Rechtsextremismus ist brandgefährlich: Umso wichtiger ist es, den Begriff nicht inflationär zu benutzen (NZZ)
Generell gilt: Wenn der Begriff Rechtsextremismus inflationär genutzt wird, wetzt er sich ab. Dass dies ein Fehler wäre, hat sich am heutigen Mittwoch erneut gezeigt.
Die Polizei hat fünf junge Deutsche festgenommen, die mutmasslich Anschläge auf Asylmigranten und Andersdenkende geplant hatten. Sie nannten sich die «Letzte Verteidigungswelle» und wollten laut der Bundesanwaltschaft einen Zusammenbruch des demokratischen Systems herbeiführen.
Hier handelt es sich eindeutig um Rechtsextreme – und leider finden sich immer wieder solche Konstellationen zusammen. So zum Beispiel die «Gruppe S.» oder «Revolution Chemnitz». Mitglieder beider Gruppierungen führten Ähnliches im Schilde wie die «Letzte Verteidigungswelle» und landeten im Gefängnis.
Solche Rechtsextremisten sind Feinde der Demokratie und trauern der Nazizeit nach. Ihre wirren Ziele stehen im Widerspruch zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Zu Recht werden sie geächtet und mit dem gesamten Instrumentarium des Rechtsstaats bekämpft.
Leider gibt es auch immer wieder Fälle, die weniger glimpflich ausgehen. Im Jahr 2019 wollte der Rechtsextremist Stephan B. eine Synagoge in der ostdeutschen Stadt Halle überfallen und dort ein Massaker anrichten. Er scheitere an der Tür, tötete aber aus Frust zwei Passanten.
Verfassungsschutz im Tiefschlaf
Die grösste Schande war aber die rechtsextreme Terrorgruppe NSU. Sie zog sechs Jahre durchs Land, ermordete neun Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, legte Bomben, überfiel Banken. Dass die Behörden dem Trio erst sehr spät auf die Spur kamen, ist kaum zu entschuldigen.
Der Verfassungsschutz geriet damals in Erklärungsnöte; nicht zuletzt wegen seiner V-Leute. Dabei handelt es sich um Personen aus extremistischen Milieus, die heimlich für den Staat arbeiten und den Behörden Informationen zuspielen. Im Umfeld des NSU waren rund dreissig V-Leute aktiv. Wieso der Verfassungsschutz trotzdem nichts mitbekommen haben will, muss man nicht verstehen.
Damals standen die Verfassungsschutzbehörden zu Recht in der Kritik. Diese kam vor allem aus den Kreisen, die heute das AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes preisen und als wichtiges Puzzleteil für ein mögliches Parteiverbot sehen.
Der Verfassungsschutz sollte aber keine unappetitlichen politischen Akteure bekämpfen, sondern Extremisten, die vor Gewalttaten nicht zurückschrecken. Die deutsche Öffentlichkeit wäre indes gut beraten, den Begriff «rechtsextrem» nicht mehr allzu schnell für missliebige politische Positionen zu nutzen. Andernfalls verliert der Begriff seine Nennkraft, was nur den wahren Extremisten nützt.
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