Wenn sie Putin nicht bezwingen kann, ist es Zeit für eine Verständigung (NZZ)
Putin hat unmissverständlich klargemacht, dass Russland wieder ein Hauptakteur in Europa ist. Das Land nimmt erneut den Platz ein, den es auf dem Schlachtfeld von Poltawa vor 300 Jahren mit Blut und Eisen erkämpft hat.
Dreimal war Russland im letzten Jahrhundert dem Zusammenbruch nahe: 1917, 1941 und 1991. Jedes Mal eroberte es seine Stellung in Europa zurück. Seine Grösse, seine Bevölkerungszahl und seine Ressourcen, ferner die Atomwaffen versetzen das Land in die Lage, über das Schicksal des Kontinents mitzuentscheiden.
Wenn Russland eine politische und militärische Schwächephase durchleidet wie letztmals nach dem Kollaps der Sowjetunion, ist diese nur temporär. Diese Lektion hat der Westen nach dem Fall der Berliner Mauer ignoriert. Er erlebt jetzt die Rückkehr der Geschichte.
«Zum Teufel damit», rief Präsident George Bush senior aus, als er sich mit der Frage konfrontiert sah, ob Amerika Moskau an der Gestaltung der europäischen Ordnung nach dem Kalten Krieg als halbwegs gleichberechtigten Partner beteiligen sollte.
Washington stand vor einem Dilemma. Die Sicherheitsinteressen der osteuropäischen Staaten und jene Russlands widersprachen sich diametral. Polen, Ungarn und Tschechien drängten auf den Beitritt. Nach der sowjetischen Unterdrückung besassen sie jedes moralische und politische Recht auf Selbstbestimmung.
Moskau
hingegen versuchte, schon die Ausdehnung der Nato auf das Gebiet der
ehemaligen DDR zu verhindern – von Osteuropa ganz zu schweigen. Es
benötigte jedoch westliche Finanzhilfe und gab daher widerwillig nach.
Michail Gorbatschow stimmte im Zwei-plus-vier-Vertrag der Zugehörigkeit von ganz Deutschland zur Allianz zu, was ihm Helmut Kohl mit 12 Milliarden Mark und günstigen Krediten versüsste. Aber es war klar, dass sich Moskau nie mit der Vergrösserung des Bündnisses abfinden würde.
Amerika setzte alles auf die osteuropäische Karte. So erklärte die US-Aussenministerin Madeleine Albright kühl: «Wir benötigen die Zustimmung Russlands zur Erweiterung nicht.» Das war insofern plausibel, als die Nato-Mitgliedschaft Stabilität in einen notorisch instabilen Raum brachte. Die ehedem von Moskau und Berlin bedrängten Mittelstaaten entwickelten sich zu prosperierenden Demokratien.
Was damals richtig war, muss aber heute nicht mehr zweckmässig sein. Die Lage hat sich in drei Dekaden grundlegend verändert. Russland ist wieder ein Machtfaktor, den man nicht mit einigen Milliarden abspeisen kann. Und es ist zugleich ein Schurkenstaat und Aggressor.
Die Nato steht heute vor einer Weichenstellung wie Anfang der neunziger Jahre. Sie muss sich entscheiden, ob sie den Schurkenstaat mit allen Mitteln eindämmt oder ob sie Russland als Grossmacht akzeptiert und in eine europäische Sicherheitsordnung einzubinden versucht.
Trumps Motive bei den Ukraine-Gespräche blieben zwielichtig
Konfrontation oder Kooperation: Aus dieser Grundentscheidung ergibt sich auch, in welcher Weise der Westen die Ukraine künftig unterstützt. Nach der Invasion eilten die USA wie die Europäer Kiew zu Hilfe; das geboten Eigeninteresse und Gerechtigkeitsempfinden. Aber die Unterstützung war nie vorbehaltlos.
Der Westen liess sich immer ein Hintertürchen offen. Ein Nato-Beitritt stand schon vor Donald Trump nicht zur Debatte, die Waffenlieferungen überstiegen nie ein gewisses Mass. Die Atommacht Russland sollte nicht provoziert werden.
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