiten und den Behörden Informationen zuspielen. Im Umfeld des NSU waren rund dreissig V-Leute aktiv. Wieso der Verfassungsschutz trotzdem nichts mitbekommen haben will, muss man nicht verstehen.

Damals standen die Verfassungsschutzbehörden zu Recht in der Kritik. Diese kam vor allem aus den Kreisen, die heute das AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes preisen und als wichtiges Puzzleteil für ein mögliches Parteiverbot sehen.

Der Verfassungsschutz sollte aber keine unappetitlichen politischen Akteure bekämpfen, sondern Extremisten, die vor Gewalttaten nicht zurückschrecken. Die deutsche Öffentlichkeit wäre indes gut beraten, den Begriff «rechtsextrem» nicht mehr allzu schnell für missliebige politische Positionen zu nutzen. Andernfalls verliert der Begriff seine Nennkraft, was nur den wahren Extremisten nützt.

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