Merz' 
schwacher Start als Kanzler ist keine Gefahr für die Demokratie. Das 
Gerede von Weimarer Verhältnissen ist verantwortungslos (NZZ)
Schon am ersten Tag drohte die Koalition in Deutschland an inneren 
Widersprüchen zu scheitern. Politiker aller Couleur sahen den nahenden 
Untergang der Republik. Das ist Unfug.
Einen
 Tag nachdem Friedrich Merz mit Ach und Krach zum Bundeskanzler gewählt 
wurde, stehen schon Besuche in Paris und Warschau an. Merz will sich mit
 den wichtigsten europäischen Verbündeten abstimmen, der politische 
Alltag ist zurück. Auch in Berlin steht noch alles. Keine Rauchschwaden 
über dem Regierungsviertel.
Das
 muss jeden erstaunen, der die Diskussion am Vortag mitbekommen hat. 
Nachdem Merz im ersten Wahlgang die erforderliche absolute Mehrheit 
verfehlt hatte, sahen Politiker nicht etwa nur die schwarz-rote 
Koalition in Gefahr. Sondern gleich die ganze Demokratie.
Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder warnte davor, Merz scheitern zu lassen. Das könnte ein «schlimmer Vorbote für Verhältnisse wie in der Weimarer Republik sein», schrieb er.
 Es gehe jetzt «um die Demokratie». Ähnlich äusserte sich die 
Co-Parteichefin der Grünen, Franziska Brantner. Sie attestierte der 
Republik nach dem gescheiterten ersten Wahlgang einen Vertrauensverlust. Die
 beiden waren nicht die Einzigen, die sich so äusserten. Von einer 
«Staatskrise» war die Rede, von einem «enormen Schaden» für das 
Gemeinwesen. Überall wurden die ganz grossen Geschütze aufgefahren.
Es wird viel Kitt brauchen, um dieses Bündnis zu erhalten Man
 sollte sich noch einmal vergegenwärtigen, was geschehen ist. 18 
Abgeordnete aus den Reihen von Union und SPD haben im ersten Wahlgang 
nicht für Merz gestimmt, ihm fehlten am Ende wenige Stimmen.
 Die Wahl ist aus guten Gründen geheim, die Abgeordneten sind nur ihrem 
Gewissen unterworfen. Man kann sie dazu aufrufen, mit ihrer Fraktion zu 
stimmen, zwingen kann man sie nicht. Im Gegenteil: Das wäre 
verfassungswidrig.
 Dass
 die Parlamentarier Merz durchfallen liessen, mag vieles sein: 
egoistisch, verantwortungslos, womöglich sogar dumm. Es war aber sicher 
nicht demokratiegefährdend. Die Demokratie hat an diesem Dienstag 
vielmehr einwandfrei funktioniert. Das Parlament ist an keiner Stelle 
vom Grundgesetz abgewichen. Eine Regierung muss stets die Möglichkeit 
haben, an inneren Widersprüchen zu zerbrechen, selbst am ersten Tag. 
Auch das gehört zur Demokratie.
Merz’ Scheitern im ersten Wahlgang zeigt damit vor allem eines: wie gross die Fliehkräfte in der Koalition schon jetzt sind.
 Bürgerlichen Abgeordneten ist sie zu links, linken Sozialdemokraten zu 
rechts. Die einen sind wütend, weil Merz seinen angekündigten 
Politikwechsel schon vor Amtsantritt verwässern musste. Die anderen, 
weil er Stimmen der AfD für einen parlamentarischen Antrag zur Migration
 in Kauf nahm.
Die Demokratie kann viel verkraften
Mit
 SPD und Union haben sich zwei Partner zusammengetan, die in 
wesentlichen politischen Fragen auseinanderliegen. Es wird viel Kitt 
brauchen, um dieses Bündnis zu erhalten.
Sicher,
 die Regierung mag nach diesem Debakel geschwächt sein. Nur sollte man 
eine stabile Regierung nicht mit einer stabilen Demokratie verwechseln. 
Die Warnungen vor dem Untergang sind mittlerweile so drastisch, dass man
 von einer Lust sprechen muss. Wer allerdings ständig den Zusammenbruch 
beschwört, der redet ihn irgendwann herbei. Der höhlt selbst das 
Vertrauen in das demokratische Gemeinwesen aus, wie manche Gegner vom 
rechten Rand, das ist die Ironie.
Dabei
 kann die deutsche Demokratie viel verkraften. Hitzige Streits und 
Wortgefechte. Knappe Mehrheiten und rebellierende Parlamentarier. Sogar 
ein Scheitern von Friedrich Merz.
 
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